«Die meisten Berufe unserer Kinder gibt es noch gar nicht» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Die meisten Berufe unserer Kinder gibt es noch gar nicht»

Lesedauer: 2 Minuten

Kinder und Jugendliche sind in der digitalen Welt zu Hause, nutzen Social Media und Internet im Alltag. Wie sie sich auf eine digital geprägte berufliche Zukunft optimal vorbereiten können, erklärt Christian Lundsgaard, Projektleiter des heutigen zweiten Digitaltag Schweiz.

«Computational Thinking»ist heute in aller Munde. Müssen wir heute wie Computer denken?

«Computational Thinking» verbindet analytisches sowie kreatives Denken mit Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften und anderen Anwendungen. Damit ist Computational Thinking – informatisches Denken – eine Ansammlung mehrerer Kompetenzen: Probleme korrekt erfassen, kreative Lösungen konzipieren, planen und umsetzen, Lösungsversuche beobachten und verbessern sowie nicht zuletzt auch das Programmieren von Robotern, beispielsweise.

Informatisches Denken thematisiert, wie Menschen Probleme angehen und lösen können. Es strebt nicht an, Menschen wie Computer denken und handeln zu lassen. Entsprechend stellt Computational Thinking eine universell einsetzbare Haltung und Fähigkeit dar, die alle lernen  und im Leben direkt oder indirekt nutzen können sollten.

Christian Lundsgaard, Projektleiter des Digitaltag Schweiz: «Zwei Drittel der künftigen Berufe unserer Kinder gibt es noch gar nicht»
Christian Lundsgaard, Projektleiter des Digitaltag Schweiz: «Zwei Drittel der künftigen Berufe unserer Kinder gibt es noch gar nicht»

Weshalb ist «Computational Thinking» so wichtig?

Gemäss dem «WEF Report zur Zukunft der Arbeit» stellt die allgemeine Fähigkeit, komplexe Probleme lösen zu können, die wichtigste Kompetenz dar. Wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass nach Schätzungen desselben Berichts rund 65 Prozent der Berufe, noch gar nicht existieren, welche heutige Primarschulkinder einmal ausüben werden. Hinzu kommt, dass immer mehr heute bekannte Berufe durch die Digitalisierung verändert werden.

Mit Computational Thinking kann man eine Problemstellung so formulieren, dass eine Computer-unterstützte Lösung herbeigeführt werden kann. Damit bereitet Computational Thinking Jugendliche ideal auf eine von der digitalen Transformation geprägten Zukunft vor. Und so wird die Zukunft vielmehr zu einer Chance als zu einer Bedrohung.

«Mit Computational Thinking wird die Zukunft zur Chance statt zur Bedrohung.»

Christian Lundsgaard, Projektleiter des Digitaltag Schweiz 2018

Können Sie das ein bisschen konkreter ausführen?

Genau so wie die erste industrielle Revolution im 18. und 19. Jahrhundert die Grundlage geschaffen hat für die Jobs, die wir heute kennen, wird auch die digitale Revolution ganz neue Berufe hervorbringen, die wir uns heute vielleicht noch gar nicht vorstellen können.

Wie kann man «Computational Thinking» konkret im Unterricht einbauen?

Dafür eignen sich Aufgabenstellungen mit Bildungsrobotern wie dem Thymio sehr gut. Dieser Roboter hat Räder und zahlreiche Sensoren. Eine Aufgabe könnte sein, dass eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern mit diesem Roboter ein WC-Röllchen aus einem Kreis schieben soll. Der Roboter selber darf dabei den Kreis aber nicht verlassen.
 
Die Schülerinnen und Schlüler können kollaborativ überlegen, wie sie diese Aufgabe mit den technischen Möglichkeiten des Roboters lösen können. Der Roboter ist zu dem Zeitpunkt quasi ein unbeschriebenes Blatt. 
 
Die Sensoren des Roboters können mit einer intuitiven, leicht verständlichen visuellen Programmiersprache so programmiert werden, dass er den gezeichneten Kreis auf dem Tisch erkennt und in eine andere Richtung weiter fährt. Dieser Vorgang wiederholt der Roboter, bis er vor sich das WC-Röllchen erkennt. Dann fährt er die WC-Rolle so lange vor sich her, bis er selbst wieder an den Kreis stösst.

Programmierkurse für Kinder boomen. Doch diese Kurse können sich nicht alle Eltern leisten. Wie können sie ihr Kind anderweitig unterstützen?

Es darf nicht sein, dass sich nur ein Teil der Kinder mit wichtigen Zukunftskompetenzen wie dem Programmieren und «Computational Thinking» auseinandersetzen kann. Aus diesem Grund haben wir zusammen mit der EPFL, diversen pädagogischen Hochschulen und der Swisscom die «Computational Thinking Initiative CTI» ins Leben gerufen. Die Initiative ist ein Schulterschluss aus öffentlichen Bildungsinstitutionen und der Wirtschaft und will einen Beitrag dazu leisten, dass «Computational Thinking»  in Zukunft an allen Schulen im obligatorischen Unterricht – zugänglich für alle – vermittelt werden kann.

Wir starten unter anderem mit der Entwicklung von Weiterbildungen für Lehrpersonen und sogar auch mit ganz konkreten Projekten an Primarschulen. Die gewonnenen Erfahrungswerte wollen wir mit allen interessierten Akteuren im Bildungswesen teilen.

Mehr Infos und das Programm zum Digitaltag Schweiz am 25. Oktober 2018: www.digitaltag.swiss

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