Ich ess das nur, wenn du es zuerst isst!
Dass kleine Kinder lieber Süsses als Saures mögen, ist aus der Psychologie bekannt. Weniger bekannt ist, dass sich Kinder sehr stark an ihrem Umfeld orientieren, wenn es um Essvorlieben geht.
Was ist passend? Was ist gesund? Diese Entscheidungen sind für Erwachsene schon schwierig, doch was bedeuten sie für Säuglinge und Kleinkinder, die mit der Essensauswahl viel weniger Erfahrung haben?
Aus der Psychologie wissen wir, dass schon Säuglinge einige Tricks auf Lager haben, wenn es ums Essen geht. Sie mögen beispielsweise lieber Süsses als Saures und ziehen den Geschmack von Essen, das sie schon einmal probiert haben, neuen Geschmäckern vor. Und doch sind Kleinkinder alles andere als perfekt, wenn es um die Auswahl ihrer Nahrung geht; wie Eltern wissen, stecken sie sich nur allzu gerne gefährliche oder ekelhafte Dinge in den Mund.
Kleinkinder wählen die Speise, die Menschen aus ihrem eigenen Kulturkreis essen.
In einer Studie mit einjährigen Kindern haben wir getestet, ob Kleinkinder auf andere Mitglieder ihrer Kultur achten, wenn sie entscheiden, was sie essen. Wir zeigten den Kindern Filmausschnitte mit zwei verschiedenen Frauen: Die eine sprach die Muttersprache der Kinder (Englisch), die andere eine Sprache, die ihnen nicht vertraut war (Französisch). In jedem Film assen die Frauen auch etwas Unterschiedliches. Die englischsprechende Frau ass eine Fruchtsauce aus einer grünen Schüssel, während die andere eine andere Sorte aus einem lila Becher ass. Nachdem die Kinder die Filmausschnitte gesehen hatten, liessen wir sie eine der beiden Saucen auswählen und werteten aus, für welche sie sich entschieden.
„Bringen Sie Ihr Kind mit anderen Gleichaltrigen zusammen, die gerne Gemüse Essen“
Dr. Kristin Shutts
Andere Forschungsergebnisse zeigen, dass Kinder sich auch über das Säuglingsalter hinaus davon beeinflussen lassen, was die Menschen um sie herum essen. Eine meiner Lieblingsstudien stammt von der Forscherin Leann Birch. Sie erforschte, wie man Kinder im Vorschulalter dazu bringt, Nahrungsmittel zu essen, die sie eigenen Aussagen nach nicht mögen. Birch erkannte, welchen Einfluss Gruppendruck haben kann, und beschloss, Kinder neben Gleichaltrige zu setzen, die das gerne assen, was die Kinder selbst nicht mochten. Wenn Mary also sagte, sie möge keine Karotten, liess Birch sie eine Woche lang beim Essen mit Kindern zusammensitzen, die sehr gerne Karotten assen. Als Birch am Ende der Woche die Vorlieben der Kinder auswertete, fand sie heraus, dass diese ihre Meinung geändert hatten. Kinder, die ein bestimmtes Nahrungsmittel zuvor nicht gemocht hatten, fingen an, es zu mögen, wenn sie an einem Tisch mit Gleichaltrigen sassen, die es gerne assen.
Ein Tipp für Eltern, die Schwierigkeiten damit haben, ihre Kinder für bestimmte Nahrungsmittel zu begeistern, lautet also, sie mit anderen Kindern, die andere oder vielfältigere Vorlieben haben, zusammenzubringen.
Ob Freunde, Lehrpersonen, oder Eltern: Sie haben wohl alle Einfluss auf Vorlieben
Wie auch immer die Antwort darauf lauten mag: Wahrscheinlich ist, dass andere Menschen, also Freunde, Eltern und Lehrer, eine wichtige Rolle dabei spielen.
Bild: Pexels
Dr. Kristin Shutts ist Dozentin am Institut für Psychologie der Universität von Wisconsin- Madison. Sie Promovierte 2006 an der Harvard University und habilitierte in Harvard und dem Childern’s Hospital in Boston. Sie interessiert sich dafür, wie Kleinkinder von Menschen in ihrer Umgebung lernen.
Als eine der weltweit führenden gemeinnützigen Stiftungen verpflichtet sich die Jacobs Foundation seit 25 Jahren der Forschungsförderung im Bereich der Kinder- und Jugendentwicklung. Die Stiftung möchte künftige Generationen durch die Verbesserung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten nachhaltig unterstützen.