«Meinen Eltern ist mein Glück das Wichtigste»

Bild: Joël Hunn
Ich erzähle
Julia Vincenz, 16, macht eine Ausbildung zur Fachfrau Betreuung und lebt mit ihren Eltern Martina Arpagaus und Curdin Vincenz, beide 47, sowie ihrem Bruder Florian, 14, in Zürich. Sie sagt, ihre Mutter habe ihr vorgelebt, immer sie selbst zu sein.
Bei der Berufswahl bekam ich Unterstützung von meinen Eltern. Gut war, dass ich all meine Bedenken und Visionen mit meiner Mutter teilen konnte, auch sie war ganz ehrlich zu mir und erzählte, dass es in ihrem Leben auch nicht ohne Umwege zuging. Sie hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie mal eine Ausbildung abgebrochen hatte. Das zu erfahren, war hilfreich. Ich habe damit verstanden: Okay, das ist nicht so schlimm. Es geht immer weiter, auch wenn gerade was nicht so toll läuft. Oder man Fehler macht. Das hat meine Mutter mir vorgelebt: Niemand ist perfekt.
«Es geht immer weiter. Auch wenn etwas nicht toll läuft oder man Fehler macht. Das hat meine Mutter mir vorgelebt.»
Meine Mutter ist ein Vorbild für mich, weil sie mir vorlebt, ‹ich selbst zu sein›, mit allen Ecken und Kanten.
Schön ist, dass meine Eltern sich die Familienarbeit teilten. Ich wusste immer, dass beide beides können. Sollte ich später mal eine Familie haben, wäre mir das ebenfalls wichtig. Ich würde aber auch Dinge anders machen. Es gibt gewisse Reizthemen, auf die meine Mama (zu) empfindlich reagiert – zum Beispiel Kritik am Essen, das sie für uns gekocht hat. Dann wird sie schroff und vor allem laut und funkelt mich mit bösen Augen an. Das würde ich anders machen und versuchen, meine Emotionen besser zu regulieren.
Ich selber wurde nie in irgendwelche Rollen gedrängt oder unter Druck gesetzt. Ich konnte frei entscheiden, was ich wollte – und wurde dabei unterstützt, weil meinen Eltern mein ganz persönliches Glück das Wichtigste ist.»
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