03. Mai 2015
Keine Angst vor Zecken
Text: Susanna Steimer Müller
Lesedauer: 4 Minuten
Die kleinen Blutsauger können verschiedene Krankheitserreger übertragen. Das sorgt viele Eltern. Dabei können diese ihre Kinder schützen, wenn sie einige wichtige Punkte beachten.
Zecken, auch Holzböcke genannt, halten sich bevorzugt im Unterholz, an Waldrändern oder -wegen mit Sträuchern und Gras sowie in Hecken und hohen Wiesen auf. Sie sitzen auf niedrig wachsenden Pflanzen (bis maximal 80 Zentimeter) und warten auf einen Wirt, der sie abstreift. Damit sich Zecken entwickeln können, benötigen sie drei Blutmahlzeiten in ihrem Leben. Zecken beissen nicht, sie durchbohren mit ihrem Rüssel die Haut von Tier oder Mensch und saugen sich während mehrerer Tage voll, bis sie kugelrund sind und sich zu Boden fallen lassen. Da die Zecke dabei eine betäubende Substanz ausschüttet, bleibt der Vorgang schmerzfrei und damit meist unbemerkt.
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Wetter spielt eine Rolle
In den letzten 20 Jahren hat sich der Lebensraum von Zecken in der Schweiz vergrössert. Professor Jürg Grunder, Leiter der Forschungsstelle Phytomedizin an der ZHAW Wädenswil und Entwickler der neuen App «Zecke», erklärt: «Während Zecken früher im Mittelland bis etwa 900 Meter über Meer vorkamen, findet man sie heute auch in höheren Regionen bis etwa 1700 Meter über Meer.» Dafür verantwortlich ist die Klimaerwärmung. Weil die Bevölkerung heute mehr für Zeckenstiche sensibilisiert ist, kommt es häufiger zu Arztbesuchen. Auch die Möglichkeiten, die von Zecken übertragenen Erreger im Blut nachzuweisen, haben sich verbessert. Ob Zecken zu einem Problem für den Menschen werden, hängt laut Jürg Grunder in erster Linie vom Wetter in den wärmeren Monaten ab: «Ist es häufig schön und angenehm warm, halten sich mehr Leute im Freien auf und exponieren sich somit den Zecken. Ist es eher trüb und regnerisch, bleiben die Leute bevorzugt zu Hause. Dann, wenn viele Leute draussen unterwegs sind, werden auch am meisten Zeckenstiche registriert.»
Zecken können ein Virus oder ein Bakterium übertragen – mit gravierenden Folgen.
Kleiner Stich – potenziell hoher Schaden
Zecken sind deshalb so gefürchtet, weil ein Teil von ihnen ein Bakterium (verantwortlich für die Lyme-Borreliose) oder ein Virus (verantwortlich für die Frühsommer-Meningoenzephalitis FSME) auf den Wirt übertragen kann – in beiden Fällen sind gravierende Folgen möglich. In den letzten Jahren erkrankten in der Schweiz durchschnittlich zwischen 110 und 250 Menschen an FSME. In der ersten Phase, etwa 7 bis 14 Tage nach dem Zeckenstich, können grippeartige Beschwerden (Kopfschmerzen, Fieber, Müdigkeit, Gliederschmerzen) auftreten. Bei 5 bis 15 Prozent der Betroffenen wird in der zweiten Phase das zentrale Nervensystem befallen. Es kommt zur Hirnhaut- oder Hirnentzündung. Diese Krankheit kann bei 20 bis 30 Prozent der Patienten zu Lähmungen und anderen Behinderungen (etwa geistiger Behinderung) führen. Todesfälle sind aber äusserst selten.
Massnahmen zum Schutz vor Lyme-Borreliose
Im Gegensatz zur Frühsommer-Meningoenzephalitis gibt es bis heute keine Impfung gegen Lyme-Borreliose. 2014 suchten rund 20 000 Menschen in der Schweiz wegen Zeckenstichen einen Arzt auf. Rund 100 Personen waren vom Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus infiziert und etwa 9000 Personen von dem für die Lyme-Borreliose verantwortlichen Bakterium Borrelia burgdorferi. Wenn die Lyme-Borreliose rechtzeitig erkannt wird, kann sie mit Antibiotika behandelt werden. Das erste Krankheitszeichen ist oft eine örtliche Hautentzündung, die man auch als Wanderröte bezeichnet. Dr. Norbert Satz, Spezialist für Zeckenerkrankungen, erklärt: «Die Rötung vergrössert sich zentral um die Einstichstelle.» Oft kommen grippeartige Symptome dazu. In der zweiten Phase können Gelenke, das Nervensystem, die Haut, die Muskeln und in seltenen Fällen das Herz in Mitleidenschaft gezogen werden. Wird die Krankheit auch dann nicht erkannt und nicht mit Antibiotika behandelt, sind chronische Schädigungen möglich.
Ansteckung mit FSME
Zecken, die FSME auslösen, kommen in gewissen Regionen der Schweiz vor, vor allem in der Deutschschweiz. Zecken, die mit dem für die Lyme-Borreliose verantwortlichen Bakterium befallen sind, sind in allen Wäldern der Schweiz anzutreffen. «Im Schnitt ist jede dritte Zecke befallen. Die regionalen Unterschiede sind jedoch gross», sagt Norbert Satz. Er empfiehlt Eltern, nach einem Aufenthalt im Wald den Körper ihrer Kinder auf kleine weissliche bis hautfarbene Zecken im Nymphenstadium abzusuchen, die nur 0,5 bis 1 Millimeter gross sind, und die Kleidung zu kontrollieren. Wirkungsvoll sei auch das Abrubbeln der Haut nach dem Duschen. Zecken bevorzugen warme, feuchte und dünne Hautpartien: Kniekehlen, Innenseite der Oberschenkel, Leisten, Hals, Nacken und Achseln. Bei Kindern können sich die Tierchen auch in den Haaren verstecken.
Wichtig ist die rasche Entfernung der Zecke, die man notfalls auch einfach mit den Fingernägeln wegkratzen kann.
Rasche Entfernung ist zentral
Zecken entfernt man am besten ohne Vorbehandlung mit einer spitz zulaufenden Pinzette durch Fassen direkt über der Haut und kontinuierlichen Zug gerade nach oben, ohne zu drehen. Wichtig ist die möglichst rasche Entfernung. Norbert Satz dazu: «Mit jeder Minute, die die Zecke Blut saugt, werden mehr Erreger übertragen.» Was tun, wenn man nun im Wald eine Zecke auf der Haut entdeckt und keine Pinzette dabei hat? In diesem Fall rät der Fachmann, den Parasit mit spitzen Fingernägeln zu entfernen oder einfach wegzukratzen. Oft bleibt der Stechapparat in der Wunde zurück, was jedoch nicht gefährlich ist und höchstens zu einer harmlosen lokalen Hautreaktion führen kann. Entscheidend ist, dass der Körper entfernt wird – der Rüssel hingegen löst sich von selbst auf. Die Einstichstelle sollte desinfiziert und während einiger Tage beobachtet werden. Mit einem Stift kann man die Stelle markieren, damit man sie auch nach einiger Zeit noch findet. Zudem kann der Stich auch in der neuen Zecken-App registriert werden (siehe Textkasten unten). Das integrierte Zeckentagebuch informiert und erinnert zeitgerecht an die nötigen Kontrollen an der Stichstelle. Beim Auftreten von Symptomen ist ein Arztbesuch angezeigt.
Sinnvolle Prävention
Um sich vor Zecken zu schützen, die meist auf einer Höhe von 20 bis 30 Zentimetern ab Boden auf einen potenziellen Wirt warten, trägt man im Wald am besten lange Hosen, die man in die Socken steckt, und geschlossene Schuhe. Zeckensprays kann man als zusätzliche Massnahme applizieren. Allein angewendet wirken sie laut Norbert Satz jedoch ungenügend.
Die FSME-Impfung
Das Bundesamt für Gesundheit BAG empfiehlt die FSME-Impfung allen Erwachsenen und Kindern (im Allgemeinen ab 6 Jahren) in der ganzen Schweiz. Bei Kindern unter 6 Jahren ist eine Impfung im Allgemeinen nicht angezeigt, da schwere Erkrankungen in dieser Altersgruppe selten sind. Für einen optimalen Impfschutz sind drei Injektionen notwendig. Alle 10 Jahre ist eine Auffrischimpfung angezeigt. Die FSME-Impfung schützt nicht vor der Lyme-Borreliose.
Susanna Steimer Miller
ist Chefredaktorin von «Baby&Kleinkind» und schreibt als freie Journalistin über Kinder, Gesundheit, Ernährung, Haustiere.
ist Chefredaktorin von «Baby&Kleinkind» und schreibt als freie Journalistin über Kinder, Gesundheit, Ernährung, Haustiere.