Leben mit dem Virus

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Wie geht man als Eltern mit der Corona-Krise um? Unsere Kolumnistin, Michèle Binswanger, klärt auf.
Oh ja, wir leben in ungewöhnlichen Zeiten. Wer würde das ernsthaft bestreiten? Auch wenn ich mich manchmal frage, ob es irgendwann eine Generation gab, die nicht so dachte. Was haben Menschen während der Französischen Revolution gedacht? Oder während der Kriege im zwanzigsten Jahrhundert? Selbst in Zeiten von Frieden und Wohlstand lebten die Menschen in Furcht. Etwa während des Kalten Kriegs, als man den Kindern in der Schule beibrachte, wie sie sich im Fall eines atomaren Erstschlags zu verhalten hätten: «duck and cover», suche Schutz unter deinem Schulpult, lautete das Motto gegen die drohende Apokalypse. Wenn das nicht eine Metapher auf die Unzulänglichkeit des Menschen angesichts seiner Sterblichkeit ist.
Unsere Eltern liessen uns mit der gebotenen Diskretion an ihrem Beruf teilhaben, diskutierten vor uns Fälle und gaben Antwort, wenn wir nachfragten. Jede Krankheit, so begriff ich, kreiert ihr eigenes Drama. Und ich bewunderte meine Eltern dafür, wie sie damit umgingen: überlegt, einfühlsam und mit der Zuversicht, durch rationale Intervention helfen zu können.
Das war ganz grundsätzlich ihr Rezept gegen Dramen jeglicher Art – auch was uns vier Töchter anbelangte, die wir während unserer Teenagerjahre einiges davon produzierten.
Nicht nur vor dem Virus müssen wir uns hüten, sondern auch vor Falschinformationen.
Ich informierte sie, dass man die Sache ernst nehmen soll, aber nicht in Panik geraten muss. Dass es bei jüngeren Menschen eher mildere Verläufe gibt und wir aber gegenüber allen Mitmenschen eine Verantwortung haben. Dass ein paar simple Verhaltensregeln helfen, zum Beispiel Händewaschen. Und zeigte ihnen, wie das richtig geht. Wie Vater, der sich am kleinen Waschbecken im Gang immer als Erstes die Hände gründlich einseifte und sie wusch, bevor er uns Töchter in die Arme schloss.
Daran denke ich in der Nacht, wenn die Gefahren für meine Familie und meine Liebsten mich wach halten. An seine nüchterne ärztliche Ruhe und das Mitgefühl, das er Menschen entgegenbrachte. Und das scheint mir die beste Medizin, um mit der Corona-Bedrohung fertig zu werden.
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