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Eine gute Schule: Was ist das?

Bilder: Franziska Messner-Rast

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Was eine erfolgreiche Schulzeit auch ausmacht:
- Ich habe vieles gelernt, das für mich persönlich relevant war und mich auf meinen weiteren Lebensweg vorbereitet hat.
- Ich weiss, wie man lernt, bin mir bewusst, dass Hindernisse dazugehören und habe in der Schule das notwendige Vertrauen in meine Fähigkeiten mitbekommen, um mich auch zukünftig an Herausforderungen zu wagen und Neues zu lernen.
- Ich habe mich in der Schule sicher und wohlgefühlt. Ich war Teil einer Gemeinschaft und habe erfahren, dass wir alle weiter kommen, wenn wir zusammenarbeiten und sich jeder mit seiner Persönlichkeit und seinen Fähigkeiten einbringen darf.
Berührend klare Vorstellungen der Kinder

- Zurückweisung und Mobbing, wie am Beispiel von Lina, 17, deutlich wird: «Ich wurde von meiner damaligen Klasse mehrere Jahre stark gemobbt. Das war so stark, dass sich soziale Ängste entwickelt haben und ich letztendlich nicht mehr zur Schule gehen konnte. Als wir dann die Schuldigen anzeigen wollten, hat mir der Lehrer gedroht, dass durch eine Anzeige alles schlimmer werden würde.»
- Leistungsdruck und Angst vor Bewertung. Simon, 9, sagt, dass er am liebsten nicht mehr zur Schule gehen würde: «Jeden Tag Prüfungen und schlechte Noten.»
- Eine angespannte Beziehung zur Lehrperson. David, 8, beschreibt seine Lehrerin so: «Wenn jemand etwas nicht versteht oder Fragen stellt, dann packt sie die Kinder und zerrt sie in den Gang. Sie schreit auch immer.»
Ihre Ansprüche an eine gute Schule bringen die Kinder und Jugendlichen deutlich zum Ausdruck: Zur Schule geht man gerne, wenn man verständnisvolle, geduldige, humorvolle Lehrpersonen hat, sich in einer Klasse akzeptiert und unterstützt fühlt, auf eine anregende Lernatmosphäre mit Freiräumen und Mitbestimmungsrecht bauen darf und keine Angst vor Abwertung und schlechten Noten haben muss.
Eine «produktive Unzufriedenheit» treibt viele Lehrpersonen an
Sie sind neugierig, suchen nach eigenen Wegen und haben oft etwas an sich, das wir als «produktive Unzufriedenheit» bezeichnen: Sie sehen die Probleme, wissen aber gleichzeitig, wie bedeutsam ihr Beruf ist und wie viel Handlungsspielraum sie haben, den sie zugunsten der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen ausschöpfen möchten. Und sie investieren viel Zeit und Energie in die Beziehungen – zwischen ihnen und den Lernenden, aber auch innerhalb der Klasse.
Lehrpersonen unterrichten im Wesentlichen Menschen

An dieser Stelle brechen wir das Kopfrechnen ab und sprechen in der Gruppe darüber, welche Gedanken und Gefühle die Übung ausgelöst hat und an welche Erfahrungen sie erinnert wurden. Dabei wird deutlich, dass sich bei vielen Lehrpersonen ein Gedankenkarussell in Gang setzt: «Alle starren mich an», «Ich kann das nicht», «Was denken meine Kollegen, wenn ich das nicht lösen kann?», «Oh Gott, wie peinlich, das ist genauso wie damals, als wir diese furchtbaren Rechenspiele im Unterricht machen mussten».
Negative Gefühle stehen dem Lernprozess im Weg
Oder: «Ich hatte acht Jahre Französisch. Wir haben vom Subjonctif bis zum Passé simple so ziemlich alle Spezialfälle der Grammatik durchgekaut. Ich kann Bücher von Albert Camus lesen, bin aber so gehemmt und darauf fixiert, keine Fehler zu machen, dass ich mir in Frankreich nicht einmal einen Kaffee bestellen kann.» Vielleicht wurden diese Lektionen minutiös durchgeplant, auf den Lehrplan abgestimmt und die Prüfungen sorgfältig korrigiert.
Dadurch gerät das Wichtigste regelmässig in den Hintergrund. Genau an diesem Punkt ist die innere Haltung entscheidend. Im Gespräch mit Lehrpersonen und Schulleitenden, die wir schätzen, fällt uns immer wieder auf, dass sie sich von diesen Sachzwängen freimachen und ihre Prioritäten bewusst anders ausrichten. Das fängt oft bei den Zielen an. Diese Lehrpersonen wissen, was ihnen wichtig ist und verschreiben sich Zielen wie: «Im Turnunterricht will ich den Kindern Freude an der Bewegung vermitteln.» Oder: «Ich will, dass jedes Kind in seinem Tempo lernen kann und Fortschritte erleben darf.»
«Es ist mir wichtig, Zuversicht zu vermitteln»

Willkommen seien bei den Schülerinnen und Schülern auch sogenannte Gratistipps, erzählt die Lehrerin weiter, kleine Hinweise, die sich die Kinder gegenseitig geben, damit ihnen diese Schritte gelingen. Jaggi: «Eine gemeinsame Sammlung hilfreicher Strategien in besonders heiklen, anspruchsvollen Situationen zur Verfügung zu haben, erachte ich als viel wirksamer als jedes Belohnungs- und Bestrafungssystem, erleichtert es uns doch, unsere Würde zu erhalten beziehungsweise wieder zu finden, Fehlverhalten in Ordnung zu bringen und untereinander wieder in positive Beziehung zu treten.
Wenn wir von solchen Beispielen erzählen, kommt fast unmittelbar der Einwand von anderen Lehrpersonen: «Das ist ja schön und gut, aber dafür fehlen mir die Zeit und die Ressourcen.» Das ist ein Trugschluss. Durch die Bank alle Lehrpersonen, die aktiv an einem guten Klassenklima, der Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern und dem Aufbau von Kompetenzen im sozial-emotionalen Bereich arbeiten, betrachten dies als Investition, die sich auszahlt.
«Wir wollten keine Ghettoisierung»
Das waren Sammeltöpfe für schwierige, randständige Kinder. Von denen gab es bei uns viele, und die konnten bei uns gerne und in aller Ruhe in die Schule kommen. Die Kombination aus Altersdurchmischung und einer konsequenten Ausrichtung auf individualisierten, entwicklungsorientierten Unterricht hat Vorteile gebracht: Disziplinarisch wurde es ruhiger, Unterrichtsstörungen und Gewalt nahmen ab. Das war für alle eine tolle Erfahrung.»
Wir alle sind «das System», das sich schwer tut mit Veränderungen
«Bei mir können alle so lange lernen, bis sie es können»

Wie herausfordernd ein Wandel im Schulsystem ist, zeigt sich auch bei zwei Forderungen, die wir persönlich gerne unterstützen: Die Abschaffung der Hausaufgaben und der Noten in den ersten Schuljahren.
Hausaufgaben und Noten: Kann das weg?
Konservative Kräfte steuern gegen eine Abschaffung
Auch Eltern können einen Beitrag zum Wandel der Schule leisten
Als Eltern darf man sich ab und zu selbstkritisch fragen: «Wann habe ich zuletzt einer engagierten Lehrperson eine positive Rückmeldung gegeben oder sie vor anderen verteidigt? Habe ich bei der letzten Wahl darauf geachtet, Politiker beziehungsweise Politikerinnen zu wählen, die meine Interessen im Bereich Bildung vertreten und bereit sind, die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen? Inwiefern bringe ich mich positiv in die Entwicklung der Schule meines Kindes ein, indem ich mich zum Beispiel im Elternrat engagiere, Gesprächsanlässe nutze, Projektwochen unterstütze oder Veranstaltungen mitorganisiere? Gebe ich der Schule meiner Kinder eine Chance, Neuerungen und Experimente zu wagen oder gehöre ich zu den Eltern, die sofort den Teufel an die Wand malen und Unterschriften sammeln, wenn jemand etwas bewegen möchte?
Den Lehrerinnen und Lehrern unter Ihnen möchten wir das folgende Zitat von Maike Plath mit auf den Weg geben: «Lehrkräfte sollten sich nicht länger als Opfer eines Systems begreifen, sondern als die Akteurinnen und Akteure der nächsten relevanten Emanzipationsbewegung. Dafür sollten wir uns zusammentun und kooperieren, statt einsam jeden Tag das Unmögliche zu versuchen.»
Zu den Autoren:

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