«Online wird mein Kind gemobbt» – und 8 weitere Elternsorgen
Hand aufs Herz: Wer von Ihnen weiss wirklich, was sein Kind da die ganze Zeit am Smartphone macht? Und wie oft haben Sie sich schon gesorgt, ob das Ihrem Kind schaden könnten? Wir nehmen die heute erschienene JAMES-Studie zur Mediennutzung von Jugendlichen zum Anlass, um auf die häufigsten Elternsorgen einmal statistisch zu antworten. Manches wird sie beruhigen.
SORGE 1: Mein Kind hängt nur noch am Handy und vernachlässigt alles andere.
Eine Erklärung für den Anstieg ist, dass das Internet fast überall mit dabei ist: 99 Prozent der Jugendlichen besitzen ein Handy und geben an, es täglich oder mehrmals in der Woche zu benutzen. Schon ein Drittel der Jugendlichen hat monatlich mehr als 5 Gigabyte mobiles Internet zur Verfügung, kann also überall und immer online sein. Da Jugendliche aber nicht immer online sind, wenn sie am Handy sitzen, liegt die selbst eingeschätzte Nutzungszeit der Jugendlichen sogar noch höher: nämlich bei 3,5 Stunden pro Tag unter der Woche und 4,5 Stunden am Wochenende.
Spannend ist aber: Die Häufigkeit der Freizeitaktivitäten ohne Medien nimmt trotzdem nicht ab. Jugendliche treffen genauso oft Freunde wie früher, gehen zum Sport, ruhen aus, kümmern sich um Haustiere und machen Musik. Sie tun also das eine immer mehr, lassen aber gleichzeitig das andere nicht bleiben.
Zudem vermischen sich Online und Offline immer mehr, und so wird auch die Selbsteinschätzung der Onlinezeit immer schwieriger. Gilt Freunde treffen als nichtmediale Tätigkeit, wenn man sich zwischendurch über ein Youtube-Video austauscht und dort reinschaut?
SORGE 2: Mein Kind gibt zu viel von sich preis!
Es fällt auf, dass die häufigsten Tätigkeiten von Jugendlichen in den sozialen Netzwerken passive Tätigkeiten sind: Fotos und Profile ansehen und «liken». Oder dass sie in einem eher privaten Rahmen stattfinden (chatten und Nachrichten versenden). 61 Prozent geben an, dass sie in sozialen Netzwerken vor allem Fotos posten, bei den Videos sind es nur 23 Prozent. Ein beruhigender Fakt: Dass plötzlich Fremde vor Ihrer Türe stehen, ist sehr unwahrscheinlich. Nur 15 Prozent der befragten Jugendlichen geben ihren echten Wohnort in einem sozialen Netzwerk preis. Noch weniger, nämlich 8 Prozent, ihre Telefonnummer.
SORGE 3: Mein Kind blickt bei den komplizierten Privatsphäreeinstellungen von Facebook nicht durch.
Mit diesem Wechsel zu privateren Netzwerken findet aber auch eine leichte Abnahme der Sorge um die eigene Privatsphäre statt. Heute geben 74 Prozent der Jugendlichen an, dass sie ihre Privatsphäre schützen. 2012 waren es noch 84 Prozent. Umso wichtiger ist also, dass Sie mit Ihrem Kind darüber sprechen, dass jedes digitale Foto im Internet geteilt werden kann. Auch jenes, das vertrauensvoll über WhatsApp einem Freund geschickt wurde.
SORGE 4: Mein Kind lernt im Internet Pädophile kennen.
Die Kehrseite der leichten Kontaktaufnahme im Netz: Ein Viertel der Jugendlichen hat bereits erlebt, dass sie im Internet unerwünscht und mit sexuellen Absichten angesprochen wurden – man nennt das im Fachjargon Cybergrooming. Mädchen sind mit 34 Prozent deutlich häufiger betroffen als Jungen (17 Prozent).
SORGE 5: Mein Kind wird online gemobbt.
Die JAMES-Studie behilft sich, indem sie zwei Fragen stellt: Etwa ein Fünftel der Jugendlichen sagt, es sei schon einmal vorgekommen, dass jemand sie im Internet fertigmachen wollte. Auf die etwas spezifischere Frage, ob schon einmal Falsches oder Beleidigendes über sie im Internet verbreitet wurde, antworten nur noch 12 Prozent mit Ja.
Das Fiese am Mobbing im Internet im Vergleich zum «normalen» Mobbing ist, dass es keine Rückzugsorte gibt. Es hört nicht auf, wenn der Jugendliche nach Hause kommt. Und dass der Jugendliche nicht wissen kann, wie viele zuschauen und mitlesen, ist eine besonders grosse Belastung für ihn.
SORGE 6: Mein Kind kommt im Netz automatisch mit Gewalt- und Pornografie in Berührung.
Auch das Verschicken und Empfangen von Pornografie aufs Handy ist eher Jungensache. Einzig bei der Frage nach dem Sexting, also dem Verschicken von aufreizenden Fotos und Videos von sich selbst, sind Jungen und Mädchen etwa gleichauf: 10 Prozent der Mädchen und 11 Prozent der Jungen sagen, dass sie das schon gemacht haben.
Bei Videos mit Gewaltdarstellungen ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern weniger gross als bei der Pornografie. Rund zwei Drittel der Schweizer Jugendlichen sagen, dass sie so etwas schon gesehen haben. 76 Prozent sind es bei den Jungen und 53 bei den Mädchen.
SORGE 7: Mein Kind verlernt in sozialen Netzwerken, was wahre Freundschaft bedeutet. Es sammelt nur noch Follower.
Ob Jugendliche diese Kontakte mit echten Freunden verwechseln, kann aus einer statistischen Studie wie der JAMES-Studie nicht direkt herausgelesen werden. Es fällt jedoch auf, dass im Netzwerk Snapchat, wo tendenziell Persönlicheres geteilt wird, die Freundesanzahl viel niedriger ist: Sie liegt bei 154 Kontakten. Da die Teilfreudigkeit in offeneren sozialen Netzwerken einem Abwärtstrend unterliegt (siehe Sorge 2), kann man also davon ausgehen, dass die Jugendlichen ein Bewusstsein dafür haben, wer zum engeren Freundeskreis gehört und wem man demzufolge auch mehr von sich preisgeben möchte.
SORGE 8: Mein Kind nutzt die Kommunikationsmöglichkeiten im Netz gar nicht. Es spielt ja nur Computerspiele. Und vereinsamt dabei!
Rein statistisch ist Gamen gemäss JAMES-Studie, eher ein Jungen-Ding: 91 Prozent der Jungen spielen Videogames, 42 Prozent der Mädchen. Im Schnitt verbringen die Kids damit ein bis zwei Stunden pro Tag. Einen möglicherweise beruhigenden Fakt hält die JAMES-Studie auch noch parat: Die Intensität des Gamens lässt mit zunehmendem Alter der Befragten nach.
SORGE 9: Mein Kind tappt mit dem Handy in die Schuldenfalle.
Mit zunehmendem Alter haben immer mehr Jugendliche ein Abonnement mit unlimitiertem Datenvolumen, so dass Ende Monat keine bösen Überraschungen auf sie zukommen. Zudem telefonieren sie immer weniger und schreiben weniger SMS. Ein hohes Datenvolumen allein deckt also meist schon all ihre Bedürfnisse ab.
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