16. August 2021
«Es gibt trotz Corona immer noch mehr Lehrstellen als Lehrstellensuchende»
Interview: Stefan Michel
Bild: Rawpixel.com
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Lesedauer: 3 Minuten
Christof Spöring, Leiter der Dienststelle für Berufs- und Weiterbildung im Kanton Luzern, über die Folgen der Covid-19-Pandemie für Lehrstellensuchende und neue Angebote in der Berufsberatung.
Herr Spöring, wie haben sich Berufswahl und Lehrstellensuche in der Pandemie verändert?
Die Informationsbeschaffung ist digitaler geworden. Natürlich mussten im Lockdown viele Treffen online stattfinden, das hat sich bekanntlich in der ganzen Arbeitswelt sehr schnell durchgesetzt.
Ist es schwieriger geworden, eine Lehrstelle zu finden?
Die Informationsbeschaffung im Internet erfordert gewisse Fähigkeiten. Man muss wissen, wie man suchen muss und was man wo findet. Zum Glück werden die meisten Jugendlichen bei diesem Prozess begleitet, von der Schule beispielsweise und den Berufsinformationszentren. Zudem haben wir niederschwellige Angebote geschaffen, die es vorher nicht gab: So wurde die Berufsmesse Zebi in Luzern im Frühjahr digital durchgeführt, zudem haben wir im Mai und Juni Online-Lehrstellenbörsen aufgeschaltet. Hier konnten sich Lehrstellensuchende und Lehrbetriebe zu einem 15-minütigen Online-Gespräch treffen. So wurde Jugendlichen sogar der erste Anruf abgenommen, der ja für einige eine Hürde darstellt.
Welche Veränderungen gab es in der Berufsberatung?
Eine Zeit lang mussten auch wir die Gespräche online durchführen. Das gab uns die Möglichkeit, Jugendliche im Berufswahlprozess enger zu begleiten, weil wir beispielsweise wöchentlich mit ihnen ein Online-Gespräch führen konnten. Dies möchten wir beibehalten: zum passenden Zeitpunkt ein persönliches Gespräch mit grosser Auslegeordnung, danach digitale Folgetreffen. Bisher hatten wir mit vielen Stellensuchenden ein einziges langes Gespräch und sahen sie danach nicht mehr.
Gewisse Branchen sind in der Krise, viele Betriebe mussten schliessen. Gibt es noch genug Lehrstellen?
Es gibt mehr Lehrstellen als Lehrstellensuchende, daran hat auch Corona nichts geändert. Die Babyboomer gehen in Pension, die Betriebe und Branchen brauchen Nachwuchs. Gastronomie und Hotellerie müssen immer noch einen grossen Teil ihres Personals aus dem Ausland rekrutieren. Dass Lehrbetriebe schliessen, kommt auch in normalen Zeiten vor. In der Regel finden wir schnell einen neuen Betrieb für die Lernenden.
Sollen Jugendliche sich für einen Beruf der Zukunft entscheiden? Oder nach wie vor für den, der sie am meisten interessiert?
Das Interesse steht in jedem Fall an erster Stelle. Dank dem durchlässigen Bildungssystem sind spätere Wechsel immer möglich. Interessanterweise sind die Präferenzen von Schülerinnen und Schülern seit Jahren stabil. Wir versuchen die IT-Berufe zu pushen, dort ist der Flaschenhals die beschränkte Anzahl Lehrstellen. Bei den Gesundheitsberufen wächst das Interesse stetig. Nochmals, es gibt mehr Lehrstellen als Schulabgänger. Diese sind also in einer guten Position.
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Die Wahl der passenden Ausbildung nach der Sekundarschule lässt sich in sieben
aufeinanderfolgende Aufgaben einteilen. Es empfiehlt sich, die sieben Schritte in dieser Reihenfolge auszuführen, wobei man auch immer wieder eine oder zwei Etappen zurückgehen kann, wenn sich etwas geändert hat.
aufeinanderfolgende Aufgaben einteilen. Es empfiehlt sich, die sieben Schritte in dieser Reihenfolge auszuführen, wobei man auch immer wieder eine oder zwei Etappen zurückgehen kann, wenn sich etwas geändert hat.
- Schritt 1: Eigene Interessen und Stärken kennenlernen
Bevor Jugendliche entscheiden können, welche Ausbildung sie nach der Sekundarschule in Angriff nehmen wollen, müssen sie ein paar grundlegende Fragen an sich selber beantworten. Keine leichte Aufgabe mitten in der Pubertät, die ohnehin schon voller Fragen ist. - Schritt 2: Berufe und Ausbildungen kennenlernen
In die Lehre oder weiter zur Schule? Diese Frage stellen sich viele in der Oberstufe. Dabei schliessen sich die beiden Wege nicht aus. Die wichtigsten Bildungsangebote im Überblick. - Schritt 3: Eigene Stärken mit den Anforderungen von Berufen und Ausbildungen vergleichen
Jede Berufslehre und jede Schule hat ihre spezifischen Anforderungen. Für junge Berufssuchende bedeutet das, dass sie entweder intensiv an ihren Fähigkeiten arbeiten oder sich eine weniger anforderungsreiche Berufslehre suchen sollten. - Schritt 4: Interessante Berufen in einer Schnupperlehre kennenlernen
Eine Schnupperlehre, auch Berufswahlpraktikum genannt, gibt einen ersten Eindruck vom Arbeitsleben, von einem Beruf und vom Klima im möglichen Lehrbetrieb. Sie ist so etwas wie der ultimative Realitätscheck für junge Lehrstellensuchende. - Schritt 5: Mögliche Berufe und Ausbildungen überprüfen und eine Entscheidung fällen
Berufsberaterin Sigrid Weber kennt die Qual der Berufswahl, die viele Jugendliche durchleben. Lieblingsfächer und Hobbys seien erste Hinweise auf die passende Ausbildung, in Schnupperlehren lasse sich viel lernen – und manchmal helfe auch ein Münzwurf, sagt die Psychologin. Bei der Entscheidung müsse aber vor allem das Gefühl stimmen. - Schritt 6: Eine Lehrstelle suchen oder sich bei einer Schule anmelden
Nach der Wahl des passenden Berufs folgt die Suche nach dem geeigneten Lehrbetrieb. Gross oder klein, familiär oder formell, hierarchisch oder kollegial? Je mehr verschiedene Formen man durch Schnuppern kennenlernt, desto besser weiss man, was einem zusagt. - Schritt 7: Sich auf die Lehre oder Schule vorbereiten oder Brückenangebote abklären
Das zehnte Schuljahr gilt als Notlösung für die, die keine Lehrstelle gefunden haben. In Wahrheit ist es ein sinnvolles Bildungsangebot, um schulische und andere Lücken zu schliessen oder in der Berufswahl zu einer Entscheidung zu gelangen. Weitere Brückenangebote helfen, wertvolle Kenntnisse zu gewinnen und Weichen zu stellen.
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