Die Schule – unser Feind?

Illustration: Petra Dufkova / Die Illustratoren
Unser Bildungssystem ist in Verruf geraten. Aber den Kindern hilft das mediale Schulbashing nicht. Wie sollen Eltern damit umgehen?
In unserer Zeit, in der es auf Klickraten und Interaktionen in den sozialen Medien ankommt und gerne alles auf Facebook und Co. geteilt wird, was knackig und plakativ daherkommt, greifen Journalistinnen, Autoren und Expertinnen vermehrt auf die Strategie «Polarisieren und emotionalisieren» zurück. Mit Titeln wie «Schulinfarkt» oder «Das Lehrerhasser-Buch» wird um Aufmerksamkeit gebuhlt. Die Experten, die zum Thema Schule interviewt und in Talkshows eingeladen werden, vermischen berechtigte Kritik immer mehr mit populistischer Rhetorik.
Macht lernen dumm?
Precht leitete die Sendung mit folgender Pauschalisierung ein: «An unseren Schulen werden die Kinder von den falschen Leuten nach den falschen Methoden in den falschen Dingen unterrichtet.»
Das war vor sechs Jahren. Seither hat sich der Ton noch verschärft. Gerald Hüther behauptet, dass unsere Schulen unsere Kinder zu «Systemlingen» dressieren, die nicht selber denken können, sie zu unkreativen Kümmerwesen verkommen lassen.
«Bei ihrer Geburt sind 98% aller Menschen hochbegabt, nach der Schulzeit sind es nur noch 2 Prozent.»
Zitat aus dem Film «Alphabet»
Wem hilft es, Wut und Ängste zu schüren?
Daraus darf man aber keinesfalls schliessen, dass die Kinder dies in der Schule verlernen. Wir könnten analog zeigen, dass Kinder im Alter von vier Jahren sehr viel schneller eine neue Sprache aufnehmen als Zwölfjährige oder Erwachsene. Daraus abzuleiten, dass uns unsere sprachlichen Fähigkeiten durch die Schule abtrainiert werden, wäre aber alles andere als eine korrekte Schlussfolgerung.
Es ist richtig und wichtig, unser Bildungssystem immer wieder genau unter die Lupe zu nehmen, Mängel und Probleme zu benennen und auf Lösungen zu drängen. Wir dürfen kritisch sein, aber wir sollten unsere Kritikfähigkeit auch gegenüber den Kritikern bewahren und genauer hinschauen. Es ist niemandem gedient, wenn wir die Schule zum Feind erklären und unnötig Wut und Ängste schüren.
In der Schweiz lösen wir Probleme im Dialog.
Wir verlieren die guten Lehrer
Denn je negativer die Stimmung wird, je mehr die Schule zum Sündenbock für alle gesellschaftlichen Probleme erklärt wird, desto weniger junge Erwachsene werden sich aus den richtigen Gründen auf diesen Beruf einlassen.
Und je weniger Wertschätzung die Lehrkräfte für ihre immer anspruchsvoller werdende Arbeit erhalten, desto weniger können sie diese an unsere Kinder weitergeben und desto eher werfen gerade die Engagiertesten unter ihnen nach ein paar Jahren das Handtuch.
Noch haben die meisten Eltern Vertrauen in die Lehrpersonen.
Hüther und Precht haben eigentlich eine sehr schöne Botschaft: Sie sagen, dass Ermutigung und Beziehung der Schlüssel zum Lernen sind und nicht Abwertung. Sie betonen, dass Zusammenarbeit und konstruktiver Dialog und nicht Konkurrenzdenken und Feindseligkeit uns als Menschen weiterbringen.
Ich wünschte mir, dass wir mit dieser Haltung allen im Schulsystem begegnen – den Eltern, den Kindern und den Lehrpersonen. Und wir tun gut daran, dort kritisch hinzuschauen, wo Medien, Experten und wir selbst diese Haltung vermissen lassen.
