07. August 2016
5 Lektionen fürs Leben
Text: Michèle Binswanger / Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Lesedauer: 2 Minuten
Erziehung in fünf Lektionen? Das tönt vielleicht etwas ambitioniert. Es tönt wie: perfekt Latein in fünf Lektionen. Ich weiss nicht, wie viele hundert Lektionen Latein ich in meiner Jugend durchleiden musste, trotzdem habe ich dieses System nie richtig verstanden. Aber wer braucht schon Latein? Aber einen Kompass brauchen wir alle. Deshalb habe ich mich gefragt: Welches sind die entscheidenden Lektionen, die man im Leben lernt und also auch seinen Kindern vermitteln möchte? Jene, denen man immer und immer wieder begegnet, die man zu Beginn vielleicht selbst nicht begriff, bis eines Tages die Erkenntnis wie eine Stromsparbirne zu glühen begann und immer heller wurde? Nun, nach einiger Überlegung habe ich mich für die folgenden entschieden:
- Die Mühseligkeit einer Unternehmung, muss nicht unbedingt gegen sie sprechen. Ich gebe zu, meine anstehenden Wanderferien mit den Kindern mögen mich zu diesem Gedanken inspiriert haben. Aber es geht auch um mehr. Mir graute in der Pfadi vor den langen Tageswanderungen – aber die Erinnerung daran waren trotzdem positiv. Es geht darum zu lernen, Anstrengungen auf sich zu nehmen und sie in den Zusammenhang mit etwas Grösserem zu stellen, das man erreichen will. Die Lektion besteht denn auch darin zu lernen, den Moment zu transzendieren und seinen Blick aufs Ganze zu richten (obschon das Ganze nie ganz zu haben ist, aber das können wir hier nicht weiter ausführen). Das ist für Erwachsene natürlich ungleich leichter, als für Kinder. Aber genau darum, soll man es ihnen beibringen.
- Man muss sich selber treu bleiben. Am Ende des Tages geht man immer mit der einen Person ins Bett: mit sich selbst. Die Frage ist, wer das ist. Kinder denken, die Antwort auf diese Frage liege da draussen. Irgendwann begreift man: Die Antwort liegt nicht so sehr darin, was wir denken, sondern in dem, was wir tun, beziehungsweise nicht tun.
- Keine Regel ohne Ausnahme. Die einfachste von allen – auch wenn es manchmal schwierig ist, die Ausnahmen Kindern gegenüber zu begründen. Ich erwähne sie auch nur, weil ich jetzt dem vorangegangenen Punkt 2 widersprechen muss. Es gibt auch wirklich wichtige Momente, in denen man nicht alleine ist. Bei der Geburt zum Beispiel. In der Liebe. Die wirklich wichtigen Momente zeichnen sich vielleicht gerade dadurch aus, dass die fundamentale Einsamkeit des Individuums in seiner Existenz aufgehoben wird.
- Man kriegt nichts umsonst, man tut nichts umsonst. Das tönt etwas arg merkantilistisch, und ist natürlich nur mit Einschränkungen gültig (siehe Punkt 3). Was ich meine, ist: Der Mensch verhandelt stets, mit sich selbst, der Umwelt, den Mitmenschen. Jeder verfolgt seine eigenen Interessen. Jemand bietet dir etwas an – was erwartet er dafür? Was bist du bereit, selber zu geben und zu welchem Preis? Das einzige, was wirklich umsonst ist, ist die Liebe. Und Liebe ist nie vergeblich. Genau so wenig sind es die Fehler, die man macht. Solange man daraus lernt.
- Die Revolution ist persönlich. Man kann zwar die Illusion von Einfluss gewinnen, aber schliesslich tun die Menschen und tut die Welt, was ihnen und ihr gefällt. Man kann sie nicht ändern, nur sich selbst (siehe Punkt 2). Und so sind auch nicht die objektiven Ziele entscheidend, sondern dass man sich seinen Möglichkeiten entsprechend entfaltet.
Zur Autorin
Michèle Binswanger ist studierte Philosophin, Journalistin und Buchautorin. Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen, ist Mutter zweier Kinder und lebt in Basel.
Michèle Binswanger ist studierte Philosophin, Journalistin und Buchautorin. Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen, ist Mutter zweier Kinder und lebt in Basel.