Früher oder später findet jedes Kind einen Freund

Der Kindergarten ist ein wichtiger Ort für Kinder, um Freundschaften zu schliessen. Doch wie geht das genau? Und was können Eltern tun, wenn ihr Kind dabei Mühe hat? Maria von Salisch, Professorin für Entwicklungspsychologie, über das Anfreunden und den Einfluss von Freunden auf die Persönlichkeitsentwicklung.
Frau von Salisch, gute Ideen und Humor, ist das ein gängiges Rezept für Freundschaften im Kindergartenalter?
Unbedingt! Mehr braucht es nicht. Mit ungefähr drei bis vier Jahren fangen Kinder an, Freundschaften zu schliessen. Diese sind meist zweckorientiert und aktivitätsbasiert – sie fussen auf gemeinsamen Interessen. Lustige Vorschläge zum Spielen reichen für Greta und Tim sowie die meisten Kinder in dem Alter.

Wie genau finden Kinder Freunde?
Und wenn das andere «Nein» sagt?
Dann probiert es das Kind am nächsten Tag noch einmal. Und am übernächsten. Kinder sind unglaublich hartnäckig, wenn es darum geht, etwas zu erreichen. Freunde zu finden, für sich einzunehmen und dann auch zu behalten, ist eine der grössten eigenständigen sozialen Leistungen eines Kindes.

Und doch gibt es Eltern, die sich sorgen, ihr Kind finde dereinst keine Freunde.
Da kann ich Sie beruhigen: 98 Prozent aller Kinder im Kindergartenalter finden Freunde. Das Hauptinteresse in diesem Alter liegt im Spiel, und das macht zusammen einfach mehr Spass. Alleine spielen, egal ob Rollenspiele, Verstecken oder Fussball, ist für die meisten Kinder in diesem Alter nicht verlockend.
Wie oft soll ein Kind seine Freunde und Freundinnen ausserhalb des Kindergartens treffen?
Nun hat das Kind einen Freund gefunden, den man selber gar nicht gut findet. Kann man Kindern ihre Freunde ausreden?
Ich plädiere hier für die Wahlfreiheit des Kindes. Irgendetwas findet es an dem anderen Kind spannend! Das sollten wir als Eltern erst einmal akzeptieren. Wir könnten herausfinden, was genau das Kind denn bei dem anderen so toll findet. Ist es die Barbie-Kollektion? Oder der grosse Bruder mit der Carrera-Bahn? Das Kind hat einen Freund gefunden und das sollten wir respektieren, solange niemand darunter leidet.
Wie war das bei Ihren Kindern?
Mit unseren Kindern haben wir es jeweils so gemacht, dass wir auf gar keinen Fall ein schlechtes Wort über einen bestimmten Freund verloren haben. Wir haben andersherum versucht, uns «genehmere» Freunde zu fördern. «Möchtest du nicht mal Emma mitnehmen ins Schwimmbad?», zum Beispiel. Das war meist effektiver als aktives «Entfreunden wollen». Wir wollten nicht den Selbstwert unserer Kinder schädigen, indem wir ihre Freundeswahl anzweifelten.
Können Eltern beeinflussen, mit wem sich das Kind anfreundet?
Welchen Einfluss haben Freunde auf die Persönlichkeitsentwicklung?
Freundschaften sind für die Sozialkompetenz unentbehrlich. Freunde stellen einander vor moralische Probleme – sie tun nicht immer das, was sie aus Sicht des anderen tun sollten. Sie halten eine Verabredung nicht ein oder treffen sich lieber mit einem anderen Kind. An den nachfolgen den Aushandlungen reifen Kinder.
Was, wenn Kinder sich streiten?
Mit Freunden spielen macht Spass, mit seinen Freunden streiten hingegen weniger. Auch die Konfliktfähigkeit will gelernt sein. Eltern wie Kindergartenlehrpersonen sollten erst einmal abwarten und beobachten, wenn Kinder sich streiten. Oftmals wird eine Lösung gefunden, auf die Erwachsene nicht gekommen wären, die für die beteiligten Kinder aber völlig in Ordnung ist.