Wenn die Tochter vor Wut in Ohnmacht fällt... - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Wenn die Tochter vor Wut in Ohnmacht fällt…

Lesedauer: 2 Minuten

Wie und über was streiten Familien? Wir haben nachgefragt für unser Dossier zum Thema Konflikte. Zum Beispiel bei Michaela und Rico Kurath, die mit ihren Töchtern Leyla (10) und Lara (8) in Embrach ZH wohnen. Und dann ihren Streit von einer Expertin analysieren lassen.

Lara: Mami nervt, wenn sie sagt, ich soll Klavier üben. Ich hasse Klavierüben.
Michaela: Du willst aber Klavier spielen und Stunden nehmen.
Lara: Ich spiele ja gern Klavier. Aber ich muss immer so viel üben. Ich möchte das können, ohne zu üben. Und Papi nervt bei den Kleidern.
Rico: Du willst im Winter im kurzärmligen T-Shirt raus!
Lara: Ich würde das Shirt ja anziehen, wenn es langärmlig wäre, aber das ist es halt nicht. 

Ich werde so wütend, dass mein Bauch explodiert!

Leyla: Mit Mami streite ich praktisch jeden Tag. Meistens über die Ufzgi.
Michaela: Mich nervt, dass du die Hausaufgaben so oft in der Schule vergisst.
Leyla: Das mache ich nicht extra. Wenn wir unsere Sachen zusammenpacken müssen, räume ich sie versehentlich unter mein Pult.
Michaela: Dann musst du sie holen gehen.
Leyla: Dann find ich dich manchmal doof.
Michaela: Mich nervt auch, wenn du so eifersüchtig bist, Leyla. Du hast immer das Gefühl, Lara werde bevorzugt. Dabei hatten wir mit Lara früher viel mehr Krach, weil sie so ein Täubeli war.
Rico: Sie hat bis zur Ohnmacht täubelet.
Michaela: Sie hatte regelmässig Wutanfälle, machte am Morgen ein Riesendrama, weil sie nicht in den Kindergarten wollte. Da habe ich sie auch schon im Pyjama hingebracht. Im Frühling vor zwei Jahren suchten wir eine Kinderpsychologin. Lara geht sehr gern zu ihr, und seit sie das tut, ist es viel besser geworden. Sie thematisiert, wie Lara mit ihrer Wut besser umgehen kann.
Lara: Ich weiss nicht, warum ich so wütend werde. Das explodiert in meinem Bauch.
Michaela: Wir versuchen, Konflikte auszudiskutieren und Kompromisse zu schliessen. Seit Lara in die Therapie geht, kann man viel besser mit ihr reden.
Rico: Früher konnte man ihr kaum etwas erklären. Wir haben vieles ausprobiert. Eine Weile haben wir die Anfälle einfach ignoriert.
Michaela: Das klappt in dem Moment, wenn sie vor deinen Augen vor Wut blau wird und umkippt, nicht mehr. Das ist zweimal passiert. Es waren meist Kleinigkeiten, welche diese Wutanfälle auslösten. Mir wurde manchmal halb schlecht in solchen Situationen. Mir tat Lara leid, die ihre Emotionen nicht unter Kontrolle hatte. Und mir tat auch Leyla leid, da Lara so viel Raum einnahm. Ich finde aber schön, dass du dich immer entschuldigst, Lara.
Rico: Stimmt. Sie möchte einem dann immer die Hand geben und sich offiziell versöhnen. 

Und dann täubelet die Mama, damit ihr seht, wie das ist

Michaela: Ab und zu machen wir eine Familienkonferenz. Dann reden wir übers Zimmeraufräumen. Wenn man etwas Neues hervornimmt, versorgt man das Alte, das wäre doch nicht so schwierig.
Leyla: Doch.
Michaela: Ihr räumt ja mein Puff auch nicht auf. Ich habe auch schon einfach alles liegen lassen, Geschirr nicht abgeräumt und gesagt: Seht ihr, so siehts in euren Zimmern aus. Das hat eine Weile gefruchtet. Ich habe übrigens auch schon in der Migros täubelet, um zu zeigen, wie das ist. Das kam danach tatsächlich nicht wieder vor. Wenn die Emotionen bei einem Streit zu sehr hochkochen, wird auch mal jemand in sein Zimmer geschickt, bis sich alle wieder beruhigt haben. 

Evelin Männel Fretz, Pro Juventute Elternberatung, über die Familie Kurath:

«Ich sehe Michaela und Rico Kurath als sehr engagierte Eltern, die sich aber immer wieder verunsichern lassen. Gewisse Dinge sind nicht verhandelbar, dazu gehören Hausaufgaben und Klavierüben. Vielleicht würde Leyla ein Stein als Erinnerung in der Hosentasche helfen, die Aufgaben nicht mehr in der Schule liegen zu lassen. 

Kinder wie Lara sind emotional sehr intensiv. Die Eltern müssen wissen, dass dieses Verhalten nicht gegen sie gerichtet ist, aber auch, dass sie dem Willen des Kindes nicht nachgeben dürfen. Hilfe von aussen zu holen, war sicher die richtige Entscheidung. 

Das Kind bei einem Streit ins Zimmer zu schicken, ist okay. Danach müssen die Eltern unbedingt das Gespräch mit ihrer Tochter suchen und ihr vermitteln, dass sie nicht weggeschickt wurde, weil man sie ablehnt, sondern weil ihr Verhalten das übrige Familienleben gestört hat.»


Weitere Beispielfamilien

…gibt es in unserem grossen Dossier zum Thema Streit und Konflikte in der März-Ausgabe 2017. Das Magazin kann HIER bestellt werden.