«Die wichtigen Dinge habe ich im Kindergarten gelernt!»
Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Ich stehe an einem Punkt im Leben, an dem ich Fehler noch immer dreimal mache, an dem ich aber auch sagen kann, dass ich manches gelernt habe. Zum Beispiel, dass es klüger ist, zu fragen, als zu antworten. Oder dass die meisten Dinge vorübergehen – vor allem jene, von denen man es nicht denkt.
Sobald man mit einer Tätigkeit fertig war, musste man zu Frau Wolff gehen und fragen: «Wie kann ich helfen?» Nicht «Was soll ich jetzt machen?» – als wären wir Teilnehmer einer Beschäftigungstherapie, und auch nicht «Soll ich Ihnen helfen?» – als wäre sie eine Bedürftige, zu durcheinander, sich selber die Schuhe zu binden. Nein, die Frage sollte lauten: «Wie kann ich helfen?».
«Wie kann ich helfen?» Nicht «Was soll ich jetzt machen?»
«Soll ich dir helfen?» hat etwas Ungeduldig-Paternales, oft Helfersyndromhaftes und handelt meist mehr von dir als von der Person, der geholfen wird. «Wie kann ich helfen?» hingegen zeigt, dass du anerkennst: Nicht du, sondern das Gegenüber kennt sich in seinem Leben am besten aus.
Wir halfen einander, ohne dies zu hinterfragen
Kaum eingeschult, tauschte ich die Hilfsbereitschaft gegen ein sozialdarwinistisches Gebaren, das mich perfekt auf die neoliberale Wirklichkeit vorbereitete, aber aus mir auch ein ziemliches Arschloch machte. Und doch wusste ich die ganze Zeit, dass es auch anders geht, dass dieser kleine Satz noch immer gilt. Ich weiss nicht, was Frau Wolff heute macht. Ob sie noch lebt, ob ihr jemand hilft, ob sie sich überhaupt an das kleine Experiment erinnert. Ich weiss nur, dass ich eine der wichtigsten Lektionen im Kindergarten gelernt habe. Und ihr dafür gerne danken würde.
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