«Papa, ich schlafe bei Mama. Oki?» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Papa, ich schlafe bei Mama. Oki?»

Lesedauer: 2 Minuten

Als alleinerziehender Vater von zwei Teenagern erlebt Andreas B. einiges. Heute verrät er, warum man Handyfotos nicht trauen darf und Mofaschlüssel lieber versteckt. 

Es ist Freitagabend und wie immer rufe ich meine 16-jährige Tochter Olivia per WhatsApp an. Dabei sehe ich ihr neues Profilbild: Duckface mit Hundenase und -ohren, daneben ihre BFF Sabrina (best friend forever).

«Was gibt‘s?»
Im Hintergrund das Lachen von Jugendlichen und deutscher Gangsterrap. 
«Wie sieht dein Abend heute aus?» 
«Ich bin draussen.»
Die Jugendlichen von heute sagen das so, als ob sie dem Knast («drinnen») entflohen sind.
Wir sprechen ab, dass sie um Mitternacht zu Hause sein muss. 

Kurz vor dieser Deadline kommt eine WhatsApp-Botschaft «Papa, ich schlafe bei Mama. Oki?», dazu ein Foto, das sie in Trainerhosen vor dem TV zeigt. Eigentlich beruhigend, doch als Vater entwickelt man ein Gefühl dafür, wenn etwas faul ist. Ich überlege mir eine Vorwand-Frage, um sie anzurufen. Ich könnte sie fragen, ob sie am Samstag mit mir einkaufen kommt. Nach etlichen Anrufversuchen meldet sie sich – mehr als genervt. «Hast du noch alle Tassen im Schrank, wegen so einer Lappalie Sturm zu läuten?» Widerwillig sagt sie dann aber doch zu.

 
Es ist 3.10 Uhr, als mich das Telefonklingeln aus dem Schlaf reisst. Ich schiesse hoch, ertaste das Handy auf dem Nachtisch und versuche mit zusammengekniffenen Augen die Telefonnummer zu erkennen. Unbekannter Anrufer. Es meldet sich Polizeiwachtmeister Brunner. Auf einen Schlag bin ich hellwach. «Sind Sie der Vater von Olivia V.?». «Ja, bin ich, ist was passiert?». «Wir haben Ihre Tochter auf dem Sozius einer Vespa in Basel aufgegriffen. Und die Lenkerin hat keinen gültigen Führerschein. Sie können Ihre Tochter auf der Polizeiwache abholen.»
 
Ich steige notdürftig in die Kleider und montiere meine Kontaktlinsen, begleitet von unzähligen Flüchen. Diese reissen auch nicht ab, als ich durch die Strassen fahre. Auf der Polizeiwache sehe ich dann zwei Mädchen hinter der Glastür auf einem Bänkchen sitzen, beide mit roten, verweinten Augen. Das schlechte Gewissen der Täterinnen steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Olivia und – wen wundert’s? – Sabrina. Ich reisse die Türe auf, stapfe wortlos an ihnen vorbei und strafe beide mit einem Killerblick. 

Handyverbot für eine Woche. Das ist schon die Höchststrafe. Leider.

Der diensthabende Wachmann schildert mir den «Tathergang» noch einmal in allen Einzelheiten. Ich bedanke mich aufrichtig und gut hörbar für Olivia und Sabrina, dass er die beiden aufgegriffen hat. Jetzt will ich nur noch weg hier, gebe Olivia ein schroffes Handzeichen und wir verlassen gemeinsam die Polizeiwache. Sabrina bleibt alleine zurück. Die wütende Schimpftirade gibt es sofort im Auto. Die Fahrt nach Hause verläuft wortlos. Olivia sitzt hinten und ich komme mir vor wie ein grummiger Taxifahrer. 
 
Um 04:30 Uhr bin ich wieder im Bett dort, doch an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Kurz darauf höre ich draussen noch das aufgeheizte Stimmengewirr von Sabrina und ihrem Vater, dem offensichtlich das gleiche Vergnügen beschert war wie mir. Obwohl wir quasi Nachbarn sind, wurden wir unabhängig voneinander aufgeboten.
 
Mein Verdikt für Olivia? Ein Handyverbot von einer Woche – die Höchststrafe für eine Jugendliche, vergleichbar mit Stubenarrest zu meiner Zeit. Olivias Mutter war übrigens an diesem Freitagabend gar nicht zu Hause, wie ich hinterher erfahren habe.
Immerhin: Die Vespa war nicht gestohlen, sondern von Sabrinas Mutter heimlich ausgeliehen. Als Konsequenz darf Sabrina die Motorradprüfung erst zwei Jahre später machen, wie die Staatsanwalt beschied. Olivia kommt abgesehen vom Handyverbot ungeschoren davon. Schade eigentlich.
 
Und die Moral der Geschichte? Sobald Deine Kinder laufen können, verstecke sämtliche Auto- und Motoradschlüssel vor ihnen. Und versichere Dich bei der Mutter, dass sie informiert und vor allem zu Hause ist, wenn Dein Kind behauptet, es schlafe bei ihr.

Bild: Pixabay


Zum Autor: 

Andreas B. wohnt in der Agglomeration einer deutschschweizer Grosstadt, lebt seit vier Jahren getrennt und ist alleinerziehend. Seine Teenagertöchter und deren Freunde heissen in Wahrheit anders, aber wir wollen verhindern, dass künftige Arbeitgeber auf diese ungeschminkten Pubertätserlebnisse stossen.