Plötzlich hat Mama frei
Keine Familien- und keine Arbeitszeit: Seit kurzem hat unsere Autorin am Mittwoch Vormittag frei und ist ein wenig überfordert mit dieser neuen Freiheit.
Bisher habe ich tagsüber immer entweder fürs Büro gearbeitet oder mich um die Kinder gekümmert. Ein Tag, an dem ich alleine zuhause war und weder Care- noch Lohnarbeit auf dem Plan standen, gab es bisher nicht. Frei hatte ich lediglich abends und da war und bin ich meist zu müde und zu faul, um noch etwas Sinnvolles anzupacken.
Nun ist es so, dass meine beiden Jungs seit den Sommerferien auch am Mittwochmorgen in den Kindergarten gehen. Im ersten Jahr haben sie vom reduzierten Pensum* profitiert – übrigens eine grossartige Sache. Und so habe ich unter der Woche einfach so mal vier Stunden frei.
<Frei> haben ist relativ
Um es gleich an dieser Stelle vorweg zu nehmen: Vier Stunden «frei» ist relativ. Selbstverständlich räume ich in diesen vier Stunden irgendwann den Frühstückstisch ab, starte eine Ladung Wäsche und bereite das Mittagessen vor, zum Beispiel. Und das ist ganz klar Familienarbeit, also streng genommen nicht frei. So wie auch Hausfrauen und -männer nicht frei haben, wenn sie die Familie managen.
Und doch ist dieser Mittwochmorgen ganz speziell für mich. Meine Zeit ist frei verfügbar und ungestört, Arzt- oder Coiffeurtermine können ohne separates Hüte-Organisieren geplant werden. Das hatte ich schon lange nicht mehr.
Der erste freie Morgen endet mit Frust
Auf den ersten freien Mittwochvormittag nach den Sommerferien fiebere ich regelrecht hin. Ich plane unter anderem Joggingtour, Kleiderräumaktion und Brotbacksession mit gleichzeitig spannendem Podcast im Ohr. Resultat: Ich habe mein Programm nicht annähernd geschafft und bin frustriert. Also: Neue Selbstreflexion und entschlacktes Programm.
Ich fange mit meinen Gedanken von vorne an:
- Meine Kinder gehen bisher fast ausnahmslos gerne in die Schule und in den Kindergarten. Ich finde, dass sie dort gut aufgehoben sind und sie super Lehrpersonen haben. Ich habe also kein schlechtes Gewissen, dass sie lieber zuhause wären.
- Ich darf nicht zu streng sein mit mir und in einen Optimierungswahn verfallen. Der Mittwochmorgen gehört mir, ich kann tun und lassen, was ich will. Wenn es mich zufrieden macht, den Keller aufzuräumen, dann ist das genau so okay wie im Bett liegen bleiben und Serien schauen oder aber joggen zu gehen und mir anschliessend eine Maniküre zu gönnen.
Der nächste Mittwoch klappt schon besser, ich mache ohne Druck Me-Time und räume irgendetwas auf. Im Austausch mit Freunden fällt mir auf, dass viele Familien diese freie Zeit schon länger eingeplant haben, auch mit kleineren Kindern. Sie nutzen es für sich, mal die Mutter, mal der Vater, oder aber als Puffer, wenn ein Kind krank war und Arbeit im oder ausserhalb des Haushalts nachgeholt werden muss. Gute Idee! Das Hamsterrad aka Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann man gut auch mal bewusst anhalten und neu ankurbeln.
A propos Serien: Mit all diesen Gedanken schaue ich die japanische Serie «Das Haus am Hang». Eine junge Mutter wird als Laienrichterin einberufen und soll mitentscheiden über eine andere Mutter, die ihr Kind mutmasslich habe ertrinken lassen. Die Serie beleuchtet auf so eindringliche Art und Weise den Familienalltag dieser gestressten und überforderten Mutter in Japan, dass es meine eigenen Luxus-Gedanken um den Mittwochvormittag noch einmal in ein neues Licht rückt.
Und so freue ich mich auf meinen nächsten Mittwoch. Egal ob mit Serie, im Keller oder beim Rennen.
Sie haben meine Gedanken gelesen, mich interessieren Ihre: Was machen Sie mit Ihrer freien Zeit?
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*Was ist das reduzierte Pensum?
Im Kanton Bern können Kindergartenkinder das erste Kindergartenjahr mit reduziertem Pensum besuchen. Was genau das heisst, wird pro Schule festgelegt. Bei uns hiess es, dass man sie ganz unbürokratisch an dem einen Nachmittag und/oder am Mittwochmorgen zuhause lassen konnte. Nach Absprache konnte das Pensum dann im ersten Jahr aufgestockt werden. Meine beiden wollten den Mittwochmorgen bis Ende des ersten Schuljahres zuhause bleiben. Mehr dazu: www.erz.be