«Corona-Impfung für Kinder: frühstens in einem Jahr» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Corona-Impfung für Kinder: frühstens in einem Jahr»

Lesedauer: 5 Minuten

Was sind die neusten Erkenntnisse zur Rolle der Kinder in der aktuellen Corona-Krise? Und: Kann eine Schule einen Corona-Test verlangen? Prof. Dr. med. Christoph Aebi liefert wichtige Antworten. 

Herr Aebi, wie sieht die Situation bei Ihnen am Inselspital aus?

Aktuell werden bei uns im Kindernotfall auf dem Covid Track vermehrt Kinder auf Covid getestet. Positiv getestet werden davon nur sehr wenige und auch Kinder, die via Notfall hospitalisiert werden wegen einer Covid-Erkrankung, haben wir nach wie vor sehr wenige.

Warum werden mehr Kinder getestet?

Diese Zunahme reflektiert die Gesamtzahl der aktuell massivst zunehmenden Infektionen. Diese Zahl färbt ab auf Kinder, die potenziell infiziert sein könnten. Allerdings sind nach wie vor die meisten Kinder negativ, die wir testen. Seit Beginn der Pandemie waren cirka 1 Prozent der Tests positiv.

Prof. Dr. med. Christoph Aebi leitet die Abteilung Kinderinfektiologie der Kinderklinik am Inselspital Bern. (Bild: zVg) 
Christoph Aebi leitet die Abteilung Kinderinfektiologie der Kinderklinik am Inselspital Bern. (Bild: zVg) 

Macht es Sinn, so viele Kinder wie möglich zu testen? 

Zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) haben wir von Pädiatrie Schweiz ein Schema entwickelt, wann genau Kinder unter 12 Jahren getestet werden sollten. Mit diesen Richtlinien vom 25. September wurde das Testen von Kindern reduziert, was seither so angewendet wird in der Praxis. Diese Empfehlung wird nicht von einem Tag auf den anderen geändert, auch wenn die Situation schwer vorhersehbar ist zurzeit. Man darf nicht vergessen: Kinder werden seltener infiziert als Erwachsene und geben den Erreger seltener weiter an andere Menschen. Es macht dann Sinn, Kinder zu testen, wenn sie bestimmte Symptome haben oder Kontakt hatten mit einer erwachsenen Person, die positiv getestet wurde. Die wichtigsten Anzeichen für eine mögliche Covid-Infektion bei einem Kind sind Fieber und starker Husten. Es macht aber keinen Sinn, sie zu testen, wenn sie nur einen banalen Schnupfen haben.

«Kinder werden seltener infiziert als Erwachsene und geben den Erreger seltener weiter an andere Menschen.» 

Wer hat das Recht, ein Kind testen zu lassen? Darf die Schule, beispielsweise, einen Test vorschreiben?

Es ist einzig ein Arzt, eine Ärztin oder die Gesundheitsbehörde, zusammen mit den Eltern, die einen Test bei einem Kind veranlassen können. Wenn Eltern einen Test machen möchten bei ihrem Kind, obwohl ein solcher nach den aktuellen Kriterien nicht nötig wäre, dann muss zusammen mit dem Kinderarzt eine individuelle Lösung gefunden werden. Das ist zum Beispiel gerade vor den Herbstferien passiert, da einige Airlines Tests von Kindern verlangt haben. Hier kann man einen Test machen, der dann allerdings von den Krankenkassen nicht übernommen wird.

Wird bei Kindern der Abstrich auch durch die Nase durchgeführt? Viele Erwachsene empfinden das ja als sehr schmerzhaft. 

Standard ist weiterhin der tiefe Nasenrachenabstrich. Wenn das nicht möglich ist, sind ein vorderer Nasen- oder Rachenabstrich akzeptabel.

Müssen Kinder zuhause bleiben, wenn sich ein Elternteil testen lässt?

Nein, ein Kind ohne Beschwerden muss nicht zuhause bleiben, bis das Testergebnis da ist. Ist der Test dann allerdings positiv, dann muss das Kind in Quarantäne gehen.

Algorithmus symptomatische Kinder von Pädiatrie Schweiz zusammen mit dem BAG. Das PDF kann hier heruntergeladen und ausgedruckt werden. 
Prof. Dr. med. Christoph Aebi leitet die Abteilung Kinderinfektiologie der Kinderklinik am Inselspital Bern. (Bild: zVg) 

Viele Schulen haben klare Vorgaben für kranke Kinder, basierend auf dem Chart vom BAG und Pädiatrie Schweiz (siehe Bild): Mit Schnupfen und leichtem Husten dürfen Kinder in die Schule gehen. Erwarten Sie, dass diese Empfehlungen bald verschärft werden?

Ich hoffe es nicht! Es gibt medizinisch-wissenschaftlich keinen Grund dafür, auch wenn die Infektionszahlen bei den Erwachsenen massiv steigen. Es gibt erstens keine neuen Hinweise darauf, dass Kinder die Treiber der Pandemie sind. Und zweitens ist es auch mit Beginn der zweiten Corona-Welle in den meisten Fällen nicht so, dass die Krankheit bei den Kindern einen schweren Verlauf nimmt.

Thema Impfungen: Noch im Sommer hiess es, man solle seine Kinder dieses Jahr gegen die Grippe impfen lassen. Wie sehen Sie das?

Aktuell gelten immer noch dieselben Impfempfehlungen wie jedes Jahr: Wir empfehlen die Grippeimpfung für Kinder, die aufgrund von Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko für Komplikationen im Rahmen einer Grippeerkrankungen haben; sowie das Umfeld solcher Kinder. An dieser Empfehlung hat sich nichts geändert. Die Frage stellt sich aber unabhängig von Corona, ob man Kinder nicht vermehrt gegen Grippe impfen sollte. Bei der Grippe ist die Rolle der Kinder eine ganz andere als bei Corona, sie sind wichtige Treiber der winterlichen Grippe-Epidemie und Erfahrungen in anderen Ländern haben gezeigt, dass man mit einer Impfung bei den Kindern Risikopersonen der älteren Generationen schützen kann. Zurzeit ist es aber so, dass der Grippe-Impfstoff hauptsächlich bei gefährdeten Personen eingesetzt wird. Wenn ein Kind also «einfach so» geimpft werden möchte, hat es nicht oberste Priorität. Ende November wird noch einmal eine halbe Million Grippe-Impfdosen verfügbar und möglicherweise auch Gesunden zugänglich werden.

Gibt es schon Informationen zu einer Corona-Impfung für Kinder?

Ich persönlich denke nicht, dass man in den nächsten zwölf Monaten mit einer Corona-Impfung für Kinder rechnen kann. Das aus dem Grund, weil Kinder wie schon erwähnt, nicht zu den Treibern der Pandemie zählen und schwere Verläufe selten sind. Und gerade auch muss die Sicherheit neuer Impfstoffe gut dokumentiert sein, bevor sie Kindern verabreicht werden kann. Die Möglichkeit schwerer Nebeenwirkungen muss weitgehend ausschliessbar sein. Vereinfacht gesagt: Je weniger schlimm die Krankheit ist, desto sicherer muss die Impfung sein und um so weniger mögliche Nebenwirkungen darf sie aufweisen.

Stichwort Sicherheit: Wie schätzen Sie das Risiko beim Hüten von Grosseltern mit ihren Enkeln ein?

Das ist keine einfache Situation und es gab ja schon im Frühling grosse Diskussionen. Jede Familie muss das Risiko für sich abwägen. Ja, Kinder sind seltener infiziert und ja, sie geben das Virus weniger weiter. Aber weniger heisst nicht nie, es ist kein alles oder nichts. Praktisch schlage ich vor, dass gesunde Grosseltern, die keine zusätzlichen Risikofaktoren haben, ihre Enkel sehr wohl hüten oder treffen dürfen, so lange diese Kinder kein akutes Fieber oder keinen neu auftretenden starken Husten haben, also nach den gleichen Kriterien wie der Ausschluss aus Schule beziehungsweise Kita.

Nun kommen Halloween, Samichlaus-Treffen und Laternenumzüge: Mitmachen oder ausfallen lassen dieses Jahr?

Das ist eigentlich nicht an mir, das zu beantworten, das geht unter die aktuellen Bestimmungen der begrenzten Personenanzahl der Kantone oder des Bundes. Es macht aber sicher keinen Sinn, bei den Kindern restriktiver zu sein als bei den Erwachsenen.


Verdacht auf Corona: Wann sollte sich ein Kind testen lassen?

Das Inselspital Bern hat basierend auf den aktuellen BAG Empfehlungen den Online-Test Corona Bambini entwickelt, der Eltern und Bezugspersonen Anhaltspunkte dazu gibt, ob Kinder unter 12 Jahren Schule oder Kita besuchen dürfen oder nicht und wann sie getestet werden sollten. Für Jugendliche älter als 12 Jahre gelten dieselben Kriterien wie für Erwachsene.

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