Wenn Kinder nachts auf Wanderschaft gehen…

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Die Kinder gehen nachts auf Wanderschaft, tauschen die Betten aus und Sie kommen nicht zur Ruhe? Jesper Juul fordert in dieser Situation eine klare Botschaft von den Eltern.
Ich finde mich immer wieder in Situationen, in denen es mir schwerfällt, herauszufinden, was für die Kinder gut ist und was nicht. Im Dschungel der vielen Ratgeber und der mehr oder weniger schlauen Bücher über Kinder fühle ich mich verloren. Sie helfen mir nicht.
Die beiden Kinder schlafen dann bei mir im Doppelbett, mein Mann schläft auf einer Matratze im Kinderzimmer. Oder er schläft zusammen mit unserer gemeinsamen Tochter im Doppelbett und ich mit meinem Sohn auf der Matratze im Kinderzimmer. Die Kinder lieben diese Aufteilung. Mein Mann und ich nicht. Wir sind sogar ziemlich frustriert davon.
Wir wollen nicht, dass unser Sohn sich fürchtet, möchten aber nicht nachts ständig geweckt werden – was tun?
Wir wollen nicht, dass unser Grosser sich fürchtet, aber auch nicht, dass wir ständig in der Nacht von einem Fünfährigen aufgeweckt werden. Ich habe einfach nicht mehr die Kraft für dieses Chaos.
Antwort von Jesper Juul:
So wie Sie die Entwicklung beschreiben, müssen Sie das Gefühl haben, dass Sie mit Ihren Bestrebungen gescheitert sind, vor allem nachts. Dabei sind Ihre Kinder auf sich selbst gestellt, weil es ihren Eltern nicht gelingt, die eigenen Bedürfnisse zu stillen, weil Sie sich mehr oder weniger für die Bedürfnisse Ihrer Kinder aufgeben.
Ihre Kinder haben offensichtlich unterschiedliche Schlafwünsche. Doch was sie brauchen, ist nicht die Erfüllung ihrer Wünsche, sondern eine klare Botschaft von Ihnen als Eltern. Jetzt braucht es sozusagen die elterliche Führung. Konzentrieren Sie sich dabei auf Ihr Wissen über die Bedürfnisse Ihrer Kinder und Ihre Fähigkeit, ihnen Ihre Grenzen zu zeigen.
Es wird einige abendliche Besuche neben dem Bett Ihres Sohnes brauchen, bis er alleine ein- und durchschläft.
Nicht zu lange diskutieren
Falls Sie jetzt denken, dass das ein zu hartes Vorgehen ist – keine Sorge. Sie haben schon sehr lange jeden möglichen Respekt für die Bedürfnisse der Kinder gezeigt. Sie haben eine wunderbare Komfortzone für alle geschaffen und die Beteiligten liebevoll umsorgt.
Nun ist es an Ihnen, Prioritäten zu setzen. Fast die Hälfte aller ein- bis fünfjährigen Kinder dieser Welt schläft in der Nacht unruhig und unregelmässig. Auch viele Ratgeber und Bücher zum Thema können das nicht ändern. Selbst jene nicht, die sich ausschliesslich auf die Bedürfnisse der Kinder, deren Eigenarten und schlechten Gewohnheiten konzentrieren.
Der Grund ist einfach: In diesem turbulenten Alter können die besten Eltern der Welt keine Ordnung und Harmonie in die inneren Zustände ihrer Sprösslinge bringen. Was Sie aber machen können, ist, verlässliche und sichere Rahmenbedingungen zu schaffen.
Über Jesper Juul:
Jesper Juul schreibt regelmässig exklusiv in der Schweiz für das Elternmagazin Fritz+Fränzi. Bestellen Sie jetzt ihr Abo!