Kunst statt Nostalgie

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Unsere Kolumnistin über eine wunderschöne Tradition, die sie mit ihrer Mutter pflegt. Und die vielleicht auch ihre Tochter irgendwann übernehmen wird.
So empfand ich das auch schon als Kind: Wenn wir nach Griechenland oder Spanien zum Zelten fuhren, wurde das bildungsbürgerliche Programm nie vernachlässigt. Regelmässig verkündete man uns Kindern, es stehe nun ein Ausflug zu einer kulturellen Stätte an, wobei unser Interesse, durch zerfallene Ruinen zu stapfen und in antiken Tempeln den Spuren einer längst vergangenen Zeit nachzuforschen, noch kaum ausgeprägt war. Unsere Eltern lockten uns mit dem Versprechen, dass wir uns danach wieder am Strand austoben dürfen.
«Indem wir Traditionen aufrechterhalten, gedenken wir auch meines Vaters, ihres Ehemannes, den wir beide immer noch in uns tragen und vermissen.»
Anstatt die Stätten meiner Kindheit zu besuchen, pflege ich meine Nostalgie also lieber anhand gegenwärtiger Ereignisse, wie einer Kunstausstellung, die ich mit meiner Mutter besuche. Sie führen uns nicht nur in die Vergangenheit des Künstlers, sondern auch in unsere eigene. Kunst ist unsere Zeitmaschine.
Besuch von Kunstausstellungen – verbindende Familientradition
«Wir können uns dabei auf eine Weise begegnen, die über unser Verhältnis als Mutter und Tochter hinausgeht.»
Wahrscheinlich fand sie es vor allem anstrengend und hätte sich auch lieber am Strand vergnügt, wenn sie die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Gefreut habe ich mich trotzdem. Und ich hoffe, dass dereinst auch für uns eine gemeinsame Tradition erwachsen wird.
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