«Kinder trauern anders als Erwachsene»
Der Verein Trauernetz bietet seit 20 Jahren Selbsthilfegruppen für suizidbetroffene Angehörige an. Co-Geschäftsführer Jörg Weisshaupt erklärt im Interview, warum das Angebot so wichtig ist.
Herr Weisshaupt, an wen richtet sich das neue Angebot Nebelmeer Kids?
An Kinder bis 12 Jahre, die ein Geschwister oder Elternteil durch Suizid verloren haben. Vor 20 Jahren lancierten wir das erste Gruppenangebot für hinterbliebene Jugendliche, jetzt kommt mit Nebelmeer Kids ein Begegnungsort für noch jüngere Betroffene dazu. Auch damit sind wir die Ersten: Kinder, die durch Suizid einen Verlust erlitten, haben in der Schweiz kaum Anlaufstellen. Es besteht dringender Bedarf.
Die 14-täglichen Treffen finden im Selbsthilfezentrum Zürich statt, es sind jedoch Familien aus allen Kantonen willkommen. Unser Ziel ist, mittelfristig in den zehn grössten Deutschschweizer Städten vertreten zu sein. Fachpersonen und Selbsthilfezentren, die interessiert sind, Gruppentreffen anzubieten, sowie Betroffene dürfen sich bei uns melden.
Junge Kinder gehen oft ganz natürlich mit dem Verlust um und stellen Fragen, die Erwachsene mitunter brüskieren.
Was erwartet Kinder bei den Treffen?
Während sich Eltern in der Erwachsenengruppe im Raum nebenan austauschen, starten die Kinder ihr Treffen im Begrüssungskreis, wo sie auch Fragen stellen oder Themen einbringen dürfen. Die Kindergruppe leitet Caroline Ruckstuhl, ausgebildete Trauerbegleiterin.
Je nach Tagesform und Entwicklungsphase haben Kinder unterschiedliche Bedürfnisse: Die einen müssen Dampf ablassen, die anderen wollen reden, manche suchen ein kreatives Ventil für ihre Gefühle. So bleiben die einen im Gesprächskreis, die anderen toben im Park, basteln im Atelier oder kochen. Später essen Kinder und Erwachsene gemeinsam.
Warum ist Ihr Angebot so wichtig?
Kinder trauern anders als Erwachsene. Sie sprechen nicht unbedingt über Sorgen und Ängste, weinen nicht dann, wenn Erwachsenen danach zumute ist. Gerade junge Kinder gehen oft ganz natürlich mit dem Verlust um und stellen Fragen, die Jugendliche oder Erwachsene mitunter brüskieren. Hinzu kommt, dass Suizid leider ein Tabuthema ist, was den Trauerprozess erschweren kann.
Wichtig ist, dass Kinder mit ihren Emotionen nicht allein sind, dass sie Ansprechpersonen für ihre Fragen haben und einen Umgang mit ihrem Verlust finden, der ihren Bedürfnissen entspricht – damit sie sich gesund weiterentwickeln.