«Lehrer haben doch immer frei!»
Lehrerinnen und Lehrer haben jede Menge Freizeit und Ferien. Doch wer den Lehrpersonen die Ferien missgönnt, hat von dem Beruf keine Ahnung. Aber was tun Pädagogen in diesen 13 Wochen im Jahr? Eine Annäherung.
Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich dabei oft persönlich angegriffen und kontern mit Argumenten wie «Fünfzigstundenwoche», «Korrekturarbeit mit Nachtschicht», «Elterngespräche und Vorbereiten am Wochenende». Und natürlich stimmt das auch! Wir Lehrpersonen müssen tatsächlich viel vorbereiten,bereitstellen, korrigieren, absprechen und so weiter.
Leider werden diese Erläuterungen vom Gegenüber oft als Rechtfertigungsversuch interpretiert. Es scheint, als seien uns die Ferien peinlich. Dabei sind sie so wichtig: zum einen, um in den unterrichtsfreien Schulwochen weniger zu arbeiten als in den voll beladenen; zum anderen, um wirklich Abstand von der Schule zu gewinnen und aufzutanken. Statt uns zu rechtfertigen, sollten wir berichten, welche Vorzüge unser Beruf hat und mit welcher Motivation wir nach den Ferien in den Schulalltag starten werden.
Im Teamzimmer haben mir Kolleginnen berichtet, wie sie die Sommerferien verbracht haben. Hier drei Beispiele.
Es muss viel geplant werden
In der zweiten Ferienwoche hat sie sich mit der Teamteaching-Kollegin getroffen, um die konkreten Inhalte der ersten Schulwochen zu planen und das Material für die Unterrichtslektionen zusammenzustellen. Die beiden Lehrerinnen arbeiten neu zusammen, was einige Absprachen mehr verlangt hat.
Nach zwei Wochen mit Freunden in einem Haus am Meer war die letzte Ferienwoche wieder täglich verplant: schulinterne Teamtage, in denen die Projekte der ersten Schulwochen vorbereitet und die gemeinsamen Räume wie Materialzimmer, Keller und Estrich geräumt wurden.
Erst einmal Abstand gewinnen
Nach den aktiven Ferien seien die negativen Erinnerungen in den Hintergrund gerückt, so dass sie den frisch geputzten Kindergarten mit viel Freude und Energie für die neue Klasse herrichten konnte.
Auch sie sagte, dass sie sich auf den Start mit der neuen Klasse gefreut habe. Die Auswahl des neuen Themas mit einer Leitfigur, die durch das Jahr führe, bereite ihr immer grosse Freude. Sie meint, zu Schuljahresbeginn sei es besonders wichtig, gut erholt anzufangen, denn die ersten Kindergartenwochen seien emotional und körperlich besonders anstrengend. Zum Glück sei die Schulleitung vor Ort grosszügig, so dass die Teamteaching-Lektionen im ersten Quartal aufgestockt werden dürfen, indem jeweils bei Lektionen mit allen Kindern zwei Lehrpersonen anwesend seien.
Jugendarbeit in den Ferien
«Balancieren zwischen Arbeit und Freizeit – die grosse Herausforderung für Lehrpersonen.»
Ruth Fritsch ist Mitglied der Geschäftsleitung des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH.
Arbeit und Freizeit – nicht klar getrennt
Meine Erfahrung zeigt, dass es vielen Lehrpersonen schwerfällt, abzuschalten und Arbeit und Freizeit wirklich zu trennen. Es gehört zu ihrem Alltag, die Ereignisse vom vergangenen Tag nachzubereiten, um am nächsten Tag mit geeigneten Unterrichtsmethoden und Inhalten zu reagieren. Diese Überlegungen nehmen viele von uns mit nach Hause, weil wir uns emotional beteiligen.
Dieser und andere Faktoren der Belastung führen dazu, dass viele Lehrpersonen trotz Ferien und Wochen ohne Unterricht ihr Pensum reduzieren. Von vielen Lehrpersonen höre ich, dass sie mehr Zeit brauchen, um einen Ausgleich zu finden. Meistens ist dies möglich, wenn man in einem Pensum von 80 oder 90 Prozent arbeitet. Deshalb fordert der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer seit Längerem ein tieferes Pflichtpensum.
Obwohl allgemein bekannt ist, dass die Lehrperson einer der wichtigsten Faktoren für erfolgreiches Lernen ist, werden die Forderungen nach kleineren Klassen und niedrigerem Pflichtpensum nicht erfüllt. Wegen Knappheit der Finanzen verläuft die Entwicklung in den Kantonen genau in die entgegengesetzte Richtung.
Im laufenden Projekt «Gesundheit» des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz sollen mittels Untersuchungen auf verschiedenen Ebenen «harte» Fakten zu den effektiven beruflichen Belastungen gesammelt werden.
In weiten Kreisen der Politik und Gesellschaft scheint man den Beruf der Lehrerinnen und Lehrer immer noch als Beruf mit viel Freizeit zu betrachten. Die öffentliche Diskussion über die tatsächlichen Arbeitszeiten und die beruflichen Belastungen muss vorangetrieben werden.
Bild: Pexels