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30. November 2020
«Hilfe, in der Klasse unseres Sohnes wird viel gestritten!»

Annette, 35, Zug
Lesedauer: 1 Minuten
Eine Frage – drei Meinungen
In der 6. Klasse unseres Sohnes wird viel gestritten. Als Antwort darauf mussten die Kinder einen Fragebogen ausfüllen: Wer hat das Sagen in der Klasse? Wer streitet mit wem worüber? Wer wird ausgegrenzt? Die Antworten wurden ausgewertet und von der gesamten Lehrerschaft der Klasse präsentiert. Unser Sohn fühlte sich eher unwohl dabei. Was halten Sie von diesem Vorgehen?
Das sagt unser Expertenteam dazu:
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Stefanie Rietzler
Das Thema Klassenklima aktiv anzugehen, ist wichtig. Ein Soziogramm, bei dem die Beziehungen innerhalb einer Gruppe sichtbar werden, kann der Lehrperson bei der Planung einer Intervention helfen. Aber: Einzelne Kinder, die beispielsweise ausgegrenzt werden, durch eine Präsentation «der Ergebnisse» so vorzuführen und zu beschämen, empfinde ich persönlich als schrecklich. Es ist auch eine denkbar schlechte Ausgangslage für Veränderungen: «Unbeliebte» Kinder sehen ihre Rolle in der Gruppe ebenso zementiert wie «dominante». Wichtiger wäre die Frage gewesen, was jede und jeder Einzelne im Alltag konkret tun kann, um das Klima zu verbessern. -
Peter Schneider
Ich fühle mich wie Ihr Sohn nicht ganz wohl dabei, auch wenn ich durchaus Verständnis für diese Massnahme habe. Eine derart zerstrittene Klasse dürfte sowohl für die Schülerinnen und Schüler als auch für die Lehrerinnen und Lehrer sehr unangenehm sein. Aber ich sehe auch die Gefahr, dass die Fragebogen-Aktion zu einer Fortsetzung der Streitereien mit anderen Mitteln wird. Ausser, dass die Abrechnungen untereinander nun ganz offiziell «legitimiert» sind. Ich kann nur hoffen, dass der Lehrerschaft dieses Problem bewusst ist und zum Beispiel die Benennung von Ausgrenzungen nicht zur Quelle neuer Ausgrenzungen wird. -
Nicole Althaus
Ich kenne den Unruhegrad in der Klasse nicht und kann von aussen das Vorgehen nicht beurteilen. Sicher versucht die Schulleitung, mit und in der Klasse einen Bewusstseinsprozess einzuleiten, wer was zum schlechten Klima beiträgt. Die eigentliche Frage aber ist: Warum fühlt sich Ihr Sohn dabei so unwohl? Gehört er zu den Tonangebern oder wird er ausgegrenzt? Letztlich geht es darum, Ihren Sohn dabei zu unterstützen, seine eigene Rolle zu erkennen und zu reflektieren. Muss ich an meinem Verhalten etwas ändern? Und wie kann ich das tun?
Unser Expertenteam:
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