Verträumte Kinder in der Schule

Bild: Jamie Grill Atlas/Stocksy
Stille Kinder, die Schwierigkeiten haben, sich auf den Unterricht zu konzentrieren gehen im Schulalltag häufig unter. Wie es Lehrpersonen gelingen kann, diese Kinder dort abzuholen, wo sie stehen, zeigen die folgenden Beispiele aus dem Schulalltag.
Wie Lehrpersonen Unterstützung bieten können, zeigen die folgenden Beispiele:
Claudia Matt, Lehrerin auf Primarstufe und Heilpädagogin im Kanton St. Gallen:
«Ein Tagesplan gibt verträumten Kindern Orientierung», sagt Lehrerin Claudia Matt.
Fabienne Schnyder, Lehrerin auf Primarstufe im Kanton Zürich:
Wichtig ist mir auch ein transparenter Umgang. Wir besprechen in der Klasse oft, dass wir Menschen alle unterschiedlich sind und Vielfalt etwas Schönes ist. Ich nehme mir immer wieder Zeit, um die verschiedenen Qualitäten der Kinder im Klassenverband zu würdigen. Auf der anderen Seite gehen wir offen damit um, dass wir Schwächen haben und es beispielsweise nicht für alle Kinder gleich einfach ist, an alles zu denken. Die Kinder unterstützen sich gerne gegenseitig, wenn man sie dazu einlädt. Beispielsweise frage ich: ‹Wer hilft XY dranzudenken, dass er/sie die Finken anzieht?›»
Andrea Meier, Lehrerin auf der 1. Oberstufe im Kanton Zürich:
Ein Mädchen ist extrem hibbelig und schweift im Unterricht oft ab. Sie erzählte mir, dass sie meine Stimme zwar aus der Ferne in ihren Tagträumen hört, wenn ich etwas erkläre. Den Auftrag verstehe sie aber nicht, weil er einfach nicht ankommt. Wenn ich jedoch vorbeigehe, sie direkt mit ihrem Namen anspreche und ihr freundlich sage ‹Konzentriere dich›, dann falle sie aus ihrem Traum heraus und bemerke, wie sie wieder richtig zuhört und die Aufgabe verstehe, sagt sie. Eine weitere Hilfe sei es für sie, wenn es ganz ruhig im Zimmer ist.
Das andere Mädchen hat eine diagnostizierte ADS, eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Sie sagt ebenfalls, dass sie Geräusche der Banknachbarn oder Bewegungen um sie herum aus der Ruhe bringen.
Beide Mädchen haben sich gewünscht, zukünftig mit Gehörschutz zu arbeiten. Ich erhielt auch von beiden den wertvollen Hinweis, dass sie die Aufgabe viel besser verstehen, wenn sie ganz kurze, klare Instruktionen erhalten. Ich merkte, dass ich als Lehrerin aufhören muss, soviel um die Arbeitsaufträge herumzureden, da muss ich mich an der eigenen Nase nehmen.
So mache ich mich auf den Weg mit meinen AD(H)S-Kids und werde im Austausch mit ihnen sicher noch mehr herausfinden, was ihnen konkret im Alltag hilft.»

Nadezhda De Salvador, Schulische Heilpädagogin im Kanton Aargau:
Ein offener Umgang damit ist wichtig. Hier kann eine Denk-Dran-Strategie Abhilfe schaffen. Ein ‹Denk daran› anstatt ein ‹Schon wieder vergessen› kann viel bewirken. Geschieht das ‹Vergessen› sehr häufig und wird die Situation für das Kind schwierig, weil es darunter leidet, ist Fantasie gefragt. Für vergessliche und unaufmerksame Kinder kann man einen Denk-Dran-Anhänger basteln.
Es ist wichtig, das Kind miteinzubeziehen. Auf der ersten Seite ist ein Helfer (ein Superheld, ein Ausrufezeichen oder ein Selbstporträt des Kindes) gefragt. Danach folgt auf jeder Seite einzeln das Material, das das Kind einpacken und auch wieder mit in die Schule bringen sollte. Dieses Material kann man abfotografieren oder das Kind selber zeichnen lassen. Das Kind soll zu den Piktogrammen oder Bildern einen persönlichen Bezug herstellen können. Und welches ‹Ich habe es geschafft!›-Piktogramm wünscht es sich? Ausdrucken, laminieren, lochen, mit einer Klammer fixieren: Es kann losgehen.»
Lesen Sie mehr zum Thema verträumte Kinder:
- Verträumte Kinder unter Druck
Sich konzentrieren, zuhören, selbständig arbeiten: Manchen Schulkindern bereitet das grosse Mühe. Warum neigen Kinder zum Tagträumen? Wie gehen Eltern und Lehrpersonen am besten mit einem verträumten Kind um? Und wie schaffen es Familien, im Alltag innezuhalten und gemeinsam zu träumen? - So unterstützen Sie verträumte Kinder
Kleine Träumer sind kreativ und fantasievoll, aber oft vom Alltag überfordert. Und in der Schule wird ihre Neigung zum Problem. Wie Eltern ihrem verträumten Kind helfen und es unterstützen können. - Krafttraining für den Willen
Was hilft, damit wir an einer Aufgabe hartnäckig dranbleiben, Ziele weiterverfolgen, auch wenn der Weg dorthin steinig ist? Ein haushälterischer Einsatz und das bewusste Trainieren unserer Willenskraft. - Mein Kind trödelt!
Wenig bringt Eltern so sehr auf die Palme wie Kinder, die trödeln. Warum kann sich die Tochter nicht einfach anziehen und an den Frühstückstisch kommen? Wie man Trödlern sanft auf die Sprünge hilft.
- «Alle ärgern ihn und sagen er sei ein Träumer»
Raffaela, 38, lebt mit ihrem Mann Metin, 43, und dem gemeinsamen Sohn Can, 7, in Luzern. Weil Can oft unkonzentriert ist, in der Schule nicht zuhört, hat die Lehrerin eine Abklärung auf ADS empfohlen.
- «Die Lehrer sollten nicht so viel am Stück erklären»
Der 9-jährige Julin wäre froh, wenn es in seiner Klasse ruhiger zugehen würde und die Lehrerin sich mehr Zeit nehmen würde. In seinem liebsten Fach Mathe hingegen versteht er alles, auch ohne zuzuhören.
- «In deinem Gehirn ist etwas kaputt»
Sindy Schenk, 39, ist gelernte Erzieherin. Sie war selbst ein verträumtes Kind und hat in ihrer Schulzeit schlechte Erfahrungen gemacht. Heute erkennt sie sich in ihrer Tochter wieder.