So wird die Berufswahl keine Qual - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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So wird die Berufswahl keine Qual

Lesedauer: 4 Minuten

Die Entscheidung, wie es nach der Oberstufe weitergeht, prägt nicht das ganze Leben, aber immerhin die nächsten Jahre. Eine stimmige Berufsperspektive zu finden, kann man lernen. 

Abends im Restaurant: Die Menükarte ist überlang, vieles klingt gut, aber keine Speise springt
mich direkt an. Ist die beste Wahl vielleicht eine, unter der ich mir nicht viel vorstellen kann? Die Begleitung hat gewählt und klappt die Karte zu. Der Kellner blickt in unsere Richtung. Gleich wird er an unserem Tisch stehen, und dann muss ich mich entscheiden. Aber was soll ich bloss nehmen?

So ähnlich geht es vielen jungen Menschen bei der Berufswahl. Die Auswahl ist riesig, einige Metiers kennt man gar nicht und auf den Lehrbetrieb kommt es auch noch an. Was ist, wenn einem das dauernde Lernen im Gymi zu stinken beginnt? Grundsätzlich hat man genug Zeit, um sich zu entscheiden. Doch die Uhr tickt, und je länger man braucht, desto kleiner wird die Auswahl an offenen Lehrstellen.

Die Berufswahl ist eine völlig neue Situation.

Wenn wir im Restaurant die Speisekarte studieren, wissen wir wenigstens, welche Geschmacksrichtungen und Konsistenzen wir mögen. Schliesslich essen wir schon länger, als wir uns erinnern können. Die Berufswahl hingegen ist eine völlig neue Situation und auch die Jugendlichen selber sind gerade dabei, sich zu verwandeln. Das Kind hat sich verabschiedet, der oder die Erwachsene ist erst in Ansätzen präsent.

Um herauszufinden, was man die nächsten Jahre tun will, muss man sich selber kennen – wissen, was man gerne tut, wie man es gerne tut, in welchen Situationen man sich wohlfühlt und was einen eher verunsichert. Den meisten fällt es leichter, zu benennen, was sie nicht mögen, als was sie wollen. Doch genau darum geht es: herauszufinden, was man will.

Dieser Beitrag stammt aus unserem Berufswahl-Sonderheft, das der September-Ausgabe 2019 von Fritz+Fränzi kostenlos beiliegen wird. Diese ist ab dem 27. August bestellbar beziehungsweise am gut sortierten Kiosk in der Schweiz erhältlich. 

Sich selber kennenlernen – wie geht das?

Die wenigsten Jugendlichen wissen, ob sie gerne Schaltpläne zeichnen, Injektionen vorbereiten oder Zahlungseingänge verbuchen, weil sie das noch nie gemacht haben. Hingegen lässt sich ein gutes Bild der eigenen Interessen und Fähigkeiten zeichnen, wenn man festhält, was man im Alltag gerne tut oder welche Aufgaben man erst nach mehrmaliger Aufforderung erledigt.

Die einen kochen leidenschaftlich gern, andere schreiben Tagebuch, wieder andere produzieren Videos für ihr Profil in den sozialen Medien oder pflegen ein Pferd. All dies sind Hinweise darauf, in welcher beruflichen Richtung jemand glücklich werden kann. Das Gleiche gilt für die Schulfächer, die man mag, und jene, mit denen man sich freudlos abmüht.

Berufswahltagebuch oder Finder

Die Autoren Daniel Jungo und Erwin Egloff haben ein «Berufswahltagebuch»  herausgegeben. Es enthält einen Interessenfragebogen, mit dem Jugendliche ihre Vorlieben und Neigungen in neun Interessensfeldern ermitteln sollen. Diese werden am Schluss in einem Schema dargestellt, das mit einer Farbfläche zeigt, in welchem Tätigkeitsbereich die eigenen Stärken und Interessen liegen. Es lohnt sich, die Berufe näher anzuschauen, die diesem Sektor zugeordnet sind.

Einen Schritt weiter geht die Lehrstellen-Plattform yousty: Der «Berufs-Finder» auf der Website stellt 33 Fragen zu Interessen und Neigungen und gibt danach eine Rangliste der passendsten Berufe aus. Interessant ist die statistische Auswertung: In den rund 50’000 Abfragen von der Lancierung des Berufs-Finders im Oktober 2018 bis Mitte Juni 2019 wurde Tierpfleger/-in am häufigsten empfohlen, gefolgt von Hotelfachfrau/-mann und Fachfrau/-mann Betreuung. Kauffrau/-mann, der am häufigsten gewählte Lehrberuf, erscheint in dieser Rangliste der Empfehlungen erst auf Platz 26. Auf Rang 44 liegt Detailhandelsfachfrau/-mann, ein weiterer der am meisten erlernten Berufe in der Schweiz.

Bei der Berufswahl berücksichtigen Jugendliche auch was ein vielversprechender Start ins Berufsleben scheint.

Das heisst nicht, dass die Mehrheit der jungen Menschen völlig an ihren Interessen vorbei einen Beruf wählt. Schliesslich wurden im gleichen Zeitraum auf yousty über 400’000 Abfragen nach Berufen oder Lehrstellen getätigt. Gut möglich, dass jene, die ihren Wunschberuf Kauffrau/-mann bereits gefunden hatten, den Berufs-Finder nicht durchspielten. Man darf das Resultat dennoch als Hinweis darauf lesen, dass sich nicht alle von ihren eigentlichen Neigungen leiten lassen, sondern ebenso sehr davon, was sie als vernünftigen, vielversprechenden Start ins Berufsleben anschauen.

Entscheiden Jugendliche selbst oder wählen Eltern mit?

Der Bildungssoziologe Markus P. Neuenschwander hat die Kriterien untersucht, welche Jugendliche in der Ausbildungswahl als wichtig bezeichnen. Die persönlichen Interessen erhielten am meisten Zustimmung, als wichtig erachtet wurde aber auch, dass man neue Fähigkeiten erlernen kann, dass die schulischen Leistungen genügen oder dass die Arbeit erfüllend ist. Auch in der Juvenir-Studie 2.0 der Jacobs Foundation von 2013 gab eine Mehrheit der Jugendlichen an, dass ihre Interessen ein wesentliches Kriterium ihrer Ausbildungswahl gewesen seien.

Grossen Einfluss haben auch die Eltern und das weitere persönliche Umfeld. Berufsberatende bestätigen, dass nur wenige sich strikt gegen die Wünsche und Vorstellungen ihrer Eltern stellen. Und viele wählen einen Beruf, der demjenigen gleicht, in dem die Eltern tätig sind. Dazu passt, dass sich, gemäss einer weiteren Untersuchung von yousty, die meisten Jugendlichen nur über einen bis drei Berufe näher informieren. Gut möglich, dass sie mit dieser engen Perspektive den perfekten Job für sich gar nicht kennenlernen.

Dennoch ist die überwiegende Mehrheit der Lernenden mit ihrer Berufswahl zufrieden, wie die Berufsbildungsstudie 2018 von gateway.one zeigt. Das private Unternehmen hat den verbreiteten Eignungstest «Multicheck» entwickelt. Gelegenheit, vom guten zum perfekten Job zu wechseln, werden die jungen Berufsleute auch später noch haben.


Welcher Beruf passt zu mir?

Von 1. Oktober 2018 bis 12. Juni 2019 wurde die Online-Befragung 57 564 Mal durchgeführt. Diese Berufe wurden am häufigsten empfohlen:

  1. Tierpfleger/-in EFZ
  2. Hotelfachmann/-frau EFZ
  3. Fachmann/-frau Betreuung (FaBe) EFZ
  4. Polydesigner/-in 3D EFZ
  5. Mediamatiker/-in EFZ
  6. Innendekorateur/-in EFZ
  7. Schreiner/-in EFZ
  8. Informatiker/-in EFZ
  9. Grafiker/-in EFZ
  10. Coiffeur/Coiffeuse EFZ

Die meistgesuchten Berufe auf yousty

Oktober 2018 bis Juni 2019:

  • Kaufmann/-frau (KV) EFZ Profil E (30 575 Abfragen)
  • Fachmann/-frau Gesundheit (FaGe) EFZ (17 776 Abfragen)
  • Kaufmann/-frau (KV) EFZ Profil B (15 634 Abfragen)
  • Detailhandelsfachmann/-frau EFZ (14 110 Abfragen)
  • Fachmann/-frau Betreuung (FaBe) EFZ (13 423 Abfragen)
  • Informatiker/-in EFZ (13 392 Abfragen)
  • Medizinische/r Praxisassistent/-in (MPA) EFZ (13 087 Abfragen)
  • Logistiker/-in EFZ (12 716 Abfragen)
  • Dentalassistent/-in EFZ (9311 Abfragen)
  • Koch/Köchin EFZ (8534 Abfragen)

Über yousty versandte Online-Bewerbungen


August 2018 bis Juni 2019:

  • Kaufmann/-frau (KV) EFZ (30 418 Bewerbungen)
  • Detailhandelsfachmann/-frau EFZ (7553 Bewerbungen)
  • Logistiker/-in EFZ (6643 Bewerbungen)
  • Informatiker/-in EFZ (6450 Bewerbungen)
  • Fachmann/-frau Gesundheit (FaGe) EFZ (5436 Bewerbungen)
  • Fachmann/-frau Betreuung (FaBe) EFZ (4503 Bewerbungen)
  • Pharma-Assistent/-in EFZ (4141 Bewerbungen)
  • Dentalassistent/-in EFZ (3758 Bewerbungen)
  • Medizinische/r Praxisassistent/-in (MPA) EFZ (3381 Bewerbungen)
  • Koch/Köchin EFZ (1782 Bewerbungen)

Mehr zum Thema Berufswahl:

  • Im Sonderheft «Berufswahl», das der September-Ausgabe des Schweizer ElternMagazins Fritz+Fränzi beiliegt, porträtieren wir elf Jugendliche, die ihren Traumberuf gefunden haben. Darin stellen Branchenverbände und Unternehmen aus verschiedensten Bereichen ihr Lehrstellen- und Ausbildungsangebot vor – auch als Online-Übersicht.