Unsere Sommerlesetipps für Sie
Ob auf Balkonien oder unterwegs, ob Regen oder Sonnenschein, ob vorlesen oder selber abtauchen: Sommerferienzeit ist Bücherzeit. Hier kommen unsere Tipps für Sie und Ihre Familie.
Tipp von Nik Niethammer:
UM NICHT ZU VERZWEIFELN
«Ohne Humor wäre das Familienleben unerträglich», sagt Johann König. Spannend werde es, wenn man bei den Kindern den Fortschritt des Ironie-Verständnisses auslotet. «Papa, wo kommen die Schuhe hin? «Na, überleg mal. In die Toilette!» Wenn das Kind dann sagt: „Nein, in die Schuh-Tiste», sei der Fortschritt erkennbar, «wenn es aber Richtung Toilette eilt, sollte man hinterher laufen.»
Ich liebe Johann König. Der deutsche Komiker ist der beste seines Fachs, ein grossartiger Beobachter und Sprachvirtuose. Jetzt hat der dreifache Vater ein wahnsinnig lustiges Buch geschrieben über das Leben mit seinen Orgelpfeifen: wortreich («Zuhause wird schon mal gebrüllt. Aber nicht oft. Höchstens dreimal im Monat. Ansonsten verpufft die Wirkung») und detailgetreu («Papa, warum hast Du denn oben auf dem Kopf einen Kreis in deine Haar geschnitten? Ich schau meine Tochter an und überlege, sie im Affekt mit einem gezielten Handkantenschlag niederzustrecken. Dann fällt mir ein, dass das offiziell verboten ist, und lache künstlich mit»). In den zum Schreien komischen Schilderungen der täglichen Verzweiflung scheint immer wieder Königs unerschütterliche Liebe zu seinen Kindern durch. Ein tröstliches, ein wundervolles Buch!
Tipps von Claudia Landolt:
ZUM VORLESEN UND KICHERN
Wir kennen das: Gross und stark werden ist ein echtes Ziel für Kinder. So gross wie der Wolf etwa. Denn dieser läuft im Bilderbuch «Ich bin der Stärkste im ganzen Land!» durch den Wald, immer nur mit der Absicht, sich bestätigen zu lassen, dass er der Grösste, der Stärkste und Furchteinflössendste ist. Alle Tiere im Wald pflichten ihm bei: Das Häschen, die sieben Zwerge und das Schweinchen. Nur ein merkwürdiges Tier namens Quabbelwabbel stellt sich ihm in den Weg, ist frech und selbstbewusst. Ganz lustig, wie sich Kindergartenkinder über die naseweisen Antworten des kleinen Kröterichs namens Quabbelwabbel erfreuen. Ein wunderbares Vorlesebuch mit einer lustigen Pointe, die das Thema «gross und stark» wunderbar inszeniert.
SPIONAGEROMAN FÜR TEENAGER
Jeder Junge möchte wie James Bond sein, davon ist der Autor Charlie Higson überzeugt. Deshalb erfand er die Geschichte um einen Jungen, der noch James und noch nicht James Bond heisst, seine Eltern bei einem Unfall verloren hat und auf einem englischen Internat geschickt wird, wo er mit einem fiesen Mitschüler namens George fertig werden muss. Nicht nur das: Auf dem Anwesen von George, dessen Vater ein Lord und rechter Widerling ist, geht Dubioses vor sich. Forscher entwickeln ein Serum, das übermenschliche Kräfte verleihen soll. James macht sich auf, dem Biokriminellen das Handwerk zu legen. Eine andere Art von Detektiv- und Internatsgeschichte, die Jungs ab 12 Jahren gerne und in einem Zug durchlesen.
DAS SOMMERIDYLL: NACKTE FÜSSE IM HOHEN GRAS
Was ist Freundschaft? Wie wird man gross? Und was passiert mit den Müttern, wenn Kinder erwachsen werden? Der wunderbare Roman von Zsusa Bank erzählt und vom Grosswerden und von der Lebensfreundschaft dreier Kinder, Aja, Seri und Karl, und er fügt zum Freundschaftsdreieck der Kinder das der Mütter hinzu. Die achtzehn Jahre einer Kindheit und Jugend werden erzählt, als seien sie ein ewig scheinender Kindheitssommer. Abgelöst wird diese Idylle durch Ereignisse, die Brüche, Verluste und Rivalitäten offenbaren. Ein Sehnsuchtsroman mit Tiefgang.
Tipp von Leo Truniger:
FÜRS WOCHENENDE OHNE KINDER
Madame Michel, 54, verwitwet, ist schon ihr halbes Leben lang Concièrge in einem noblem Pariser Viertel und tut alles, um dem Ruf ihres Berufsstands gerecht zu werden: schlecht gekleidet, einsilbig bis missmutig, strähnige Haare, «eine siebzig Kilo schwere Kröte» , wie sie selber sagt. Sie gibt sich extra so, denn niemand soll wissen, dass sie sich mit Philosophie, Literatur, Film und Musik beschäftigt. In ihrem Haus wohnt auch Paloma, zwölfeinhalb, Tochter wohlhabender Eltern, die die hässliche und gemeine Welt an ihrem 13. Geburtstag verlassen will. Vorerst sammelt sie noch ihre tiefgründigen Gedanken – und schöpft Verdacht: «Madame Michel besitzt die Eleganz eines Igels …». Auch der neue Hausbewohner Ozu, ein reicher Japaner, entdeckt in Madame Michel die «gelehrte und geheime Prinzessin». Erfrischend, wie witzig oder bitterbös sich die beiden Frauen, die eigentlich gutherzig und zerbrechlich sind, über die Menschen und deren Sein und Schein unterhalten und sich Gedanken machen, wie die Welt besser sein könnte.
Tipps von Bianca Fritz:
FÜR FERIEN AUF DEM SCHWEIZER BAUERNHOF
Als Neuzuzügerin in die Schweiz verschlinge ich derzeit Bücher, die mir die Schweizer Seele näher bringen. Blanca Imboden gibt mit ihrem sehr leicht-verdaulichem Liebesroman «Schwingfest» einen lehrreichen Einblick in gleich zwei Schweizer Welten, die Stadtmenschen sonst eher verschlossen bleiben: die der Schwinger und die der Landwirte. Wetten, Sie werden dieses Buch nicht lesen können, ohne sich darüber Gedanken zu machen, ob das Bimmeln der Kuhglocken den Tieren schadet? Und das dringende Bedürfnis zu entwickeln all die Würfe und Kniffe doch einmal live im Sägemehl zu beobachten? Kleiner Warnhinweis, falls Sie das Buch tatsächlich auf einem Hof lesen: Der Untertitel «Verliebt in einen Bauern» könnte zu Missverständnissen führen.
FÜR DIE FAMILIENDISKUSSION
Smartphones machen süchtig, unproduktiv und unglücklich – das Fazit dieses Buches hat mich lange davon abgehalten, es zu lesen. So genau will man das jemand, der dieses kleine Arbeits- und Freizeitgerät wirklich sehr, sehr lieb gewonnen hat, gar nicht wissen. Und dann, im Urlaub, habe ich es doch gelesen. Alexander Markowetz zeigt eindrücklich, welche Mechanismen dafür sorgen, dass wir einfach auf unser Handy schauen MÜSSEN. Er erklärt eindrücklich, dass aufgrund der ständigen Unterbrechung ein Flowzustand, der so wichtig wäre für unsere Arbeit und das Zusammensein mit unserer Familie, nicht mehr zustande kommen kann. Mich als überzeugte Always-online-Frau hat Markowetz schwer zum Nachdenken gebracht. Jetzt habe ich eine neue App, die mich vor jedem Entsperren des Handys fragt: «Willst du das wirklich?» Das kann ganz schön nerven. Aber meine durchschnittliche Smartphone-Nutzungszeit habe ich dank diesem und weiteren konkreten Tipps von Markowetz ordentlich senken können. Dieses Buch ist eine super Grundlage für eine Diskussion in der Familie über gemeinsame Regeln für die Handynutzung.
ZUM NACHDENKEN UND FÜR DEN GUTEN ZWECK
Zu guter Letzt möchte ich noch ein E-Book empfehlen, das ich so gut kenne, wie kein anderes, weil ich es selbst herausgegeben habe. Beliebte Autoren wie Franz Hohler, Patrick Tschan, Zora Debrunner und Felicitas Pommerening schreiben Geschichten über ein Gefühl, das jeder kennt: Das Gefühl irgendwie fremd, ja, irgendwie falsch zu sein. Dieses Buch soll Mitgefühl für die Situation der Flüchtlinge wecken – und jeder eingenommene Rappen fliesst in Hilfsprojekte für Flüchtlingskinder. Die Geschichten sind so kurz, dass sie auch in der kurzen Atempause im Urlaub zwischen dem Wettschwimmen im Pool und dem Drama wegen der kaputten Sandburg gelesen werden können. Mehr über das Projekt habe ich hier Worldvision Schweiz erzählt.
Tipp von Irena Ristic:
FLÜSSIG GESCHRIEBENER KRIMI FÜR HEISSE TAGE AM STRAND
Gross, haarig und einbeinig – Cormoran Strike ist die Hauptperson in diesem Schmöcker. Typ Einzelgänger, pleite, mit rauer Schale und weichem Kern, ist Strike ein vielschichtiger Mann. Seine irgendwie verknitterte Sexiness kommt bei der Damenwelt gut an. Mehr schlecht als recht schlägt sich der Kriegsveteran und Ex-Militärpolizist als Privatdetektiv in London durch. Als ein berühmtes Model in den Tod stürzt, soll er die Wahrheit ans Licht bringen. Der Fall ist seine finanzielle Rettung, doch Strike ahnt nicht, das ihn seine Ermittlungen selbst in grosse Gefahr bringen werden. Die Tatsache, dass Robert Galbraith alias J. K. Rowling den «Ruf des Kuckucks» geschrieben hat, brachte mich erst auf die Spur des Privatdetektivs. Der Plot gefiel, die Geschichte ist flüssig geschrieben – die ideale Ferienlektüre. Ein Krimi, in guter alter britischer Tradition, baut langsam Spannung auf und setzt auf Stimmung und Atmosphäre ohne Blutvergiessen.