Worauf es im Bewerbungsprozess wirklich ankommt - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Worauf es im Bewerbungsprozess wirklich ankommt

Lesedauer: 3 Minuten

Ob jemand sich wirklich für einen Ausbildungsplatz eignet, zeigen nicht die Noten oder die Bewerbungsmappe. Zwei Berufsbildner verraten, welche Rolle eine authentische Persönlichkeit und echtes Interesse am Beruf im Bewerbungsprozess spielen.

Die Ausbildungs­verantwortlichen eines Unterneh­mens beurteilen die Lernenden und
entscheiden, wer den Ausbil­dungsplatz erhält. Zwei Ausbild­ner erklären, worauf sie achten, wenn sich Jugendliche für den Abschluss eines Lehrvertrags inte­ressieren.

Ein Anruf genügt vielfach bereits, um einen schlechten Ein­druck zu hinterlassen. Zum Beispiel so: «Guten Tag, hier Müller. Ich wollte fragen, ob meine Toch­ter bei Ihnen eine Schnupperlehre machen kann.» Oder auch dieser: «Mein Lehrer sagt, ich müsse eine Schnupperlehre machen. Darum wollte ich fragen, ob das bei Ihnen gehen würde.» Patricia Summer Rossi, KV­, IT­ und Ausbildungsverantwortliche bei der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut des ETH-­Bereichs, erhält immer wie­ der solche Anfragen.

Zum Schnuppern eingeladen wird nur, wer sich selber bemüht und sein Interesse formulieren kann.

Den übereifrigen Eltern erklärt sie, dass man gerne von der Tochter persönlich hören würde, warum sie den Beruf der Kauffrau in einem wissenschaftlich tätigen Betrieb kennenlernen wolle. Und auch der Junge, der nur deshalb anrief, weil das seine Hausaufgabe war, erhält seine zweite Chance. Zur Schnupperlehre eingeladen wird allerdings nur, wer sich selber darum bemüht und formulieren kann, weshalb er oder sie am Beruf interessiert ist.

Welche Anforderungen muss ein Lehrling erfüllen?

Die KV-Lehrstellen seien nicht mehr so gefragt wie auch schon, erklärt Summer Rossi, die vor 28 Jahren zum ersten Mal als Vertreterin eines Lehrbetriebs einen Lehrvertrag unterschrieb. Die Voraussetzungen müssen trotzdem erfüllt sein: gute Noten auf dem höchsten Sekundarschulniveau, Freude an Sprachen und am Kontakt mit Menschen, ein Flair für Zahlen und Interesse an modernen Kommunikationsmitteln, hohe Lern- und Leistungsbereitschaft, Selbständigkeit und Eigeninitiative.

Etwas weniger wählerisch ist Selim Gökbulut, der für die Firma «Die Klimamacher» in Arbon Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärmonteur-Lernende rekrutiert: «Ich würde gerne auswählen können, aber dafür haben wir zu wenig Bewerbungen.» Doch auch in der von Nachwuchssorgen geplagten Haustechnik-Branche kann es sich ein Betrieb nicht leisten, unmotivierte oder fachlich überforderte Jugendliche auszubilden, die irgendwann die Lehre abbrechen oder die Abschlussprüfung nicht bestehen. «Erfüllt einer die Anforderungen nicht, ist aber motiviert, dann suchen wir nach Wegen, wie er seine Lücken aufarbeiten kann. Gerade zwischen der Schnupperlehre in der zweiten Oberstufe und dem Lehrbeginn nach der dritten entwickeln sich viele Jugendliche enorm weiter», erklärt der Berufsbildner.

In der Schnupperlehre zeigt sich die Eignung

Ob jemand geeignet ist für den Beruf und als Persönlichkeit in den Betrieb passt, erkennen Summer Rossi und Gökbulut am besten während der Schnupperlehre. Als Erstes fällt der KV-Berufsbildnerin auf, ob sich die junge Person gut genug informiert hat, um das Firmengebäude rechtzeitig zu finden, und ob sie angemessen gekleidet ist. Alles Weitere zeigt ihr Verhalten: Wie kommuniziert sie mit den anderen Mitarbeitenden und Lernenden? Stellt sie Fragen? Macht sie sich Notizen? Wie schnell begreift sie, was man ihr erklärt?
Sich vor Erwachsene hinzustellen und zu begründen, weshalb man von ihnen ausgebildet werden will, gehört zu den schwersten Aufgaben der Lehrstellensuche. Gerade wenn man die Stelle unbedingt will und deshalb viel zu verlieren hat, steigt die Nervosität. Wichtiger als ein souveräner, wortgewandter Auftritt ist es Summer Rossi aber, dass die Person, die sich bewirbt, authentisch ist und nichts vorspielt. «Es darf jemand ruhig Ecken und Kanten haben, wenn er zu seinen Schwächen steht. Etwas vorzuspielen, hält man vielleicht zwei Stunden durch. Aber nicht drei oder vier Jahre.»

Kommunizieren lernen die jungen Menschen wesentlich von ihren Eltern, weiss die erfahrene Berufsbildnerin: «Man merkt, wer zu Hause mit den Eltern regelmässig Tischgespräche führt.»

«Wenn sich ein Jugendlicher für etwas begeistern kann, lässt sich das Feuer auch für den Beruf entfachen.»

Patricia Summer Rossi, KV­, IT­ und Ausbildungsverantwortliche bei der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut des ETH-­Bereichs.

Ein wichtiges Persönlichkeitselement sei das Hobby, betont Summer Rossi: «Wenn sich ein Jugendlicher für etwas begeistern kann, lässt sich das Feuer auch für den Beruf entfachen. Nur gute Erfahrungen mache ich mit Pfadi-, Blauring- und Jungschar-Leitenden. Die haben gelernt, Verantwortung zu übernehmen.»

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