Ist eine bewusste Bevorzugung eines Kindes fatal?Da ist das Spektrum sehr gross. Es gibt die kleinen Bevorzugungen, etwa, dass mit einem Geschwister schneller geschimpft wird als beim andern, wenn es etwas angestellt hat. Dabei kann es sein, dass beide Kinder nur anders reagieren. Das eine gibt seinen Fehler charmant zu, das andere streitet ihn ab.
Was wäre eine grobe Form?Etwa das Kind aufgrund seines Geschlechts zu diskriminieren. Dass Buben im Haushalt nicht helfen müssen, sondern nur die Mädchen, beispielsweise. Oder dass ein Mädchen nicht Ärztin werden darf, aber der Bruder es werden muss, obwohl das Mädchen viel besser in der Schule ist. Noch immer wird Mädchen mehr Fähigkeit in Empathie zugetraut als Buben. Dabei ist es wichtig, sich dem Kind gegenüber offen zu zeigen und einfach zu schauen, was sich ergibt.
Oft haben Eltern auch ein Lieblingskind. Das verursacht Schuldgefühle.
Dabei ist es schon mal positiv, wenn man das bemerkt! Es ist viel problematischer, wenn man es nicht merkt oder verleugnet.
Ist es nicht normal, dass einem manchmal ein Kind näher ist als das andere?
Das kommt häufig vor. Statt darüber Schuldgefühle zu entwickeln, sollte man sicher besser mit dem Partner oder mit anderen Leuten austauschen. Zudem kann man sich fragen, was solche Gefühle dem Kind gegenüber mit einem selbst zu tun haben.
Wie meinen Sie das?
Warum ist mir das eine Kind sympathischer als das andere? Warum löst ein Verhalten Sympathie, ein anderes Verhalten aber Antipathie aus? Warum rege ich mich darüber so auf? Das hat oft mit meiner eigenen Geschichte zu tun. Es wäre in solchen Situationen also ratsam, die eigene Biografie und die unverarbeiteten Erfahrungen anzuschauen. Um es mit einem Beispiel zu illustrieren: Vielleicht regt mich ja meine opportunistische Tochter auf, weil ich mir eher eine rote Zora gewünscht habe, genau weil ich selbst keine rote Zora sein durfte.