Ferien am selben Ort: Langweilig oder schön vertraut?  -
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Ferien am selben Ort: Langweilig oder schön vertraut? 

Lesedauer: 4 Minuten

In unserer Serie «Wir fragen uns …» stellen wir von Fritz+Fränzi uns gegenseitig Fragen aus dem grossen Familienuniversum. Auf die Frage von Benjamin Muschg, Leiter der Produktion, antwortet Evelin Hartmann, stellvertretende Chefredaktorin.

Text: Evelin Hartmann
Foto: Artem Beliaikin von Pexels/privat

Liebe Evelin, du machst regelmässig mit deiner Familie Ferien an einem Ort, wo dein Mann schon in seiner Kindheit immer im Urlaub war. Wie ist das so?

Benjamin Muschg

Lieber Ben, kennst du den «Kochelexpress»? Das ist eine 160 Meter lange open Air Wasserrutsche. Und weisst du, wer dort 100’000 und 1 Mal runtergerutscht ist? Mein Mann. Als Bub. Und mir hat er davon erzählt, mit glänzenden Augen, vielleicht nicht ganz so oft, aber oft genug um das Gefühl zu haben, diese Gegend in und auswendig zu kennen: die besagte Wasserrutsche, das Familienbad Trimini mit atemberaubend schönem Blick auf den Kochelsee, den Herzogstand, die Moorlandschaft, die sich wenige Meter hinter den bayerischen Bauernhöfen ausbreitet. 

In den 70er-Jahren kaufen meine Schwiegereltern eine kleine Ferienwohnung im Dorf Ort, rund zwei Kilometer von Kochel am See entfernt. 160 Menschen leben hier und doppelt so viele Kühe, Hühner und Pferde – der Ausgleich zum Leben in der Grossstadt. Die Kinder sind klein. Hier lernen die beiden Buben Skifahren, im Sommer Bergsteigen und natürlich schwimmen.

«Weisst du, immer wieder sind wir den steilen Hang hinaufgerannt. Wieder und wieder die kurvige Röhre hinabgesaust.» Wenn man 6 ist, sind 160 Meter eine kleine Ewigkeit. Abends lauschen die Buben den Stimmen der Feriengäste: «Ja, das Wetter ist gut …. morgen soll es noch heisser werden.»

Die einzige Telefonzelle im Dorf steht unten an der Strasse vor dem Kinderzimmerfenster. Die beiden liegen in ihren Stockbetten, in deren Holz sind ihre Namen eingeritzt. Unglaublich gemütlich sei das gewesen, sagt mein Mann. 

Aber wenn Kinder grösser werden, wollen sie mehr sehen von der Welt. Die Wochenenden im bayerischen Voralpenland werden seltener, in den Sommerferien fahren die Söhne Kanu auf der Ardèche und mit dem Velo quer durch Schottland. Wenn man 15 ist, sind 160 Meter kurz.

Ich betrete diese Welt zum ersten Mal an einem Wochenende im Sommer 2004. Seit seiner Kindheit habe sich hier nicht viel verändert, sagt mein Mann, der damals noch mein Freund ist. 2012 kommt unsere erste Tochter zur Welt. Drei Jahre später ihre Schwester. Spätestens jetzt wissen wir die Vorhersehbarkeit dieses Ferienortes zu schätzen.

In der Küche wird Kindergeschirr deponiert, im Keller wartet seit eh und je der alte Holzschlitten auf seinen Einsatz, die Nummer der benachbarten Reiterhofbesitzerin ist längst in unseren Kontakten gespeichert: «Ruft mich eine Woche bevor ihr kommt an, dann plane ich eure Tochter in den Unterricht mit ein».

Und wenn mit der nahenden Hochsaison die Ferienwohnungen und Hotelzimmer knapp und teuer werden, müssen wir uns um nichts kümmern. Die Fahrt nach Kochel steht uns immer frei.   

Wir wissen, welches gute Restaurant an den besten Spielplatz grenzt und dass es den leckersten Kuchen im nah gelegenen Bio-Käseladen gibt. Und nicht in der Bäckereikette im Dorfzentrum.

Bisher erschienen in der Rubrik «Wir fragen uns»: 

Es stimmt für die ganze Familie. 

Meine Kindheitserinnerungen sehen anders aus. Drei Tage lang steht der grosse Wohnwagen in unserer Garageneinfahrt, bis es voll bepackt losgeht: In dem einen Sommer nach Schweden, im nächsten nach Frankreich und dann nach Griechenland. Hunderte von Kilometern, alle paar Tage wird ein anderer Campingplatz angesteuert.

Für mich und meine Schwester ist das mega cool. Sommerferien, dass heisst Frühstück unter Pinienbäumen, neue Freunde aus allen Herrenländer und (minutenlanges) Anstehen für eine Dusche.

Ob mir diese Art des Reisens fehlt? Ja, manchmal schon. Aber neben der ganzen Verklärung muss auch mal gesagt werden: so schön, wie diese Camping-Romantik für uns Kinder war, für meine Mutter war es oft ganz schön anstrengend. Auch meine Schwester und ich waren anfangs klein.

Ausserdem gibt es neben den Sommerferien weitere Ferien und lange Wochenenden, in und an denen man andere Orte bereisen kann. Wir machen das und die Familie meines Mannes hat das auch getan.

Was wirklich toll ist: nicht nur bei den Kindern, auch bei mir stellt sich langsam ein Gefühl von (zweitem) Zuhause ein. Diesen Sommer zum ersten Mal. Das war am Ende eines langen, heissen Ferientages, auf dem Weg vom Auto zu «unserer» Ferienwohnung, die Taschen mit den nassen Badesachen über die Schulter gehängt, den Blick auf die Mädchen gerichtet.

«Mama, wir laufen schon mal vor!» Kinderlachen, Hüpfen, ein Hahn, der quer über die Strasse stolziert. Ein kitschig schönes Bild, festgehalten im Familienalbum. 

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Evelin Hartmann
ist stellvertretende Chefredaktorin von Fritz+Fränzi. Sie wohnt mit ihrem Mann und den zwei Töchtern in Luzern.

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