Schuldgefühle: Unser Thema im Dezember - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Schuldgefühle: Unser Thema im Dezember

Lesedauer: 1 Minuten

Chefredaktor Nik Niethammer erzählt im Gespräch mit Florina Schwander via Zoom, was ihn beim Lesen des Dossiers Schuldgefühle am meisten bewegt hat. 
Liebe Leserin, lieber Leser

Bei unserer ersten Begegnung vor fünf Jahren wirkte Remo Largo bedrückt. Es ging ihm gesundheitlich nicht gut. Er haderte damit, dass seine vielen Appelle und Mahnungen wenig erhört würden. Er sagte, er verspüre kaum Willen zur Veränderung, vor allem in den Schulen. 2019 erlebte ich den Kinderarzt und Bestsellerautor («Babyjahre», «Kinderjahre») an einer gemeinsamen Veranstaltung im Kulturpark Zürich wieder sehr kämpferisch. Er redete uns Eltern ins Gewissen, mahnte und ermutigte zwei Stunden lang und begeisterte das Publikum mit seiner rhetorisch brillanten, humorvollen Art.

Remo Largo war diesem Magazin seit seiner Gründung vor 19 Jahren eng verbunden: «Wir haben sehr grossen Handlungsbedarf, damit die Schweiz familien- und kindgerechter wird. Es braucht Kräfte wie die Stiftung Elternsein und den Elternratgeber Fritz+Fränzi, um die Familien nachhaltig zu unterstützen. Fritz+Fränzi ist eine der ganz wenigen Elternzeitschriften im deutschen Sprachraum, die Kinder und Eltern ernst nimmt.»

Remo Largo ist kurz vor seinem 77. Geburtstag gestorben. Eine wichtige Stimme ist verstummt. Im Namen vieler Eltern sage ich Danke, lieber Remo Largo. Sie haben Druck von uns genommen. Und uns zu einem leichteren Umgang mit unseren Kindern ermuntert. In einem persönlichen Nachruf nehmen Oskar Jenni und Bea Latal, Remo Largos Nachfolger als Leiter der Entwicklungspädiatrie am Kinderspital Zürich, Abschied von ihrem Freund und Vorbild.

«Nur durch selbstbestimmte Erfahrungen entwickelt sich ein Kind zu einem Menschen mit einer guten Selbstwirksamkeit.»

Remo Largo (1943 – 2020), Schweizer Kinderarzt
und Buchautor. Seine wichtigsten Aussagen haben wir für Sie als Hommage an einen wunderbaren Menschen zusammengefasst.

Wie entstehen Schuldgefühle? Wann sind sie berechtigt? Und wann sozial gelernt? «In keiner anderen Beziehung wird so viel Liebe und Hingabe verlangt wie in der Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern», schreibt unsere Autorin Jana Avanzini. «Wir sorgen, trösten, fördern und stellen uns doch immer wieder die Frage: Tun wir genug? Und vor allem: Tun wir das Richtige?» Bevor Sie unser Dossier zum Thema Schuldgefühle lesen, erinnere ich Sie gerne an den Satz meines ­Lieblings-Erklärbärs, Familientherapeut Jesper Juul: «Auch gute Eltern machen 20 Fehler am Tag.» Ist das nicht beruhigend?

Verspüren Sie in diesem Irrsinnsjahr auch manchmal den Wunsch, laut zu schreien? Die ­endlose Pandemie. Die Familie im Dauerstresstest. Die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit unserer Kinder, ihr Wohlbefinden, auf Bildung und Gesundheit. So viele Sorgen, so viele Fragen. Auf die Jan Kalbitzer, deutscher Facharzt für Stressmedizin, im «Spiegel» eine tröstliche Antwort gibt. «Zweifelsohne brauchen Kinder einen besonderen Schutz. Vor allem aber sind sie unfassbar zäh und anpassungsfähig, gerade dann, wenn die für sie wichtigen Menschen ihnen eine stabile Beziehung und das nötige Urvertrauen vermitteln.»

Versuchen Sie also, Ihrem Kind in diesen Zeiten eine besonders verlässliche, vertrauensvolle Bezugsperson zu sein. Nehmen Sie seine Gefühle ernst. Und lassen Sie es nicht allein. 

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein leichtes Herz. Unaufgeregte Tage mit Ihren Lieben. Licht am Horizont. Bleiben Sie munter. Und vor allem: Bleiben Sie hoffnungsfroh.

Herzlichst,
Ihr Nik Niethammer