Rasenmäher- und Curling-Eltern: Welcher Typ sind Sie?
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Rasenmäher- und Curling-Eltern: Welcher Typ sind Sie?

Lesedauer: 4 Minuten

Für Eltern gibt es viele Labels. Die wenigsten sind schmeichelhaft. Unsere Autorin nimmts gelassen und findet in jeder Sorte etwas vom eigenen Erziehungsstil.

Text: Debora Silfverberg
Bild: Adobe Stock

Tock, tock, tock, klopfte es ans Fenster meiner Freundin. Auf der anderen Seite der Scheibe sass ein Rabe. Es lief ihr schaurig den Rücken hinunter.  Am Vortag hatte sie im Garten ein Rabenbaby gefunden und es zum Aufpäppeln zu sich genommen. Schnell brachte sie es wieder raus zu seinen Eltern, die sich sofort wieder um ihr Kleines kümmerten. Sie waren eben richtige Rabeneltern.

Diese Geschichte ist bereits viele Jahre her, doch werde ich sie nie vergessen. Rabeneltern haben zu Unrecht einen schlechten Ruf. Trotzdem nehmen wir sie als Sinnbild für Menschen-Eltern, die sich schlecht um ihre Kinder kümmern.  

Delfin-Eltern schaffen eine Balance zwischen liebevoller Fürsorge und klaren Regeln.

Es gibt wohl kaum eine andere Gruppe von Menschen, die so schonungslos schubladisiert wird wie Eltern. Egal, was sie tun, oder nicht tun: sie erhalten dafür eine Etikette. Wir finden passende Namen für ihre mangelhaften Erziehungsstile wie zum Beispiel Helikopter-, Curling- oder Tiger-Eltern, aber auch so exotische wie Rasenmäher- und U-Boot-Eltern. Selbst für «perfekte» Eltern gibt es eine Bezeichnung: Man nennt sie Delfin-Eltern.

Diese schaffen eine Balance zwischen liebevoller Fürsorge und klaren Regeln. Sie kreieren ein harmonisches Umfeld für ihre Kinder, damit diese zu selbstbewussten und resilienten Persönlichkeiten heranwachsen. Wollen wir nicht alle Delfin-Eltern sein?

Wenn ich genauer über die oben erwähnten Eltern-Labels nachdenke, entdecke ich in jedem auch etwas von meinem eigenen Erziehungsstil. Anstatt mich dafür zu schämen, bin ich stolz – denn ich beurteile sie aus meiner ganz eigenen Perspektive. Werfen wir einen Blick auf die fünf gängigsten Modelle.

1. Die Helikopter-Eltern

Die bekannteste Schublade ist wohl jene für sogenannte Helikopter-Eltern. Solche Mütter oder Väter sind angeblich überfürsorglich und wachen ständig über ihre Kinder, um sie vor jeder möglichen Gefahr, Frustration oder Misserfolg zu schützen. Wie ein Helikopter schweben sie immerzu über ihrem Nachwuchs.

Man könnte es auch anders sehen. Üblicherweise fliegen Helikopter nicht andauernd hinter einer Person her. Ihr Einsatz ist gezielt, praktisch und selten unnötig. Stellen Sie sich die REGA (Schweizerische Rettungsflugwacht) in den Alpen vor – was für ein Durcheinander es gäbe, wenn diese vorsorglich über jedem waghalsigen Skifahrer schweben würde!

Echte Helikopter-Eltern schicken ihre Kinder getrost auf allerlei Abenteuer und halten von Weitem den Überblick. Erst, wenn es zu einem Vorfall kommt, der vor Ort nicht behandelt werden kann, kommen sie und helfen ihrem Kind aus der Patsche. Die jugendliche Tochter hat den letzten Nachtbus verpasst und steht um ein Uhr morgens alleine auf dem Bahnhof? Selbstverständlich hole ich sie ab.

2. Die Curling-Eltern

Und wie steht es mit den Curling-Eltern? Diesen Ausdruck hat mich jüngst ein Lehrer-Freund gelehrt. Sehen Sie es auch vor Ihrem inneren Auge, wie Mutter und Vater wie wild vor dem Curling-Stein «herbeseln», damit er perfekt gleitet und genau am richtigen Ort zu liegen kommt? Ein gutes Beispiel für lächerlich übereifrige Eltern, oder?

Eine echte Tiger-Mum sehe ich anders: Sie schenkt Fürsorge genauso wie Schutz.

Gewisse Eltern übertreiben es, wenn sie versuchen, die Laufbahn ihres Kindes bis ins letzte Detail zu optimieren. Zuweilen gleicht das Leben mit Kindern jedoch einer Curlingpartie. Dann ist «Beseln» auch keine Schande, denn Curling ist schliesslich ein Teamsport. Stellen Sie sich vor, die «Sweeper» würden den Stein auf halber Strecke liegen lassen.

Wenn Eltern für das Schultheater stundenlang an einem Kostüm nähen und mit ihrem Kind bis Mitternacht den Text üben, dürfen sie sich beim Auftritt auch curlingelternmässig über die kleine Sternstunde freuen.

3. Die Tiger-Mutter

Dann haben wir die Tiger-Eltern. Der Begriff «Tiger Mother» stammt ursprünglich aus dem Buch von Amy Chua «Die Mutter des Erfolgs: Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte» (2011).

Sie beschreibt darin ihren strengen Erziehungsstil, mit dem sie ihre Töchter durch eiserne Disziplin, tägliche, stundenlange Übungseinheiten und hohe Erwartungen zu herausragenden schulischen und musikalischen Leistungen antrieb. Die Entstehung des Konzepts der Tiger-Mutter löste auch die Erfindung der oben erwähnten Delfin-Eltern aus – als sanftes Gegenbild dazu.

Für mich ist jedoch eine echte Tiger-Mum etwas ganz anderes. Tiger-Mütter sind perfekte Eltern. Sie schenken Fürsorge genauso wie Schutz. Sie wissen exakt, wann der richtige Moment gekommen ist, ihre Jungen sich selbst zu überlassen. 

Als meine 16-jährige Tochter letztes Jahr in Paris von einem fremden Mann auf der Strasse fotografiert wurde, rannte ich ihm hinterher und nötigte ihn, sofort alle Bilder wieder zu löschen. Danach pumpte das Adrenalin durch meine Venen und ich fühlte mich wie eine starke Tiger-Mutter, die ihr Junges beschützt hat.

4. Rasenmäher-Eltern

Mit den Rasenmäher-Eltern habe ich weniger am Hut. Das kommt daher, dass ich mich selbst lieber gerne in wilden Gärten aufhalte als auf kurz geschnittenem Rasen – ausser, ich gehe in die Badi. Grundsätzlich empfinde ich diese Art von Wegbereitung für Kinder jedoch als harmlos.

Für meine allergiegeplagte Tochter, würde ich auch einen Weg durch die Wiese freimähen, um ihr das Atmen zu erleichtern.

Auch wenn es heisst, dass Rasenmäher-Eltern ihren Kindern alle Hindernisse aus dem Weg räumen. Zu langes Gras eignet sich kaum als Sinnbild dafür. Ausserdem: Für meine allergiegeplagte Tochter, würde ich auch einen Weg durch die Wiese freimähen, um ihr das Atmen etwas zu erleichtern. Also steckt vielleicht doch ein wenig Rasenmäher-Mutter in mir?

5. U-Boot-Eltern

Der Begriff U-Boot-Eltern scheint ganz aus dem Schulkontext zu stammen. Er beschreibt Mütter und Väter, die sich weitgehend aus dem schulischen und sozialen Leben ihrer Kinder zurückziehen und kaum in Erscheinung treten.

Sie meiden angeblich Elternabende und kommunizieren selten mit Lehrkräften. Bei schulischen Veranstaltungen sind sie oft abwesend. Erst wenn ernsthafte Probleme auftreten, «tauchen» sie plötzlich auf und reagieren häufig mit heftiger Kritik oder drohen mit rechtlichen Schritten gegen die Schule oder Lehrkräfte. 

U-Boot-Eltern strahlen für mich etwas Mysteriöses aus. Vielleicht sind sie auf geheimen Missionen unterwegs um die Welt zu retten – wer weiss? Oder sie gehören der Drogenmafia an. Auf jeden Fall scheint es besser zu sein, sich nicht mit ihnen anzulegen. In ihnen steckt viel Sprengstoff, den sie für das Wohl ihrer Kinder auch mal zünden.

Zu den U-Boot-Eltern gehöre ich ganz eindeutig nicht. Schade eigentlich.

Debora Silfverberg
hat viele Jahre als Fach- und Leitungsperson in der Familien- und Sozialpsychiatrie gearbeitet. Seit 2020 ist sie mit ihrem Mann und den beiden Töchtern in verschiedenen Ländern Europas unterwegs und schreibt als freie Journalistin und Autorin über gesellschaftliche Themen.

Alle Artikel von Debora Silfverberg

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