Lasst die Kinder an die Waffen!
«Paff, bäng – du bist tot!»Bei den Kindern unseres Bloggers Christian J. Käser sind Waffen hoch im Kurs. Nicht ganz einfach für den friedliebenden Papa.
Wir Männer sind fasziniert von Gewalt. Wir sind fasziniert vom Töten.
Mit roher Gewalt konfrontiert sind dann aber nur wenige von uns. Wir führen selber keine Kriege und auch die Wirtshausschlägereien sind kein gesellschaftliches Phänomen mehr.
Und trotzdem: Viele von uns Männern sind gewalttätig. Gemäss einer von der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) 2019 veröffentlichten Statistik aus Deutschland wird umgerechnet alle 45 Minuten eine Frau durch ihren Partner verletzt oder angegriffen. In der Schweiz liegt der Anteil von gewaltbetroffenen Frauen bei knapp 80 Prozent gemäss des eidgenössischen Büros für Gleichstellung von Frau und Mann (EBG).
Diese Tatsache können wir leider nicht mit einem lustigen Witz aus der Welt schaffen. Obwohl das immer noch viele Kommentarschreiber auf den sozialen Medien versuchen.
Was tun als Eltern?
Wenn meine Jungs wieder einmal aufeinander losgehen, ertappe ich mich oft mit dem Satz: «Das machemer nöd bi üs». Doch warum sage ich das?
Schliesslich habe ich in der Primarschule in Herisau auch versucht, Ivo Frischknecht auf dem Pausenplatz zu verprügeln. Die anderen waren ganz einfach nicht in meiner Gewichtsklasse.
In unserer Erziehung widerspiegelt sich oft dieses Bedürfnis, Gewalt komplett aus unserer Gesellschaft auslöschen zu können. Das führt dazu, dass den Kindern erst die Spielzeugwaffen, dann die Filme mit Gewaltdarstellungen und später die Konsolen weggenommen werden in der Hoffnung, dass der Entzug von fiktiver Gewalt auch zu einer Distanz zu echter physischer Gewalt führen könnte.
Oder aber man gibt ihnen die Spielzeugwaffen und sagt: «Du darfst aber damit nicht auf Menschen zielen.» Das Kind denkt selbstverständlich: Was bitte sollte mir eine Spielzeugwaffe bringen, wenn ich damit nicht auf Menschen zielen kann?
Als mein Sohn letzthin gehört hat, dass im Quartier Velos geklaut wurden, hat er mit einem Kumpel beschlossen, den Velodieb in die Luft zu sprengen. Wenn Sie jetzt meine Adresse und die Nummer der KESB gegoogelt haben, dann würde ich Ihnen anraten, die Fiktion von der Realität zu unterscheiden. Genau diese Kompetenz sollten wir unseren Kindern beibringen. Sie sollen schiessen, sie sollen sprengen, sie sollen den «Bösen» an den Kragen. Das tun sie in ihrer Fantasiewelt und nicht in der Realität.
«Das solltest du nicht machen», regelt leider das Problem nicht, schliesslich bringt schon Kasperli den Velodieb ins Chefi. Aber wie genau? Mit einer schlauen List und der sicheren Übergabe an die Polizei. Und darüber sollten wir mit unseren Kindern reden und sie fragen, ob eine Explosion wirklich der richtige Weg sei oder was es für Alternativen gäbe. Ich versuche, mit meinen Kindern abzutauchen in diese fiktive Welt, wo man alles verlieren und alles gewinnen kann.
Und wenn sich die Jungs dann doch prügeln? Buben, die sich prügeln, brauchen keine Therapie, sie brauchen genügend Platz, um sich auszutoben. Und sie brauchen ein Bewusstsein dafür, dass wir Männer nicht nur Defizite haben, sondern auch ganz viele Ressourcen. Wir können zuhören, wir können Gefühle zeigen und wir können darüber reden. Diese Fähigkeiten müssen wir in unseren Jungs stärken. Wer diese Attribute als spezifisch weiblich bezeichnet, tappt genauso in die Gender-Falle, wie mit der Behauptung, Mädchen könnten nicht Fussball spielen. Meine Jungs sollen erfahren, dass es sehr befriedigend sein kann, wenn man einem Gegenüber zuhört: Dass es befreiend ist, auch mal zu weinen, oder dass verlieren zum Leben gehört und als Teil eines Spiels zu verstehen ist. So mussten sie auch einsehen, dass der Velodieb in der Realität nicht zu fangen war. Das Leben bringt halt oft kein Happy End.
Und in Coronazeiten?
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