Too much information! - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Too much information!

Lesedauer: 2 Minuten

Unserer Kolumnistin Michèle Binswanger graut vor der steigenden Flyerflut aus der Schule. Sie wünscht sich innigst: Bitte weniger!

Die Schule meint es wieder mal wahnsinnig gut mit uns Eltern. So gut, dass es einen wahnsinnig machen könnte. Mit dem Beginn des Schuljahrs flattern sie wieder, die Informationsbroschüren, Einladungen zu Veranstaltungen und Gesprächen, Aufforderungen zur Mithilfe, Elternbriefe und was nicht noch. Als berufstätige, aber nicht wahnsinnig gut organisierte Mutter sehe ich schwarz für meine Nerven.

Burn-Out-Therapeut

Wann ist eigentlich alles so kompliziert geworden? Meine Mutter war berufstätig und brachte vier Kinder durch die Primarschule. In all den Jahren, erzählt sie, habe sie lediglich eine Handvoll Elternabende und Krippenspiele besucht. Sie kann froh sein. Denn bei der Informations- und Aktivitätenneurose der Schulen heutzutage bräuchte sie bei vier Kindern eine Sekretärin. Oder einen Burn-out-Therapeuten. Ich habe nur zwei Kinder, aber beinahe täglich bringen sie Blätter nach Haus. Sie informieren über geplante Ausflüge, Angebote, «Fit for Activity»-Days oder was sonst noch so ansteht.

Jüngst streckte mir meine Tochter ein Blatt unter die Nase, in der eine der drei Nebenfachlehrerinnen ankündigte, an einem bestimmten Datum ihre Lehrerpflichten nicht wahrnehmen zu können. Sie wollte wissen, ob sie eine Aushilfe organisieren oder die Stunde nachholen solle. Beigefügt war eine Liste möglicher Nachholdaten. Natürlich kann ich einer Lehrerin bei der Entscheidung behilflich sein, wie sie ihre Stundenausfälle organisieren soll, aber ist das meine Aufgabe? Wäre ich ein Organisationsgenie, hätte ich von Anfang an die Weltherrschaft oder etwas Ähnliches angestrebt. Dazu ist es nicht gekommen, ich bin darüber hinweg. Ich brauche keine mütterliche Substitutionstherapie.

Manchen Eltern geht alles am Allerwertesten vorbei

Ich freue mich, wenn meine Kinder im Rahmen der Schule interessante Dinge tun. Auch nach einem anstrengenden Arbeitstag streiche ich ihnen gerne Brote für den Ausflug, versuche, wenn es mein Terminkalender erlaubt, ihre Theateraufführungen und Singspiele zu besuchen, und ich stehe zweimal im Jahr den Elternabend durch. Zwar hatte ich noch nie den Eindruck, etwas Entscheidendes wäre mir bei Fernbleiben entgangen. Und ich rutsche an diesen Abenden jeweils auf dem Stuhl herum wie eine driftende Kontinentalplatte. Aber es geht um den symbolischen Akt, der für die positive Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern steht.

Ich bräuchte dringend ein Informationsblatt zum Thema: Geistig gesund bleiben mit schulpflichtigen Kindern.

Ich verstehe sehr gut, dass die Lehrer sich engagierte Eltern und eine nahtlose Zusammenarbeit wünschen und entsprechend informieren. Aber es ist doch so: Manche Eltern schreiben wegen jeder Note ein Mail an den Lehrer mit CC bis zum Erziehungsdirektor. Andere bringen bei jeder Schulaufführung Selbstgebackenes mit und helfen am Schluss noch die Böden reinigen. Und es gibt auch jene, denen das meiste am Allerwertesten vorbeigeht – wahrscheinlich auch ihre Kinder. Sie sind froh, diese in der Schule parkieren zu können, weil sie dann wissen, wo ihre Kinder überhaupt sind. 

Ich weiss, die Lehrpersonen meinen es nur gut. Sie nehmen ihren Job ernst. Sie wollen die Eltern mit einbeziehen. Sie haben es nicht einfach. Trotzdem: Ein paar Blätter weniger, ein bisschen auf den Punkt kommen und weniger vorauseilende Informationsmanie würde wesentlich zu meiner Entspannung beitragen. Andernfalls bräuchte ich dringend ein Informationsblatt zum Thema: Geistig gesund bleiben mit schulpflichtigen Kindern: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung.

Michèle Binswanger
Die studierte Philosophin ist Journalistin und Buchautorin. Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen, ist Mutter zweier Kinder und lebt in Basel.

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