Für viele Kinder ist der Schulweg die einzige Möglichkeit, sich ohne Aufsicht zu bewegen, sich mit ihren Kollegen auszutauschen, Freundschaften zu schliessen oder zu streiten. Er bietet aber auch die Möglichkeit, Abstand vom Schultag zu gewinnen und sich auf zu Hause einzustellen. Aber er verlangt gerade jüngeren Kindern einiges ab. Sie müssen den Weg zur Schule selbständig finden, rechtzeitig dort sein und auf sich aufpassen. Der Schulweg ist viel mehr als die Strecke zwischen Wohn- und Schulhaus, er ist ein Ort des Lernens.
Auf eigenen Füssen zur Schule
Bilder: Sophie Stieger / 13 Photo
Dabei hält der Verkehrsexperte Pascal Regli fest, dass Deutschschweizer Schulwege im nationalen Vergleich relativ sicher seien. Regli leitet das Projekt «Sichere Schulwege» bei Fussverkehr Schweiz und kennt die elterlichen Sorgen. «Wie gross die Gefahr und die Bedenken der Eltern sind, spiegelt sich direkt in den sogenannten Elterntaxis wider. In der Romandie und im Tessin ist der Anteil der Kinder, die zur Schule gefahren werden, viel höher als in der Deutschschweiz», erklärt er. So sind es in der Deutschschweiz weniger als 10 Prozent der Kinder, die täglich mit dem Auto zur Schule gebracht und wieder abgeholt werden. Doch ihr Anteil steigt.
Elterntaxis sind umstritten
Kinder im Auto sicherer unterwegs sind, ist ein Trugschluss. Einerseits zeigen Statistiken, dass Kinder häufiger im Auto Opfer von Verkehrsunfällen werden als zu Fuss. Darüber hinaus gefährden die vor den Schulen kreuz und quer rangierenden Autos die Kinder, die sich dort bewegen. Verschiedene Schulleitungen appellieren daher an die Eltern, die Fahrdienste zu unterlassen. Die Aargauer Gemeinde Muri hat sogar ein Halteverbot um die Schulhäuser herum erlassen.
Schulwege sicherer machen
Wer deshalb also nicht warten will, kann sich privat organisieren, beispielsweise mit einem sogenannten Pedibus: Jeweils eine Mutter oder ein Vater begleitet die Kinder mehrerer Familien. Der Kinderzug hat feste Abgangszeiten, sodass die Eltern wissen, wann die Tochter oder der Sohn am vereinbarten Ort sein muss, um sich dem Pedibus anzuschliessen. Einen Nachteil aber haben alle Begleitdienste: Die Kinder lernen nicht, den Verkehr selber zu meistern, denn es ist ja die erwachsene Begleitperson, die schaut, dass nichts passiert. Bezeichnend ist die Aussage einer Erstklässlerin aus Adliswil ZH: «Wenn ich allein gehe, dann passe ich auf. Wenn wir im Pedibus gehen, machen wir Quatsch.»
Der Schulweg als Chance
Der sechsjährige Yannik hat viel gelernt auf seinem knapp 700 Meter langen neuen Schulweg. In einer Selbstverständlichkeit überquert er viel befahrene Strassen, kennt die sicherere Seite einer Strasse ohne Trottoir. Er orientiert sich mühelos in den Quartiersträsschen und weiss, wo er abbiegen muss. Auch wenn sich unterwegs Kameraden dazugesellen, behält er die flott durchs Dorf rollenden Autos im Auge. Auf diesem Weg wirkt Yannik um Jahre älter als beim Herumtollen mit seinem kleinen Bruder.
Kinder, die ausschliesslich im Auto gefahren werden oder unter Aufsicht laufen, verpassen das. Ihnen entgehen Erkenntnisse und Erinnerungen, die sie vielleicht ein Leben lang begleiten. Dem gegenüber steht das Sicherheitsempfinden der Eltern. Denn sie tragen die Verantwortung. Die Entscheidung liegt letztlich bei den Müttern und Vätern, wie viel sie ihrem Kind zutrauen – und wann und wo.
Der Schulweg unserer Kinder ist zu gefährlich – was können wir als Eltern tun?
- Schliessen Sie sich mit anderen Eltern zusammen.
- Dokumentieren Sie die Gefahr mit Fotos, Videos und Umfragen.
- Kontaktieren Sie als Erstes die Schulpflege oder die Schulleitung.
- Gelangen Sie erst an die Gemeindebehörden, wenn Sie nicht mehr weiterkommen.
- Schlagen Sie den langwierigen Rechtsweg nur ein, wenn alles andere keine Lösung bringt.