An der Bildung sparen – das kann teuer werden - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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An der Bildung sparen – das kann teuer werden

Lesedauer: 3 Minuten

Durch den Sparkurs der Kantone sind dem Bildungswesen in jüngster Vergangenheit 265 Millionen Franken entzogen worden. Bis 2018 sind mindestens weitere 535 Millionen Franken Einsparungen geplant. Das kann nicht gut gehen und ist vermutlich auch gar nicht notwendig. 

Es gibt nur eines, was auf Dauer teurer ist als Bildung – keine Bildung.» Dieses Zitat von John F. Kennedy lässt sich durch verschiedene gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Überlegungen erhärten. Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, 95 Prozent der Jugendlichen zu einem Abschluss der Sekundarstufe II zu führen. Gute Bildung für alle Kinder und Jugendlichen erhöht die Chancengerechtigkeit in einer Gesellschaft.

Kinder, die von klein auf ihren Neigungen und Möglichkeiten entsprechend gefördert werden, sind zufriedener und in der Schule erfolgreicher. Sie können ihre Kompetenzen und ihre Talente später bei ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Studium einbringen und ihr Wissen und ihre Fähigkeiten im gesamten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld gewinnbringend einsetzen.

«Die Bildungschancen reduzieren sich, speziell für Kinder und Jugendliche aus sozial und wirtschaftlich benachteiligten Schichten.»

Franziska Peterhans

Eine gute öffentliche Schulbildung ist damit auch die beste Absicherung gegen Arbeitslosigkeit und soziale Abhängigkeit, die einer Schülerin oder einem Schüler mitgegeben werden kann. Sparen auf Kosten der Kinder Was aber zurzeit in der Schweiz passiert, läuft diesen Zielen entgegen. Sämtliche Kantone kürzen die Bildungsausgaben massiv. Andere wollen die Eltern zur Kasse bitten, indem sie Gebühren und Kosten für diverse Leistungen erheben. Dies ist gesetzeswidrig, da im Volksschulgesetz der kostenlose Besuch der Volksschule festgeschrieben ist.

Drei konkrete Beispiele:

1. Der 13-jährige Silvan freut sich jeden Donnerstag auf das Fach Technisches Gestalten. Die Arbeit an der Hobelbank mit Feile und Säge motiviert ihn. Er kommt mit dem Bau seines Vogelhäuschens rasch vorwärts mit. Nun soll die Klasse mit 15 Schülerinnen und Schülern zusammengelegt werden, da nur noch Klassen mit mindestens 17 Jugendlichen in zwei Abteilungen unterrichtet werden dürfen. Im Werkraum stehen aber nur 10 Werkbänke und 10 Werkzeugsets zur Verfügung. Dass es zu Staus und Wartezeiten kommt, ist voraussehbar. Die Kinder langweilen sich, profitieren weniger, die Unfallgefahr steigt, der Lärmpegel ebenfalls.

2. Die Kinder der 5. Klassen durften traditionell an einem Sommerlager teilnehmen. Dieses stand jeweils unter einem bestimmten Thema aus dem naturwissenschaftlichen oder dem kulturellen Bereich. Das Lager war bis anhin für Sie als Eltern beinahe kostenlos. Nun gibt es dafür kein oder zumindest viel weniger Geld von der Gemeinde und vom Kanton. Die Lehrerin Ihres Kindes teilt Ihnen mit, dass das Lager nicht mehr durchgeführt werden könne oder dass ein deutlich höherer Elternbeitrag geleistet werden müsse. Dies ist jedoch vielen Eltern nicht möglich. Den Kindern gehen mit dem Wegfall der Lager wertvolle soziale Lernerlebnisse und wichtige Erfahrungen beispielsweise beim Organisieren eines solchen Lagers verloren.

3. Familie Hamidi kam vor einem Jahr als Asylsuchende in den Kanton Thurgau. Die siebenjährige Aysha besuchte den Kindergarten und seit August die 1. Klasse. Sie erhält regelmässig Deutschzusatzunterricht DAZ. Noch kann sie aber dem Unterricht nur mit Mühe folgen. Nun wurde den Eltern eröffnet, sie hätten sich zu wenig bemüht, dass ihre Kinder die deutsche Sprache lernen. Deshalb müssten sie sich an den Kosten des Deutschzusatzunterrichts beteiligen.

Integration der Schwachen leidet

Wenn Klassen zusammengelegt und Klassengrössen erhöht werden, wenn Halbklassenunterricht abgebaut wird, wenn Unterstützungsangebote gekürzt oder kostenpflichtig werden, wenn Freifächer abgebaut oder der Deutschzusatzunterricht für Fremdsprachige gestrichen wird, bleibt für die individuelle Förderung und die Integration von Kindern mit speziellen Bedürfnissen oder Migrationshintergrund weniger Zeit. Die Bildungschancen reduzieren sich, speziell für Kinder und Jugendliche aus sozial und wirtschaftlich benachteiligten Schichten.

Nach Erhebungen des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH beläuft sich der bereits beschlossene Abbau von Bildungsressourcen in den Jahren 2013 bis 2015 auf mindestens 265 Millionen Franken. Zwischen 2016 und 2018 planen die Kantone weitere 535 Millionen Franken an der Bildung einzusparen. Zusammen mit den Massnahmen der Gemeinden ergibt das einen Abbau an der Bildung von rund einer Millliarde Franken. Die grössten Abstriche betreffen die Anstellungsbedingungen der Lehrpersonen.

«Weniger Geld heisst auch
weniger Zeit für die Förderung
jedes Einzelnen.»

Franziska Peterhans

An zweiter Stelle folgen die Unterrichtsbedingungen. Der LCH warnt vor einem solchen Kahlschlag: Sparmassnahmen in der Bildung sind in Wirklichkeit Abbaumassnahmen zu Lasten der Lernenden und Lehrenden. Sie gefährden die Qualität des Schweizer Bildungswesens. Die Zeche bezahlen später die Sozial- und Justizdepartemente, also die Gesellschaft, was ganz einfach eine Verlagerung der Kosten bedeutet. Von den Kürzungen konkret betroffen sind auch Lehrerinnen und Lehrer und als Folge davon die Schülerinnen und Schüler. Klassengrössen und Pflichtpensen werden erhöht. Weiterbildung wird reduziert oder ganz gestrichen. Lehrpersonen müssen Lohnkürzungen in Kauf nehmen. Diese Verschlechterungen tragen zur Erhöhung der Belastungen einer bereits stark geforderten Berufsgruppe bei. Und sie wirken sich negativ auf die Rekrutierung, Motivation und schliesslich auch auf die Gesundheit der Lehrpersonen aus.

Notwendig oder ein Taktierspiel?

Sind diese Kürzungen der Kantone im Bildungsbereich überhaupt nötig? Der LCH bezweifelt dies, denn wie aus Ausführungen des Chefökonomen des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Daniel Lampart, hervorgeht, schätzen viele Kantonsregierungen die finanzielle Lage systematisch schlechter ein, als sie tatsächlich ist. Sie stellen die Staatsschulden zu hoch und das Vermögen zu tief dar. Es ist schwer nachvollziehbar, dass die in den vergangenen Jahren erfolgten Steuersenkungen und -erleichterungen für Unternehmen und vermögende Privatpersonen nun mit Abbau in der Bildung aufgefangen werden sollen.

Zur Autorin
Franziska Peterhans ist Zentralsekretärin des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH. Sie lebt in Baden und ist Mutter dreier erwachsener Kinder.