Burnout bei Kindern
Bisher war Burnout vor allem als Krankheit der Berufstätigen bekannt. Die permanente Erschöpfung tritt aber immer häufiger auch bei Kindern und Jugendlichen auf – Überforderung und Überlastung können zu Lustlosigkeit, Leistungsabfall und Depression führen.
Betreuer und Ärzte wie der Hamburger Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort warnen inzwischen vor Burnout bei Kindern. In der Tat steigen bei Jugendlichen die Erwartungshaltung, der Leistungsdruck, das Tempo – in der Schule, im Elternhaus, im sozialen Umfeld. «Die Eltern und die Schule und damit die Kinder und Jugendlichen werden dauernd mit höheren Ansprüchen der globalisierten Welt konfrontiert», sagt die Zürcher Schulpsychologin Catherine Paterson. Zwar wird der Zustand ausgelaugter oder überforderter Erwachsener als Burnout beschrieben, es gibt aber weltweit keine Krankheitsklassifikation dafür. Vor allem bei Kindern nicht.
Kleine Einsteins
Online-Dossier Burnout
Berufswahl schon in der Primarschule
Leistungsdruck komme nicht nur von aussen, so Kurt Albermann, es seien auch die Kinder und Jugendlichen selber, die sich fordern und überfordern.
Leistungsprofil und Begabungen sind individuell, schulische und gesellschaftliche Leistungsziele aber normiert – oft dazu auf einem hohen Niveau. Dabei spielt auch das Schulsystem eine bedeutende Rolle, das nicht primär auf eine individuelle Förderung ausgerichtet ist. Steigende Berufsanforderungen verlagern ferner das berufliche Weichenstellen in die Primarstufe. Nach der Maxime «ohne Matur keine Karriere» qualifizieren sich somit bereits Elf- bis Zwölfjährige für den weiteren Bildungsweg und büffeln monatelang für die Aufnahmeprüfungen ins Langzeitgymnasium. Manche kommen so locker auf 40 bis 50 Wochenstunden.
Einfach Kind sein
Das moderne Multitasking führt zum Gefühl, nie wirklich allem gerecht werden zu können. Überfordert und überlastet reagieren Betroffene mit körperlichen und psychischen Symptomen: «Kinder haben Kopf- oder Bauchweh, Rückenschmerzen und zeigen Gefühle der Anspannung oder Erschöpfung.» Diese Krankheitssymptome schützen vor weiterer Belastung und ermöglichen Rückzug und Schonung. Aber sie müssen erkannt und richtig interpretiert werden. Ein erstes Anzeichen kann Schulangst sein. Weitere körperliche Anzeichen sind etwa Schlaf- oder Konzentrationsstörungen. Im schlimmsten Fall geraten die Kinder in eine Erschöpfungsdepression. Betroffene Kinder sind traurig, zeigen sonst aber wenig Emotionen, fühlen sich wertlos, ziehen sich zurück und isolieren sich sozial immer mehr.
Umfeld einbeziehen
Marco Belvedere und Kurt Albermann betreuen betroffene Kinder und Jugendliche. Sie versuchen, das ganze Umfeld, also auch die schulische Situation, miteinzubeziehen. Eine Behandlung solcher Überforderungssituationen kann dauern, denn der Patient muss neue Verhaltensweisen erlernen. Grundsätzlich findet Albermann, dass wir uns auch als Gesellschaft fragen müssen, wo wir hin wollen. Es sei an der Zeit, unsere Haltung zu überprüfen. Nicht selten sei eben weniger mehr. Catherine Paterson empfiehlt, dass Eltern zu solchen Überlegungen wieder vermehrt auf eine vertrauensvolle Gelassenheit in die Entwicklung ihrer Kinder setzen. Dem pflichtet Marco Belvedere bei: «Kinder brauchen wieder mehr elterliche Zuversicht.»
Warnzeichen, die auf Überforderung oder Überlastung hindeuten können
- Schlafprobleme, ständige Müdigkeit, morgens nicht mehr aufstehen wollen
- Verminderte Leistungsfähigkeit bis zu schlechter werdenden schulischen Leistungen
- Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Schuldgefühle, Traurigkeit, herabgesetzte Stimmung
- Emotionale Verflachung oder s tändige Gereiztheit
- Erschöpfung und Apathie
- Psychosomatische Symptome wie Kopf- oder Bauchschmerzen bis zu Bettnässen
- Wiederholte Infekte, Übelkeit, Erbrechen
- Gewichtsabnahme oder -zunahme
- Soziale Isolation
- Suizidgedanken, selbstverletzendes Verhalten