Episches Staubsaugergefecht
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Episches Staubsaugergefecht

Lesedauer: 2 Minuten

Wie unsere Kolumnistin Michèle Binswanger im Zimmer ihres Sohnes eine Putzattacke erlitt.

Text: Michèle Binswanger
Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren

Auch früher schon schätzte der Sohn es wenig, wenn ich mit Staubsauger und Putzlappen anrückte – nicht nur wegen des Lärms, sondern auch wegen der damit verknüpften Aufforderung, den Saustall aufzuräumen. Eine Aufgabe, die er erst nach ausgefeilten Wortgefechten in Angriff nahm, immer neue Ausflüchte erfindend, warum das gerade jetzt eine besonders schlechte Idee sei, später aber nachgeholt werden könne. 

Aber das gehört der Vergangenheit an. Jüngst verkündete der zum Jüngling herangewachsene Sohn, er werde sein Zimmer von nun an selber putzen. Zunächst war ich misstrauisch. Die Strategie liegt auf der Hand: das Zimmer zum eigenen Hoheitsgebiet erklären, um es dann nach Lust und Laune vergammeln zu lassen.

Ich packte den Staubsauger wie ein Schwert und meine emsige Hausfrauennatur ging mit mir durch.

Aber er sagte «Easy Mann» und bewies mir das Gegenteil: Für einige Wochen räumte er schneller und gründlicher auf als jeder andere. Auch den Schrank. Und die Schuhe. Also liess ich mich auf den Deal ein und überliess ihm vertrauensvoll die Hoheit.

Doch so stark er angefangen hatte, so stark liess er nach. Ich ahnte Böses, hütete mich aber, das Zimmer genauer zu inspizieren. Obschon er sich in der Testphase als prima Aufräumer erwiesen hatte, schien er jetzt eher wie ich als Teenager: Es gelang mir, sogar während des Aufräumens neues ­Chaos zu produzieren. Erst viel später entdeckte ich die zen-artige Wirkung, die Putzen auf mich hat, weshalb ich heute eine emsige Hausfrau bin.

Wie ein Hurrikan durchs Teenagerzimmer

Eines Tages kroch ich an meinem Putztag mit dem Staubsauger auf dem Wohnzimmerboden herum, da hörte ich einen leisen Ruf aus dem Zimmer. Kein echter Ruf, eher ein Sirenengesang, ein Locken. Der Sohn war beim Vater, hatte zwar wieder einmal versprochen, am Sonntag noch aufzuräumen, aber ob er das auch tun würde?

Ich packte meinen Staubsauger und schritt auf das Zimmer zu, mit dem vagen Vorsatz, nur schnell zu gucken. Ich wollte mich zurückhalten, seine Privatsphäre nicht verletzen. Mit dem Fuss stiess ich die Türe auf, doch der Anblick, der sich mir bot, liess meinen Vorsatz schnell vergessen. Ich packte den Staubsauger wie ein Schwert und meine emsige Hausfrauennatur ging mit mir durch. Ich war nicht mehr zu bremsen.

Auf Einzelheiten kann ich diskretionshalber nicht eingehen. Nur so viel: Ich fegte wie ein mit Putzlappen und Holzpolitur bewehrter Hurrikan durch, klopfte hustend Matratzen auf, es war ein episches Staubsaugergefecht. Am Ende liess ich mich erschöpft in eine Ecke fallen, unsicher, ob ich das Richtige getan hatte. Ich rief den Sohn an und sagte, dass ich sein Zimmer geputzt habe, weil die vorgefundenen Zustände meiner Hausfrauennatur zu sehr zugesetzt hätten. Er antwortete, wie ein pubertierender männlicher Teenager heute antwortet: «Easy Mann.» Und ich beschloss, es easy zu nehmen.

Michèle Binswanger
Die studierte Philosophin ist Journalistin und Buchautorin. Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen, ist Mutter zweier Kinder und lebt in Basel.

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