Wie geht Aufklärung heute? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Wie geht Aufklärung heute?

Lesedauer: 10 Minuten
 Die Aufklärungsbücher «Nur für Boys», «Nur für Girls», für 9- bis 11-Jährige.
 «Make Love» und «Make More Love», empfohlen ab 12 Jahren.

Noch keine Generation galt als so aufgeklärt wie die unserer Kinder. Im Internet sind alle Informationen Tag und Nacht verfügbar. Doch was wissen Kinder und Jugendliche wirklich über Sex? Wie sieht altersgerechte Aufklärung heute aus? Und welche Rolle spielen die Eltern dabei?

Was weiss eine 11­-Jährige heu­te über Sex? Und was ein 15­-Jähriger? Was hat er selbst schon für Erfah­rungen gemacht? Noch nie galt eine Generation als so aufgeklärt wie diese – der fortschreitenden Digita­lisierung und ständigen Verfügbar­keit aller Informationen sei Dank. Doch ist die Jugend von heute tat­ sächlich so aufgeklärt, wie wir den­ken? Oder klaffen da trotz Internet grosse Wissenslücken?

Selbst wenn es uns Erwachsenen manchmal so vorkommt, als würden sich Jugendliche alle Informationen aus dem Netz besorgen, sind die Eltern in Sachen Aufklärung nach wie vor wichtig. Vielleicht sogar wichtiger als je zuvor. Warum das? Welchen Einfluss haben sie auf die Sexualität ihrer Kinder? Sollen Väter Söhne aufklären und Mütter Töchter – oder gerade umgekehrt? Und wie macht man das in Zeiten, in denen Kommunikation über soziale Medien stattfindet und Buben und Mäd­chen leichter an pornografische Inhalte kommen als an eine Dose Panaché?

Fakt ist: Aufklärung erfolgt heute sehr individuell und findet meist durch mehrere Instanzen statt. In einer aktuellen Umfrage von «Lust und Frust», der Zürcher Fachstelle für Sexualpädagogik, geben zum Beispiel 62 Prozent der Mädchen und 52 Prozent der Jungen an, von den Eltern aufgeklärt worden zu sein. Bei unseren Nachbarn sieht es ähnlich aus. In einer Studie der deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2015 sagen 59 Prozent der Mädchen, sie seien von den Eltern – mehrheit­lich von der Mutter – aufgeklärt worden, bei den Jungen sind es nur 34 Prozent. In beiden Umfragen nennen zwischen 50 und 60 Prozent das Internet als wichtige Informationsquelle. Und während in der Schweiz gut 80 Prozent der Teenager angeben, unter anderem in der Schule aufgeklärt worden zu sein, sind das in der deutschen Studie lediglich rund 40 Prozent. Weitere Rollen im «Aufklärungspuzzle» spielen Kolleginnen und Kollegen, Geschwister, Bücher, Zeitschriften sowie Ärztinnen und Ärzte.

In der Schweiz werden 62 Prozent der Mädchen und 52 Prozent der Jungen von den Eltern aufgeklärt.   Dieser Text gehört zum Dossier Aufklärung. Lesen Sie hier alle Artikel zum Thema. 
In der Schweiz werden 62 Prozent der Mädchen und 52 Prozent der Jungen von den Eltern aufgeklärt.

Dieser Text gehört zum Dossier Aufklärung. Lesen Sie hier alle Artikel zum Thema. 

Ein Drittel der 13-Jährigen hat ­Pornografie ­im­ Internet­ gesehen

Das sei durchaus richtig und wichtig so, sagt Lukas Geiser, Sexualpädago­gikdozent an der Pädagogischen Hochschule Zürich. «Wenn Kinder älter werden, sollen sie unbedingt auch andere Informationsquellen als die Eltern haben.» Aber – und da sind sich Fachleute einig – beginnen sollte die Aufklärung im Elternhaus. Und zwar nicht erst in der Pubertät, sondern schon von klein auf. «Denn bevor Jugendliche heute das erste Mal Sex haben, werden sie sehr viel früher in den Medien mit diesem Thema konfrontiert. Früher war es genau umgekehrt. Man hatte keinerlei Informationen und musste alles irgendwie selbst herausfinden», so Geiser.

Wir erinnern uns: Pornografie war in unserer Jugend etwas, das man von den obersten Regalen im Kiosk kannte, an denen sich – so dachte man zumindest – nur schmuddelige alte Männer bedienten. Oder von der Teenie-Pyjama-Party, an der man spätabends heimlich und mit leichtem Schamgefühl «Eis am Stiel» schaute. Nackte Tatsachen und Klartext über Sex gab es in erster Linie in der «Bravo». 

Ein Aufklärungsgespräch beim Eintritt in die Oberstufe – so wie das die heutige Elterngeneration erlebt hat – ist heutzutage zu spät.

Seit der Kommerzialisierung des World Wide Web in den 90er-Jahren sind alle Inhalte, die man sich nur vorstellen kann, rund um die Uhr für jeden verfügbar. Auch sexuelle. Und wenn man sich vor Augen hält, dass laut einer aktuellen Umfrage der Pädagogischen Hochschule Schwyz bereits ein Drittel aller 13-Jährigen Kontakt mit sexuellen Darstellungen im Internet hatte, ist ein Aufklärungsgespräch beim Eintritt in die Oberstufe – so wie das bei der heutigen Elterngeneration in vielen Familien gemacht wurde – heutzutage viel zu spät.

Schon beim Baby alle Körperteile mit Worten benennen!

«Daher sollte Aufklärung bereits im Kleinkindalter anfangen. Einige Themen wiederholen sich und werden mit zunehmendem Alter detaillierter besprochen. Andere Themen kommen entwicklungsbedingt hinzu», sagt die Sexualpädagogin und Sozialarbeiterin Annelies Steiner von der Stiftung «Sexuelle Gesundheit Schweiz». Es geht um den Körper – den eigenen und den von anderen, um Intimität, Freundschaft, Liebe und Grenzen. Stellen Kinder Fragen, sollten Eltern diese ehrlich und altersgerecht beantworten. Das fängt bereits damit an, dass man bei Babys und Kleinkindern alle Körperteile mit Worten benennt, also auch die Geschlechtsteile, und ihnen ihre Funktion erklärt.

Wenn eine 3-Jährige ganz selbstverständlich von ihrer Scheide spricht oder ein 6-Jähriger nüchtern und sachlich beim Abendessen den Zeugungsakt erklärt, mag das für eine Elterngeneration, die Aufklärung anders erlebt hat, befremdlich klingen. Und wenn sich die 3-Jährige neugierig dazusetzt, wenn der Vater dem 6-Jährigen das Aufklärungsbuch vorliest, gerät man vielleicht ins Stocken. 

Doch die Sorge, man könne die Kinder verstören, wenn man zu früh mit ihnen über sexuelle Themen spricht, sei unbegründet, findet Steiner. «Kinder interessieren sich schon früh für Beziehung und Sexualität. Sie stellen Fragen und nehmen von der Antwort das auf, was sie einordnen können. Eine zu frühe Sexualisierung gibt es demzufolge nicht.» Im Gegenteil: Eltern sollten sogar darauf achten, der Entwicklung der Kinder in Sachen Aufklärung immer einen Schritt voraus zu sein. So muss man zum Beispiel das Thema der Monatsblutung schon ziemlich früh ansprechen, wenn man verhindern möchte, dass die Tochter mit zehn oder elf Jahren davon überrascht wird.

Wie kommen Eltern mit ihrem Teenager ins Gespräch? 

Während Kinder mit einer natürlichen Neugierde an das Thema herangehen und die Eltern unverblümt fragen, suchen Jugendliche immer weniger das Gespräch mit den Eltern, während gleichzeitig das Thema Sexualität in ihrem Leben an Wichtigkeit gewinnt. Wie kommen nun Eltern mit ihrem Teenager ins Gespräch? Hier spielt die Eltern-Kind-Beziehung, die sich in den Jahren zuvor entwickelt hat, eine entscheidende Rolle. Interessieren sich die Eltern für den Alltag, die Hobbys, Freunde und Sorgen ihrer Kinder von klein auf und pflegen eine offene Gesprächskultur, tun sich beide Seiten auch nicht so schwer, über Sex zu reden.

Dabei hat sich die Rolle der Eltern bei der Aufklärung im Laufe der Zeit durchaus gewandelt. «Die Jugendlichen brauchen heutzutage weniger Hilfe beim Finden der Informationen, sondern eher beim Sortieren», erklärt Annamaria Colombo, Mitautorin der Studie «Sex, Beziehungen … und du? Sexualität und sexuelle Transaktionen, die Jugendliche in der Schweiz betreffen». «Es ist wichtig, dass Erwachsene sich für die wirklichen Bedürfnisse von Kindern interessieren und nicht nur dafür, was sie selbst für diese Bedürfnisse halten. Nur so können sie den Kindern Orientierungspunkte bieten.» Würde beispielsweise die Mutter eines 15-Jährigen mit diesem ernsthaft über seine erste grosse Liebe reden, anstatt ihm einfach eine Packung Kondome zu geben, würde dieser im Hinblick auf seine ersten sexuellen Erfahrungen sicherlich mehr davon profitieren.

«Gespräche mit Vertrauenspersonen sind vor den ersten Erfahrungen die bessere Wahl, als das Inter­net frei zu erforschen.»

Dass Kinder bereits Wissen über Sexualität haben, bevor sie ihre ersten entsprechenden Erfahrungen machen, sei sehr wichtig, sagt Sexu­alpädagogikdozent Lukas Geiser. «So können sie sich beispielsweise besser bezüglich sexueller Grenzver­letzungen äussern oder bewusstere Entscheidungen für ihr eigenes Sexualleben fällen.» Gespräche mit Vertrauenspersonen seien dabei aber die bessere Wahl, als das Inter­net frei zu erforschen. «Sie kennen die Kinder und können mehrheit­lich abschätzen, welche Informatio­nen für das Kind passen und sinn­voll sind. Zudem kann das Kind Rückfragen stellen», so Geiser.

Dazu kommt, dass die sexualitätsbezogenen Inhalte im Netz aus der Perspektive der Erwachsenensexualität produziert sind. «Stereo­type Vorbilder und Halbwahrheiten lösen mehr Fragezeichen aus, als dass sie nützliche Antworten geben.» Das bestätigt eine aktuelle Studie im Auftrag des Schweizer National­fonds. Sie sagt, dass junge Erwach­sene, welche das Elternhaus oder die Schule als Hauptinformationsquelle in Sachen Sexualität angaben, später am wenigsten häufig von sexuell übertragbaren Infekten betroffen sind. Wer sich hauptsächlich im Internet und/oder im Freundeskreis informierte, legt ein riskanteres Sexualverhalten an den Tag und macht auch häufiger negative Erfah­rungen.

Noch etwas sollten Eltern wis­sen: Jugendliche Sexualität ist nicht gleich wie die von Erwachsenen. «Jugendliche befinden sich in der Entdeckungsphase», sagt Anna­maria Colombo. «Alles, was sie jetzt über Intimität und Sexualität lernen und erfahren, trägt zu ihrer späteren erwachsenen Identität bei. Denn Sex sollte nicht nur für sich betrachtet werden, sondern steht in einer Wechselwirkung mit anderen Lebensbereichen.»

«Kinder interessieren sich schon früh für Beziehung und Sexualität. Eine zu frühe Sexualisierung gibt es demzufolge nicht», sagt Sexualpädagogin und Sozialarbeiterin Annelies Steiner.
«Kinder interessieren sich schon früh für Beziehung und Sexualität. Eine zu frühe Sexualisierung gibt es demzufolge nicht», sagt Sexualpädagogin und Sozialarbeiterin Annelies Steiner.

Sexualität als etwas Schönes statt als etwas Gefährliches vermitteln

Umso wichtiger sei es, Sexualität als etwas Schönes, Natürliches zu ver­mitteln und nicht nur über die Gefahren zu reden, sagt Colombo. «Sonst haben Jugendliche das Gefühl, Erwachsene nehmen ihre Sexualität als etwas Böses und Gefährliches wahr.» Und: Wir müssen unsere eige­nen stereotypen Vorurteile hinter­ fragen. Annamaria Colombo: «Wir erwarten von Mädchen, dass sie Ver­antwortung für ihr sexuelles Verhal­ten übernehmen und ihre Sexualität vornehmlich in Beziehungen ausleben und erfahren, gleichzeitig ermu­tigen wir sie zum Experimentieren. Das ist ein Widerspruch. Jungen gestehen wir eher zu, einfach mal draufloszuprobieren.»

So ist es auch nicht verwunderlich, dass in einer Befragung der Fachstelle «Lust und Frust» im Kanton Zürich 84 Prozent der 15-jährigen Buben angeben, schon mal einen Porno gesehen zu haben, während es bei den Mädchen nur 36 Prozent sind. Und während 59 Prozent der Jungen sagen, das Ansehen solcher Bilder mache ihnen Lust auf Sex, sind es bei den Mädchen 14 Prozent.

«Neue Studien zeigen, dass solche Bilder auf Männer und Frauen neurologisch die gleiche Wirkung haben», sagt Lukas Geiser. «Wie mit diesen neuronalen Reizen umgegangen wird, ist aber sehr unterschiedlich. Beispielsweise wurde die weibliche Lust über Jahrzehnte tabuisiert. Wenn wir mit Mädchen – und auch mit Buben – im Zuge der Aufklärung vorwiegend über Krankheiten, Verhütung und Biologie reden, tragen wir nicht unbedingt zu selbstbestimmtem und respektvollem Umgang mit Sexualität bei. Dazu braucht es mehr.» Nämlich zuallererst einmal die Botschaft, dass sexuelle Gefühle etwas Natürliches und vor allem etwas Schönes sind.

Das darf man übrigens auch kleineren Kindern schon vermitteln. Dazu gehört, dass man sie nicht tabuisiert. «Schon Kleinkinder stimulieren sich selbst. So entdecken sie den eigenen Körper, und welche Berührungen angenehme Gefühle auslösen», erklärt Annelies Steiner von «Sexuelle Gesundheit Schweiz». «Man darf dem Kind sagen, dass es schön ist, den eigenen Körper zu berühren, dass es dies jedoch im eigenen Zimmer machen soll, wo es für sich ist.»

Den Aufklärungsunterricht an Schulen finden Jugendliche oft zu technisch

Dass man die positiven Seiten der Sexualität mehr ins Zentrum stellen sollte, gilt insbesondere für den Aufklärungsunterricht an Schulen. So gibt der grösste Teil der Jungen und Mädchen in einer Umfrage zur Jugendsexualität von 2015 an, den Sexualkundeunterricht als sehr technisch zu erleben. Die Themen: Geschlechtsorgane, Empfängnisverhütung, Geschlechtskrankheiten. Ins gleiche Horn blasen die «Erlebnisberichte» auf der Website des Jugendnetzwerks von «Sexuelle Gesundheit Schweiz». «Mein Lehrer hat sich nicht einmal getraut, die Klitoris zu erwähnen, während er uns die Geschlechtsteile auf einer Folie detailliert erklärte», ist da zum Beispiel zu lesen. Oder: «Sexualkundeunterricht gleich Sex führt zu Geschlechtskrankheiten. Fertig.»

Das soll sich nun mit dem Lehrplan 21 ändern. Dabei ist Aufklärung an der Schule nicht nur wichtig, um Wissenslücken zu schliessen, sondern auch, um die Themen mit Gleichaltrigen zu bereden. «Voneinander nehmen Jugendliche vieles eher an als von Erwachsenen, zum Beispiel ihren Eltern oder Lehrpersonen», weiss Sekundarlehrerin Gaby Bär, die seit über zehn Jahren Sexualkundeunterricht erteilt. Denn auch für Kinder aus den offensten Elternhäusern gibt es Dinge, die sie lieber mit Freundinnen oder Freunden besprechen.

 Die Aufklärungsbücher «Nur für Boys», «Nur für Girls», für 9- bis 11-Jährige.
 Die Aufklärungsbücher «Nur für Boys», «Nur für Girls», für 9- bis 11-Jährige.
Dazu kommt, dass sich Jugendliche heute in (digitalen) Wel­ten bewegen, die Erwachsenen oft wenig vertraut sind und bei ihnen Ängste und eine Abwehrhaltung auslösen. Statt die digitale Realität zu verteufeln, sollten wir lieber besser hinschauen, sagt die Psycho­login Julia von Weiler in einem Interview mit der «Süddeutschen Zei­tung». Sie verurteilt die Bigotterie unserer übersexualisierten Gesell­schaft: «Wir lassen sexualisierte Inhalte überall zu, verurteilen aber zugleich den Konsum von Pornogra­fie. Wenn sie ihren Zweck erfüllt, nämlich zu erregen, fühlt sich der Jugendliche daher unwohl. Also schweigt er darüber. Das sagt mehr über uns Erwachsene als über die Jugend aus.»

Sexting als sexuelle Handlung begreifen

Natürlich solle man die Risiken der «digitalen Kindheit und Jugend» nicht verleugnen, sagt Annamaria Colombo. «Aber wir müssen darauf achten, dass wir die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und wei­tergeben.» So sei zum Beispiel nicht die Herstellung von Nacktbildern – und somit Nacktheit an sich – not­wendigerweise ein Problem, sondern die möglichen Konsequenzen, wenn man die Bilder weiterschickt. 

Auch Julia von Weiler sieht unseren Umgang mit dem sogenannten Sex­ting (das Versenden von sexy Selbst­porträts) kritisch: «Alle beschäftigen sich mit dem Opfer, das irgendwie auch schuldig gesprochen wird. Dabei sind die Verbreiter das Prob­lem.» Ihr Tipp: Statt den Kindern einzuschärfen, wie gefährlich Nackt­bilder sind, soll man ihnen erklären, dass sie genauso eine sexuelle Hand­lung sind wie zum Beispiel Knut­schen. «Also muss man sich über­legen: Will ich das? Ist mir das später peinlich? Und: Ist derjenige, dem ich diese schicke, so vertrauenswürdig, dass er oder sie damit nichts Blödes anstellt?»

Die heutige Generation hat nicht früher Sex als ihre Eltern.

Übrigens hat die Generation, die sich – zumindest teilweise – im Netz aufklären lässt, nicht früher Sex als die Generation ihrer Eltern. Das Durchschnittsalter beim ersten Mal liegt in der Schweiz nach wie vor bei knapp 17 Jahren. Und: Ein knappes Drittel der 15­jährigen Jungen hatte noch nie körperlichen Kontakt zum anderen Geschlecht. Wir erinnern uns: 84 Prozent haben in diesem Alter schon einen Porno gesehen. Annamaria Colombo sieht darin gar keine so grosse Diskrepanz, wie es scheinen mag: «Der Konsum und der Austausch von digitalen Inhal­ten kann es den Jugendlichen ermöglichen, in einem Umfeld sexu­ell zu reifen, dass sie selbst durchaus als intim empfinden. Ohne sich dabei von ihren Eltern beobachtet zu fühlen. Das ist wichtig.» Zentral ist, dass die Kinder in ein Umfeld eingebettet sind, das ihnen die Res­sourcen gibt, die Dinge einzuord­nen, so dass sie beispielsweise zwi­schen Realität und Inszenierung unterscheiden können.
 «Make Love» und «Make More Love», empfohlen ab 12 Jahren.
 «Make Love» und «Make More Love», empfohlen ab 12 Jahren.
Was also weiss das 11-­jährige Mäd­chen von heute über Sex? Und was der 15­-jährige Junge? Rein technisch gesehen vermutlich eine ganze Men­ge. Wie sie und er mit diesem Wissen umgehen, hängt allerdings stark von ihrer Beziehung zu den Eltern ab. Ist diese von gegenseitigem Vertrauen geprägt, haben Kinder eher die Fähigkeit, sexuelle Inhalte im Inter­net von der eigenen Person zu tren­nen. Und auch Aufklärungsgesprä­che fruchten eher. Selbst wenn sie hie und da mal elterliche Monologe sind. «Das macht nichts», findet Sexualpädagoge Lukas Geiser. Selbst wenn Jugendliche abblocken, heisse das nicht, dass sie nichts vom Gesag­ten mitbekommen. Zentral ist die Gesprächsbereitschaft der Eltern. Auch wenn sie nicht immer alles wissen.

Zur Autorin:

Sandra Casaliniist Mutter von zwei Teenagern und seit der Arbeit an diesem Dossier grosser Fan des Aufklärungsbuches «Make Love», das dort die richtigen Worte findet, wo sie ihr fehlen.
Sandra Casalini
ist Mutter von zwei Teenagern und seit der Arbeit an diesem Dossier grosser Fan des Aufklärungsbuches «Make Love», das dort die richtigen Worte findet, wo sie ihr fehlen.


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