Digital Native versus digital naiv - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Digital Native versus digital naiv

Lesedauer: 2 Minuten

Unser Papa-Blogger Andreas B. kommt auf die Welt. Besser gesagt auf die Handy-Welt, als er seiner Tochter das Handy konfiszieren will …

Hausarrest war zu meiner Zeit die Höchststrafe. Stinksauer musste ich in meinem Zimmer ausharren, von der Aussenwelt abgeschottet und im Wissen, dass meine Kameraden in diesem Moment Fussball spielten und Spass hatten.

Heute heisst die Höchststrafe «Handyverbot». Es ist die moderne Form des Hausarrests, denn die sozialen Kontakte, die zu einem grossen Teil über das Handy abgewickelt werden, sind auf einen Schlag weg. Kein Facebook, kein Instagram, kein Snapchat, kein WhatsApp, kurz und gut keinen Kontakt mit der Welt und deshalb die Apokalypse für einen Jugendlichen.

Ich wende das Handyverbot bei meinen Töchtern gerne an, da ich es als erzieherische und wirksame Massnahme erachte, mit der sie auch wirklich gestraft sind.

Ich habe den Eindruck, dass viele Jugendliche uns Erwachsenen weit überlegen sind, was Handys angeht. Sie wachsen ja sozusagen damit auf. Neudeutsch bezeichnet man sie gerne als «Digital Native», während «digital naiv» eher auf mich zutreffen würde.

Handyverbot? Von wegen!

Diesen technischen Vorteil hat meine Tochter Anaïs kürzlich sehr raffiniert ausgenutzt. Als sie zum wiederholten Mal nicht zur abgemachten Zeit nach Hause gekommen war, machte ich den Fehler, ihr das Handyverbot per WhatsApp anzukündigen. Kaum war sie zuhause, habe ich ihr Handy eingezogen. Eigentlich hätte es mir da schon auffallen müssen, wie widerstandslos sie mir das Gerät aushändigte. 

Das Verdikt lautete auf zwei Tage Handyentzug, wobei das Gerät in einen extra dafür vorgesehenen Plastiksafe wanderte, der mittels Timer erst nach Ablauf der Strafe wieder aufging. Den Schlüssel zu diesem Safe hatte natürlich nur ich.

Anaïs verzog sich alsbald in ihr Zimmer. Als sie sich auch am zweiten Tag ausserordentlich gut alleine beschäftigen konnte, wurde ich misstrauisch. Ich öffnete den Safe, nahm das mittlerweile stromlose Handy heraus und schob mit Hilfe einer Nadel den Sim-Kartenhalter heraus. 

Sim-salabim, die Sim-Karte ist nicht drin!

Und jawohl, das kleine Schublädli war leer, die Sim-Karte weg. Ich musste fast ein wenig schmunzeln. Anaïs hat mich eiskalt ausgekontert und mich mit diesem cleveren Schachzug zum totalen Vollidioten gemacht. Vergleichbar ist diese Aktion – um wieder zum Hausarrest zurückzukehren – wie wenn man durchs Fenster abhaut, anschliessend wieder einsteigt und die Eltern nichts davon erfahren.

In dem Moment wurde mir klar, dass Anaïs die Sim-Karte easy in ein anderes Handy eingeschoben haben könnte (woher sie das auch immer hatte). Und so war es auch …

Normalerweise betrete ich kein geschlossenes Zimmer. Das verbietet mir mein Anstand. Doch diesmal war es anders. Auf Zehenspitzen schlich ich vor ihre Zimmertür, klopfte einmal kurz und heftig und trat rasch ein. Anaïs lag bäuchlings auf dem Bett, sah mich mit grossen Augen an und drehte sich abrupt auf die Seite. Ich sah eben noch, wie sie etwas unter der Bettdecke versteckte und man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, was es war. Anaïs’ cleverer Schachzug hatte zur Folge, dass das Handyverbot von neuem anfing. 

Dann folgte Streich Nummer zwei. Was ich nämlich auch nicht wusste (und von meiner jüngeren Tochter Olivia erfahren musste): Auch ein iPod Touch ist internetfähig und man kann sich ganz einfach via soziale Medien austauschen. Die Folge war – trotz Handyentzug inklusive Sim-Karte – dass Anaïs immer noch munter weiterchatten konnte, ohne dass ich Wind davon bekam. 

Der nächste Schritt im «digitalen Hausarrest» lautete nun, zusätzlich das Wlan abzuschalten. Dann funktionierte auch der iPod Touch nicht mehr und endlich herrschte Ruhe. Doch logischerweise funktioniert ohne Wlan leider auch der Internetzugang mit meinem Laptop nicht mehr. Und so wurde aus dem Handyverbot ein zwangsverordnetes «Digital Detox» – das uns allen gut getan hat! Das nächste Handyverbot kann kommen …


Zum Autor: 

Andreas B. wohnt in der Agglomeration einer deutschschweizer Grosstadt, lebt seit vier Jahren getrennt und ist alleinerziehend. Seine Teenagertöchter und deren Freunde heissen in Wahrheit anders, aber wir wollen verhindern, dass künftige Arbeitgeber auf diese ungeschminkten Pubertätserlebnisse stossen. So hat er zum Beispiel auch schon über deren heimliche Spritztouren berichtet. 

Mehr lesen vom alleinerziehenden Papa: 

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    Als alleinerziehender Vater von zwei Teenagern erlebt Andreas B. einiges. Heute verrät er, warum man Handyfotos nicht trauen darf und Mofaschlüssel lieber versteckt.