Die Berufswahl – nichts ist für die Ewigkeit - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Die Berufswahl – nichts ist für die Ewigkeit

Lesedauer: 4 Minuten

Die meisten Jugendlichen sind recht vielseitig orientiert. Und dann müssen sie sich gegen Ende der obligatorischen Schulzeit plötzlich auf einen Beruf festlegen. Dabei können Traum und Wirklichkeit auch mal hart aufeinandertreffen.

Nehme ich die grauen oder die schwarzen Jeans? Gehen wir ins Kino oder ans Konzert? Trifft man sich in Laax oder Davos? Das Leben der Jugendlichen ist voller Entscheidungen. Doch nun kommt eine, die für das weitere Leben richtungsweisend ist: Was mache ich nach der 3. Sekundarklasse? Welchen Beruf will ich einmal ausüben? Was will ich eigentlich aus meinem Leben machen?

«Mein Traum wäre es, Meeresbiologin zu sein. Aber das werde ich nie schaffen», sagt die vierzehnjährige Sek-B-Schülerin. In der Berufswahl öffnet sich den jungen Menschen eine enorme Auswahl an Möglichkeiten. Es ist die Zeit, um nach den Sternen zu greifen. Aber auch die Zeit, in der die Realität des Arbeitsmarkts ein erstes Mal zuschlägt. Manche merken, wenn sie die Anforderungen der Lehrstellenanbieter lesen, dass ihre Schulleistungen nicht genügen. Andere verabschieden sich erst nach Dutzenden von Absagen von ihrem Traum. Vom Aufbruch in eine neue Welt bis zur harten Landung ist alles drin in dem Jahr, in dem sich die meisten für ihre erste Berufsausbildung entscheiden.

Berufsberaterin Monika Baertsch fasst ihre Beobachtungen zusammen: «Für viele ist die Berufswahl sehr spannend, mal etwas völlig anderes als die Schule. Manche entdecken dabei ganz andere, bisher verborgene Fähigkeiten und freuen sich darauf, alles auszuprobieren und kennenzulernen. Für andere wiederum ist die Berufswahl mit grossem Stress verbunden, vor allem dann, wenn sie noch sehr unsicher sind, was sie wirklich interessiert.» Die Berufsberaterin, die in Uster und Umgebung arbeitet, fährt fort, dass die Berufswahl gerade für jene Jugendlichen belastend sei, die sie sehr ernst nehmen. «Sie setzen sich selber unter Druck, dass ihre Entscheidung richtig, gar perfekt sein muss.»

Nichts ist für immer

Aber was ist die richtige Entscheidung? Gibt es sie überhaupt? Die wichtigste Information erhalten die Heranwachsenden praktisch in der ersten Berufskunde-Lektion in der Sekundarschule, und sie hören sie immer wieder: Keine Berufsausbildung ist eine Entscheidung für immer. Nach jeder beruflichen Grundbildung gibt es Möglichkeiten, seine Fähigkeiten zu vertiefen oder in einen anderen Bereich zu wechseln. Kein Abschluss ohne Anschluss heisst die Losung. Nur, für die meisten Fünfzehnjährigen sind drei oder vier Jahre eine extrem lange Zeit. Sie mit einer Berufsausbildung zu verbringen, die nicht dem entspricht, was sie tun wollen, ist eine Horrorvorstellung. Da können ihnen ihre Eltern und Lehrpersonen lange erzählen, ein paar Jahre später spiele das keine Rolle mehr. Jugendliche wollen jetzt ein gutes Leben – gerade in der Zeit, in der sie allmählich die Kontrolle über ihr Leben erlangen.
Am Anfang steht das Interesse und erst an zweiter Stelle die Fähigkeiten. Darin sind sich die Berufsberater einig. Die Auswahl einschränken können die Jugendlichen später immer noch. Es empfiehlt sich, die grosse Entscheidung mit breitem Horizont anzugehen. Mit der Zeit wird die Auswahl kleiner, entweder weil man sich und seine Interessen besser kennt oder weil man gewisse Anforderungen nicht erfüllt. Wer sich vom Traumberuf verabschiedet, denke daran: Die Entscheidung für die berufliche Grundbildung ist erst der Anfang, und die nächste Chance kommt – sofern man sich darum bemüht. Wer heute ans Konzert geht, erhält sich die Vorfreude auf den Kinofilm.

Karajan Cem Acku

16, Informatiker Systemtechnik, 1. Lehrjahr, Wetzikon

Ich wollte nie etwas anderes als eine Informatiklehre machen. Mein fünf Jahre älterer Bruder hat auch Informatiker gelernt und mich inspiriert. Ich wusste, dass es nicht einfach werden würde, aber ich wollte es unbedingt schaffen. Deshalb informierte ich mich früh. Ich schrieb eine Bewerbung und schickte sie an 40 Betriebe. Leider erhielt ich keine einzige Zusage, oft auch nicht einmal eine Rückmeldung. Mehrere Betriebe schrieben, sie nähmen nur gute Sek-A-Schüler. Dass ich als Sek-B-Schüler nicht die besten Aussichten hatte, war mir klar. Dies schwarz auf weiss zu lesen, war trotzdem nicht angenehm.

Aus Verzweiflung bewarb ich mich für eine Logistiklehrstelle und – weil meine Mutter es sich wünschte – als Koch. Doch für beides war ich nicht motiviert. Auch mein Bruder meinte, ich müsse mir etwas anderes suchen, wenn ich nach so vielen Bewerbungen noch keine Lehrstelle gefunden habe. Aber ich gab nicht auf. Schliesslich stiess ich auf die Firma EcoLogic. Die Zuständigen luden mich ein und liessen mich schnuppern – und boten mir schliesslich eine Lehre als Informatiker Systemtechnik an.

Jetzt beschäftige ich mich mit Servern, bin im Support, ich war auch schon am Helpdesk, oder ich gehe zu Kunden. Dort installieren wir Computer und vernetzen sie. Ich habe mir die Arbeit allerdings einfacher vorgestellt. Aber weil es mich interessiert, lerne ich auch gern. Ich will verstehen, wie die Dinge funktionieren. Meine Lehre gefällt mir megagut.

Stefan Gloor

17, Elektroniker EFZ mit Berufsmatura, Zürich

Ich baute schon lange vor der Lehre elektronische Geräte, darum war für mich klar, dass ich Elektroniker lernen will. Die ETH sei eine der besten Hochschulen der Welt, heisst es. Da wollte ich meine Lehre machen. Ich besuchte Info- und Schnupperveranstaltungen und machte eine Schnupperlehre. Schliesslich bewarb ich mich, musste einen Eignungstest bestehen und erhielt die Lehrstelle am Departement für Physik. Es hat mir sicher geholfen, dass mich meine Lehrmeister schon kannten, weil ich am Schnuppertag Fragen stellte und Interesse zeigte.
Ich denke, es ist ein Vorteil, dass die ETH kein produzierender Betrieb ist. In anderen Firmen kommt es vor, dass man in der Produktion mitarbeitet und deshalb weniger Zeit für individuelle Arbeiten hat. Wir können eigene Projekte umsetzen – ich habe vor Kurzem ein einfaches Videogame entwickelt, gebaut und programmiert. Zudem kommen immer wieder Wissenschaftler zu uns, die für ein Experiment ein bestimmtes Gerät brauchen. Sie erklären uns, was es können muss, wir finden die technische Lösung und bauen es.
Ich mache die Lehre mit Berufsmatura. Nach der Lehre kann ich entweder direkt an eine Fachhochschule oder nach einem Jahr Passerelle an der Universität oder der ETH studieren. Ich möchte Hardund Software-Entwickler werden. Es fasziniert mich, wie elektronische Geräte funktionieren. Neue Apparate zu entwickeln und herstellen zu lassen, das möchte ich beruflich machen.

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