«Die Ängste haben sich in Toms Kopf abgespielt»
Melanie*, 47, und ihr Mann leben mit Sohn Tom*, 13, und seinem Geschwister im Kanton Schaffhausen. Tom wollte nicht mehr zur Schule – aus Angst, gehänselt zu werden. Ein Time-out hat ihm geholfen.
Melanie: «Tom war von klein auf am liebsten in meiner Nähe. Schon im Kindergarten war er ein sehr zurückhaltendes, ängstliches Kind. Im Jahr 2017 ist mein Mann dann schwer erkrankt und seitdem bettlägerig. Tom machte sich anfangs grosse Sorgen, dass sein Papa deswegen sterben könnte. Die Krankheit verunsichert ihn bis heute. Trotzdem ist er gut in die Schule gestartet. Er kam zusammen mit seinem besten Freund in eine Klasse, das hat ihm die nötige Sicherheit gegeben. Sich auf neue Dinge einlassen, sich sozial öffnen, damit hatte er schon immer zu kämpfen. Weil er motorisch nicht so weit entwickelt war wie die anderen, fiel ihm vor allem der Sportunterricht schwer, da wurde er dann auch gehänselt. Alle anderen Jungs spielten in der Pause Fussball, nur er nicht.
Als Anfang der vierten Klasse Toms bester Freund nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, brach für ihn die Welt zusammen.
Melanie, Toms Mutter
So wurde er langsam zum Aussenseiter. Als Anfang der vierten Klasse sein bester Freund nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, weil die anderen Kinder sagten, dass er, Tom, komisch sei, brach für ihn die Welt zusammen. In dieser Zeit begann Tom morgens zu weinen und zu zittern, wenn er zur Schule gehen sollte. Manchmal haben wir es zusammen bis vor das Schulgebäude geschafft, aber dann ist er dort zusammengebrochen und konnte nicht hineingehen. Kaum waren wir zu Hause, hat er sich wohl und sicher gefühlt und seine Schulaufgaben gemacht.
Er hatte plötzlich grosse Angst davor, dass seine Mitschüler ihn nun noch mehr ärgern oder sogar übergriffig werden könnten. Ich war in den Pausen nicht dabei, aber ich denke, das meiste von diesen Ängsten hat sich nur in seinem Kopf abgespielt. Von Gewalt haben die Lehrer nie etwas berichtet.
Dank dem Time-out fand Tom wieder Freude an der Schule
Er kam dann ein halbes Jahr in das Time-out-Angebot hier in Schaffhausen, und diese Zeit hat ihm wahnsinnig gutgetan. Er hat wieder Vertrauen gefasst, die Freude an der Schule wiedergewonnen und ist beim Klettern oder im Wald auch mal über seine Grenze hinausgegangen. Jetzt ist er in einer Sonderschule, weil ihn die vielen Mitschüler in der Regelschule überfordern. Es ist noch immer nicht so, dass er morgens aufsteht und begeistert aus dem Haus rennt. Man muss ihm gut zusprechen, dann geht er gern. Er hat auch nach wie vor Angst, dass andere Kinder ihn wieder ärgern könnten. Aber er hat gelernt, damit umzugehen, und wird auch noch regelmässig psychologisch betreut.»
Tom: «Über meine Grundschulzeit und meinen ehemals besten Freund möchte ich nicht sprechen, da sitzt der Schmerz einfach zu tief. Gern erinnere ich mich an die Monate im Time-out-Angebot. Dort habe ich wieder einen Freund gefunden und durfte einmal die Woche morgens mit dem Therapiehund spazieren gehen. Auch die Trekkings in den Wald waren super. Ich hatte dort eine persönliche Betreuerin, die immer sehr fröhlich war und mich gestärkt hat.»
* Namen von der Redaktion geändert