Belohnungen – ein zweischneidiges Schwert
Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Während Belohnungsprogramme ein fester Bestandteil vieler Erziehungskurse sind, finden sich auch Stimmen, die jede Form von Belohnung verteufeln und diese sogar als moderne Form der Bestrafung sehen. Auch ich werde immer wieder gefragt, was ich von Belohnungen halte. Und rate zu einem sehr sorgsamen Umgang.
Wann Belohnungen sinnvoll sind
Zwei kleine Belohnungen sollten dem Mädchen zu Beginn das Lesen erleichtern. Die erste Belohnung bestand darin, dass sich die Eltern bereit erklärten, abwechselnd zu lesen. Nach ein paar Zeilen las ihm die Mutter oder der Vater den Rest der Seite vor. Es durfte sich zurücklehnen und die Geschichte geniessen. Diese Belohnung ist deswegen sinnvoll, weil sie in einem engen Zusammenhang mit der Tätigkeit steht und dem Kind verdeutlicht: Lesen gibt dir Zugang zu wunderbaren Geschichten.
Im Weiteren wurde darauf geachtet, dass die Leseübungen so gestaltet wurden, dass sie Spass machen. Mit zunehmender Lesefertigkeit war das Mädchen gewillt, grössere Abschnitte selbst zu lesen. Mit Beginn des neuen Schuljahrs wurde zudem der «Deal» umfunktioniert: Das Mädchen durfte auch während der Schulzeit 15 Minuten später das Licht löschen. Allerdings galt: Du musst bereits im Bett sein, darfst aber noch lesen.
In diesem Beispiel sehe ich Belohnungen als wertvolle Krücke. Das Lesen machte dem Mädchen aufgrund seiner Schwäche zunächst keine Freude. Es war anstrengend. Die Belohnungen erhöhten die Attraktivität des Lesens, bis die Fertigkeit so weit entwickelt war, dass das Lesen selbst Spass machte. Belohnungen können aber auch unerwünschte Nebenwirkungen haben.
Wann sind Belohnungen nicht angebracht?
Wenn ein Kind beispielsweise eine Sportart gerne ausübt, zunehmend besser wird und anfängt, Turniere zu gewinnen, kann die Belohnung in Form von Turniersiegen wichtiger werden als die Freude an der Bewegung. Solange die Erfolge da sind, stellen sie eine zusätzliche Motivation dar.
Bleiben sie plötzlich aus, kann es sein, dass das Kind nicht mehr die gleiche Begeisterung für den Sport empfindet wie zu Beginn. Das Problem tritt also auf, wenn eine zusätzliche Belohnung hinzugefügt wird, die ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder entzogen wird.
Wenn Belohnungen falsche Anreize setzen
Belohnungen können auch falsche Anreize setzen. Gut geführte KMU können oft auf die Loyalität ihrer Mitarbeiter zählen. Sie motivieren durch ein Gefühl der Zugehörigkeit und gemeinsame Ziele und Werte. Grosse Konzerne, die auf Profitmaximierung aus sind, versuchen ihre Mitarbeiter über Boni zu halten und anzuspornen. Das hat oft zur Folge, dass jeder nur noch an sich denkt – und für einen grösseren Bonus auch gerne zur direkten Konkurrenz wechselt.
«Was kriege ich dafür?»
Kinder benötigen Eltern und Lehrpersonen, die mit ihnen in Beziehung treten und sie führen – wenn wir diese Aufgabe an ein Belohnungssystem delegieren, schwächen wir unsere Rolle und die Beziehung zum Kind.
Tipps: Das Kind richtig belohnen
- Gehen Sie sorgsam und sparsam mit Belohnungen um.
- Achten Sie darauf, dass die Belohnung möglichst in einem Zusammenhang mit der Tätigkeit steht (wie beim Vorlesen).
- Machen Sie Ihrem Kind bewusst, dass die Belohnung nur über eine bestimmte Zeit hinweg für eine ganz spezifische Situation eingesetzt wird.
- Belohnen Sie Ihr Kind möglichst nicht zusätzlich für Dinge, die es sowieso gerne tut.
- Belohnen Sie Kinder nicht dafür, dass sie Ihnen etwas zuliebe tun – freuen Sie sich einfach darüber und bedanken Sie sich.
Fabian Grolimund ist Psychologe und Autor («Mit Kindern lernen»). In der Rubrik «Elterncoaching» beantwortet er Fragen aus dem Familienalltag. Der 37-Jährige ist verheiratet und Vater eines Sohnes, 4, und einer Tochter, 1. Er lebt mit seiner Familie in Freiburg.
www.mit-kindern-lernen.ch www.biber-blog.com
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