Wie man für sein Kind ein finanzielles Polster aufbaut

Viele Eltern möchten für ihre Kinder Geld anlegen. Doch mittels Sparkonto fällt nicht mehr viel ab. Fachleute raten daher zum Gang an die Börse.
Dass es sich lohnt, Geld für Kinder zu sparen, ist den meisten Eltern bewusst. Viele Mütter und Väter, aber auch Grosseltern, Göttis, Onkel und Tanten eröffnen zur Geburt eines Kindes ein Sparkonto. Leider gibt es darauf zurzeit kaum noch Zinsen. Wer für sein Kind ein finanzielles Polster aufbauen will, mit dem es später beispielsweise ein Studium finanzieren kann, braucht eine lukrativere, risikoreichere Anlageform.
In den letzten Jahren ist es dank digitaler Brokerdienste kostengünstiger geworden, Geld an der Börse zu investieren, auch für Kinder. Doch wie findet man den Einstieg in die Finanzwelt? Wie viel Geld sollte man monatlich für seine Kinder investieren? Und was ist besser, Aktien oder ETFs? Das haben wir drei Finanzblogger gefragt.
Warum lohnt es sich, Geld für Kinder an der Börse zu investieren?
Die meisten Eltern steuern die Bank ihres Vertrauens an, um ein Sparkonto für ihren Nachwuchs anzulegen. Daran sei nichts Falsches, sagt die Finanzexpertin Angela Mygind. Allein: «Viele Zinsen gibt es darauf nicht.» Zwar bieten viele Schweizer Banken auf Kinderkonten noch etwas höhere Zinsen an als für Erwachsene. In der Regel liegen sie bei knapp über einem Prozent. Um ein Vermögen aufzubauen oder das Geld vor der Inflation zu schützen, sei das jedoch zu wenig, sagt Mygind. Neben dem Sparkonto gebe es bessere Möglichkeiten, um Geld für seine Kinder anzusparen.
Eine davon sind Aktien. Klug investiert, kann man damit sein Geld vermehren. Deutlich mehr als bei einem Sparkonto. Allerdings setzt die Geldanlage in Aktien ein grundlegendes Finanzwissen voraus. Oder man beauftragt einen Vermögensverwalter, was allerdings mit Gebühren verbunden ist. Hinzu kommt die persönliche Risikobereitschaft. Eine Studie des Medienunternehmens Moneyland aus dem Jahr 2024 zeigt, dass Frauen bei der Geldanlage zurückhaltender sind als Männer. Bei allen Anlageformen gaben mehr Männer als Frauen an, zumindest etwas Geld investiert zu haben.
Was sind ETFs?
Eine gute, weil risikoärmere Alternative zu einzelnen Aktien sind Exchange Traded Funds, kurz ETFs. Man kann sie sich als Töpfe voller Wertpapiere vorstellen, in die viele Anlegerinnen und Anleger ihr Geld einzahlen und somit Anteile daran erwerben.
Typischerweise bilden ETFs die Wertentwicklung eines Indexes nach. Der bekannteste ist der MSCI World. Er enthält Aktien von rund 1500 Konzernen aus 23 Industrieländern. Steigt der Index, so gewinnt auch der ETF an Wert und das Geld, das man investiert hat, vermehrt sich.
Was sind Vorteile von ETFs?
«ETFs sind in der Regel risikoärmer als Aktien», sagt der Finanzblogger Eric Marschall. Wichtig sei es, sein Geld möglichst breit anzulegen, in eine Vielzahl von Unternehmen und Branchen. Wenn ein Unternehmen an der Börse an Wert verliert, gleicht das Wachstum anderer Unternehmen im Portfolio die Verluste dann leichter aus, als wenn man nur Aktien von einzelnen Firmen erwirbt. Ein Restrisiko bleibe trotzdem: «Auch beim Investieren in ETFs sollte man seine Entscheidungen wohlüberlegt und informiert treffen», sagt Marschall. Zum Glück gibt es heute viele Bücher, Podcasts und Blogs, mit denen man sich auch als Laie Finanzwissen aneignen kann.
Kinder profitieren davon, wenn sie bereits in jungen Jahren von ihren Eltern einen guten Umgang mit Geld lernen.
Simone Hoffmann, Finanzbloggerin
ETFs bieten eine effektivere Möglichkeit, Vermögen aufzubauen, als ein Sparkonto. Ihr Vorteil liegt in der potenziell höheren Rendite, die durch die breite Streuung in verschiedene Wertpapiere erzielt wird. Besonders Kinderdepots profitieren von einem langen Anlagehorizont, da das Geld über viele Jahre hinweg arbeiten kann. Wenn man frühzeitig ein Depot für sein Kind eröffnet und regelmässig einzahlt, lassen sich Kursschwankungen entspannt aussitzen – und das Vermögen wächst langfristig.
Was lernen Kinder dabei?
Kinder profitieren davon, wenn sie bereits in jungen Jahren von ihren Eltern einen guten Umgang mit Geld lernen, sagt die Finanzbloggerin Simone Hoffmann und meint damit auch das kluge Investieren an der Börse. Ihr siebenjähriger Sohn zahlt sein Sackgeld in drei Kässeli und ein Portemonnaie ein. Im ersten Sparsäuli spart der Junge für einen bestimmten Wunsch, meistens ein Spielzeug. Das zweite ist für Spenden gedacht, sagt Hoffmann. «So lernt er, dass man mit Geld etwas Gutes bewirken kann.» Das Geld aus dem dritten Kässeli wird von der Mutter verzinst. Später wollen sie es in Aktien investieren. Der Rest kommt in ein Portemonnaie, mit dem sich der Junge kurzfristig kleine Wünsche wie Gummibärchen erfüllen darf.
Wenn Eltern ein Depot für ihre Kinder anlegen, vermitteln sie ihnen auch Wissen über Geld, meint die Finanzbloggerin. In Schulen komme die Finanzbildung oftmals zu kurz. Dabei sei Altersarmut gerade für die jungen Generationen ein Thema.
Worauf sollten Eltern achten?
Als Laie ist es wichtig zu wissen: Auch ETFs unterliegen Schwankungen. Wirtschaftlich relevante Ereignisse wie die US-Wahl können Einfluss auf die Kurse nehmen und sie steigen oder sinken lassen. Es gibt immer wieder zeitlich begrenzte Phasen, in denen der Wert der investierten Geldsumme sinkt. Behält man als Anlegerin oder Anleger jedoch die Nerven und sitzt die Krise aus, ohne die ETFs zu verkaufen, gleichen neue Ereignisse die Talfahrt mit der Zeit wieder aus, sagt Angela Mygind: «Auf lange Sicht ist die Börse immer gewachsen.»
Hauptsache, man fängt mit dem Investieren an. Besser heute als morgen.
Eric Marschall, Vermögensberater
Je länger man sein Geld investiert lässt, desto wahrscheinlicher ist es, dass es sich vermehrt. Deshalb spiele es auch keine grosse Rolle, zu welchem Zeitpunkt man einsteige, solange man mit einem Sparplan arbeite und Beträge regelmässig investiere, sagt der Finanzexperte Eric Marschall. Ganz egal, ob der Kurs gerade steigt oder fällt – «Hauptsache, man fängt mit dem Investieren an. Besser heute als morgen.»
Wo kann man ein ETF-Depot erwerben?
Auch viele Banken bieten Anlagepakete für ihre Kundinnen und Kunden an, auch für Kinder. Doch Eltern sollten genau hinsehen, bei welcher Bank sie in ETFs investieren, sagt die Finanzbloggerin Angela Mygind, denn oftmals kosten die Pakete hohe Gebühren. Anders sei es bei Anlage-Apps, sogenannten Robo-Advisors wie Findependent, True Wealth oder Inyova. Die digitalen Programme, die ohne menschliche Bankberater auskommen und Anlagetipps auf Basis von Algorithmen geben, ermöglichen es, zum kleinen Preis in ETFs oder Aktien zu investieren.
Mithilfe eines Fragebogens ermittelt das Programm zunächst, welche Grundsätze einem bei ETFs wichtig sind. Sollen sie nachhaltig sein oder sozial? Soll der Indexwert nur die wichtigsten Industriestaaten abbilden oder auch Schwellenländer miteinbeziehen? Am Ende schlägt das Programm ein passendes Portfolio vor. Erst wenn man sich dafür entscheidet, ETFs oder Aktien zu kaufen, muss man Gebühren dafür bezahlen.
Auf welchen Namen sollte das Depot laufen?
«Einige Robo-Advisors haben gegenüber Banken einen Nachteil», sagt Angela Mygind. «Aktuell kann man dort nur ein Depot auf den Namen der Eltern eröffnen, nicht auf den Namen des Kindes.» Möchte man das Vermögen später auf sein Kind übertragen, muss man im ungünstigsten Fall alle ETFs verkaufen. Bei manchen Anbietern gibt es jedoch die Möglichkeit, zum 18. Geburtstag ein neues Portfolio für sein Kind zu eröffnen und die Vermögenswerte dorthin zu transferieren.
Doch ein Depot, das auf den Namen des Kindes läuft, hat auch Nachteile, sagt Eric Marschall: «Bei Volljährigkeit erhält das Kind automatisch die Verfügungsgewalt über sein Vermögen. Das kann auch schiefgehen, wenn das Kind sein Geld unüberlegt ausgibt.» Führt man das Depot hingegen auf den eigenen Namen, dann behält man als Mutter, Vater oder Tante die Kontrolle über das Geld, so lange wie man möchte.
Eltern müssen das Kinderdepot auch in ihrer Steuererklärung angeben, sagt Marschall. Fallen Steuern auf die Erträge oder das Vermögen aus dem Kinderkonto an, müssen Eltern diese als Kontoinhaber bezahlen.
Wie viel Geld sollte man investieren?
«Es gibt keine feste Mindestsumme, die Eltern in einen ETF investieren müssen», sagt Eric Marschall. Auch regelmässige kleine Beträge könnten auf Dauer viel bewirken. Wer monatlich zum Beispiel 100 Franken einzahle, bei sechs Prozent Rendite pro Jahr, könne durch den Zinseszinseffekt über einen Zeitraum von 18 Jahren sein Vermögen auf rund 38 000 Franken wachsen lassen. Was nicht heisst, dass das auch so eintrifft, das Beispiel soll vielmehr auf einfache Art veranschaulichen, was mit ETFs im besten Fall möglich ist.
Lieber regelmässig kleine Beträge oder einmalig grosse Summen investieren?
Grosse Summen, einmalig investiert, würden mehr Zinsen abwerfen und lohnten sich deshalb mehr als viele kleine Beträge, sagt Angela Mygind. Doch viele Menschen würden zögern, auf einen Schlag mehrere Tausend Franken in ein Depot einzuzahlen: «Weil man immer Angst hat, zum teuersten Zeitpunkt gekauft zu haben.» Schliesslich könnten die Kurse morgen schon günstiger sein.
Für das Gefühl und den Geldbeutel kann es deshalb besser sein, monatlich einen festen Betrag, zum Beispiel 50 Franken, ins Kinderdepot zu investieren. Dadurch senkt man die Kosten auf einen Durchschnittswert und erzielt aktuell immer noch mehr Zinsen als mit einem Sparkonto.
Was sind grüne und soziale ETFs?
Viele Eltern möchten ihr Geld aus ethischen Gründen nicht in der klimaschädlichen Ölindustrie anlegen, die Rüstungs- und die Glücksspielindustrie nicht unterstützen und entscheiden sich deshalb für sogenannte grüne ETFs. «Nachhaltige ETFs legen den Fokus auf umweltfreundliche, soziale oder ethische Unternehmen», sagt Eric Marschall. «Allerdings gibt es auch viel Greenwashing, also Anlagen, die nur vermeintlich nachhaltig sind.» Es sei wichtig, genau hinzusehen, nach welchen Kriterien der ETF die Unternehmen auswähle, um wirklich grüne Anlagen zu finden.
«Den Begriff Nachhaltigkeit definiert jeder anders», sagt Angela Mygind. Einige ETFs würden bereits Nestlé als nachhaltig deklarieren. Hinzu kommt, dass nachhaltige ETFs oftmals ein geringeres Fondsvolumen haben. Damit ist die Summe des Geldes gemeint, welches die Gesamtheit aller Anleger in den ETF investiert haben. Je höher das Fondsvolumen, desto niedriger sind die Fixkosten für den ETF-Anbieter und somit auch für den Anleger. Es lohnt sich also in jedem Fall, genau hinzuschauen, bevor man eine Auswahl trifft.
- Angela Mygind alias Miss Finance. Als Finanzexpertin, Podcasterin und Bloggerin richtet sie sich gezielt an Frauen und Mütter. In ihren Channels gibt sie Ratschläge zur Altersvorsorge und erklärt, wie man ein Depot für Kinder anlegt.
- Eric Marschall ist zertifizierter Vermögensberater und Gründer des Finanzblogs «Schwiizerfranke». Seine ersten Aktien kaufte er im Alter von 18 Jahren. Er hat sich seitdem mit grosser Leidenschaft der Finanzbildung verschrieben.
- Simone Hoffmann gibt Kindern und Eltern auf ihrem Blog «Simosackgeld» Tipps für einen guten Umgang mit Geld. Ihr siebenjähriger Sohn hat drei Sparsäuli und ein eigenes Aktiendepot.
Wie kann man die Scheu vor Finanzthemen verlieren?
Finanzwissen könne man heute recht einfach erlangen, sagt Angela Mygind. «Man muss keine dicken Bücher mehr lesen, sondern kann beim Autofahren, Joggen oder Putzen einen Podcast dazu hören, ein Youtube-Video oder ein Reel auf Instagram anschauen.» Die Finanzbloggerin gibt sich überzeugt: «Wenn man mal angefangen hat, sich mit Finanzen zu beschäftigen, wird es schnell immer spannender.» Für die eigene Altersvorsorge – und für die Zukunft der Kinder.
Quellen: forbes.com; moneyland.ch; selma.com; finanzfluss.de