Schulreise ist, wenn die Wurst ruft - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Schulreise ist, wenn die Wurst ruft

Lesedauer: 3 Minuten

Die Wurst ruft im Juni: Das ist der Monat der Schulausflüge. Schnatternde Kinder in Zweierreihen bevölkern massenweise Bahnhöfe, Busse und Trams. Für Mütter bedeutet das aber nicht nur Tralala.

Es ist Juni. Das Ende des Schuljahres naht, und damit landauf, landab die Zeit für mehr oder weniger grosse Ausflüge. Die Schulreise! Der Höhepunkt eines jeden Kindes innerhalb eines mit Ereignissen vollgepackten Schuljahres. Ja, ja, bestätigt auch ein Sprecher der SBB Medienstelle. Der Monat Juni sei «der Monat mit den meisten Gruppenreisen», erklärt Oli Dischoe auf Anfrage. «Im Juni 2015 waren es rund 25’700 angemeldete Gruppen- und Schulreisen, am letztjährigen Spitzentag, dem 26. Juni, gar allein 2’000 Gruppen mit rund 49’000 Reisenden.»

Schulreisen sind super für das Kind, aber nicht ganz so super 
für Mütter, die an Vermorgung leiden.

An diesem freundlichen Junitag gehören also auch meine Kinder zu den zitierten Gruppenreisenden. Mit Kollegen und mit ihren Lehrerinnen in Zweierreihen durch den Bahnhof zu marschieren, bedeutet: Abmarsch um 8 Uhr, Rückkehr um 14.30 Uhr, dazwischen allerlei Abenteuer fern der elterlichen Fürsorge bestehen und möglichst verdreckt wieder kommen. Doch die Kinderabwesenheit muss Mama sich schwer verdienen: Zuallererst die Proviantfrage klären. In meinem Fall hiesst das: Cervelats präparieren und Sandwichpakete schmieren;  eine hohe Kunst, vor allem, wenn sie auch gegessen werden soll. 
Childhood, reloaded: Nichts ist so schön wie Bräteln im Irgendwo.
Childhood, reloaded: Nichts ist so schön wie Bräteln im Irgendwo.
Der Kulinarik folgt die Materialkontrolle: Wanderschuhe ( hoffen, dass sie noch passen). Regenkleidung: (Reissverschluss überprüfen). Ersatzkleidung, Badetuch, Sonnencrème plus Zeckenspray. Das alles könnte man natürlich bestens vorbereiten, wenn man nicht wie ich zur Prokrastination (neudeutsch: Vermorgung) neigt. Wollte ich nicht schon immer David Allens «Getting Things Done»  lesen? Ein Trello-Board für die Schulreise einrichten? Selber schuld. Eine Freundin kommt mir in den Sinn. Sie pflegt zu sagen: Mein Leben ist schon vorbei. Ich ergänze an diesem Morgen: Je mehr Schulreisen, desto vorbeier. 
 
Doch hinfort, Gejammer! Die ganze Plackerei mit der Packerei hat dieses Jahr einen unschlagbaren Vorteil: Infolge Verschieberitis wegen Dauerregens haben tatsächlich drei meiner vier Kinder am selben Tag ihren Schulausflug. Bäm! Ich jubelte, beschloss das Mittagessen durch Kaffee und Süssigkeiten zu ersetzen, ungestört zu arbeiten und das schulreisebefreite Kind mittags bei einem Kollegen zwangszuparken. 

Auftritt: Der grosse Bruder

Ein kinderfreier Sechseinhalbstundentag will allerdings erarbeitet sein. Ich stehe um 5.45 Uhr auf, mache mir unter Stöhnen den ersten Espresso und hoffte auf ein bisschen Applaus vom einzigen Familienmitglied, das ebenfalls wach war: Unserem Hund. (Ja, ich habe eine Neigung zum tragischen Fach). Danach schichte ich Berge von Schuhen, Kleidern, Ersatzkleidern, Feldstechern, Hüten, Regenjacken und Badetüchern sowie Proviant für Kind eins, zwei und drei. Ich ermahnte mich, nicht die Sandwiches und keinesfalls die Chipstüten zu verwechseln, denn Kind 1.0 mag nur Chips mit Speckgeschmack, Kind 3.0 will alles ausser Speck und Kind 4.0 will vor allem viel Schokolade, denn nichts ist so schön wie ein Schoggidelirium. Das schulreisebefreite Kind (2.0, um genau zu sein) wankt gerade schlaftrunken die Treppe hinunter, erfasst die ganze Situation und sagt in reizendstem Tonfall: «Du kannst keine Schokolade mitnehmen, es ist warm und dann wird sie weich und sieht aus WIE EIN KUHFLADEN!», hahalustig, der kleine Bruder aber, der nimmt es wörtlich und kichert nicht, sondern tobt, und zwar bühnenreif. Himmel, hilf! Ich suche Smarties, das einzige, womit er sich in Windeseile sedieren lässt, und Eile ist fürwahr geboten, da Bruder 3.0 mit nicht ganz aseptischen Wanderschuhen, Forscherhut und Feldstecher durch das Wohnzimmer stampft,  Bruder 1.0 passiv-aggressiv den Schlafsack in die viel zu kleine Hülle zu pressen versucht. Und wo befindet sich eigentlich der Hund? Er schnuppert am Clubsandwich, ahhhh!
Eine Schulreise, die ist immer lustig. Doch sie will hart erarbeitet sein. Besonders von den Müttern, die alles immer in letzter Minute erledigen.
Eine Schulreise, die ist immer lustig. Doch sie will hart erarbeitet sein. Besonders von den Müttern, die alles immer in letzter Minute erledigen.
Es ist halb acht Uhr. Halb acht! Die Küche sieht aus, als ob drei Familien demnächst zelten gehen. Ich selbst fühle mich wie Betty Draper: schussbereit. Boah, bin ich muffig. Wenig später begleite ich den Kleinsten mit seinem Rucksack zum Kindergarten. Es ist seine allererste Schulreise, und prompt gebe ich mich den Hormonen hin. Vor-Heimweh nach dem Smarties-Zwerg überkommt mich. Schuld ist nur diese dämliche Müdigkeit, sage ich mir, während der Hund an der Leine zieht, weil er eine Ente dominieren will. Natürlich fahren die Kids nicht weit weg, sind bei ihren Lehrern und Lehrerinnen in den besten Händen, aber der Weg ist weit, die Züge schnell und die Bäche tief, denke ich. Meinem Jüngsten sind diese Gedanken glücklicherweise egal. Sein Abschied war: Ein kurzes Winken, ein halber Schmatz und – tschühüs! Gedankenverloren trotte ich nach Hause, den Sandwichwauwau an meiner Seite. Kaum habe ich mich in die Arbeit vertieft, läutet das schulreisebefreite Kind an der Tür, mit Schnappatmung, und sagt: «Hallo, Mam-aaa! Du, ich komme mittags doch nach Hause, gäll? Ich will auch einen Cervelat! Ok-ay?». 

10 Tipps für eine stressfreie Schulreise-Vorbereitung

  • Essensliste: Welches Kind braucht was an Mahlzeiten zum Mitnehmen (Znüni, Zvieri, Zmittag)? Darf gebrätelt werden (Cervelat statt Sandwich)? Sind Chips und Süsses erlaubt?
  • Getränkeflaschen und Bidons zusammensuchen, waschen, bei Getränkeflaschen Dichtungen überprüfen.
  • Verpackungen (Boxen) bereit stellen.
  • bequemes Schuhwerk zusammensuchen, Material und Grössen überprüfen (Kinderfüsse wachsen bekanntlich über Nacht).
  • Regenkleidung auf Funktionsfähigkeit überprüfen (Reissverschluss!), gegebenenfalls imprägnieren.
  • Schlafsäcke und Rücksäcke auf ihre Tauglichkeit überprüfen, genügend auslüften, eventuell waschen.
  • Sonnenschutz, Zeckenspray und Sonnenhüte zur Hand haben.
  • alle anderen Lieblingsdinge (Teddybär, Fussball, Eisenbahn, Paninialben) gnadenlos wieder auspacken – und dem Kind schonend den Unterschied zwischen Ideal und Wirklichkeit beibringen.

Zur Autorin: 

Claudia Landolt hat zwei Agenden, drei Organisations-Apps und ein XL-Pinnboard – trotzdem ist das Terminkonzept verbesserungswürdig.
Claudia Landolt hat zwei Agenden, drei Organisations-Apps und ein XL-Pinnboard – trotzdem ist das Terminkonzept verbesserungswürdig.