Sind wir unseres eigenen Glückes Schmied? Ganz so einfach ist es nicht, haben unsere Kolumnisten Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund erfahren. Sie wissen aber auch: Es gibt Wege zu mehr Lebenszufriedenheit.
Wenn wir Eltern fragen, was sie sich für das Leben ihrer Kinder am meisten wünschen, lautet die häufigste Antwort: «Dass sie glücklich sind!» Aber wie erreicht man das? Und warum scheitern so viele Menschen daran, obwohl sie verzweifelt nach dem Glück suchen?
Versuchen Sie einmal für sich, die folgenden zwei Fragen zu beantworten:
Wovon hängt die Lebenszufriedenheit eines Menschen ab?
Was kann man tun, um glücklich zu sein?
Wahrscheinlich fallen Ihnen verschiedene Dinge dazu ein – vermutlich eine Mischung aus eigenen Erfahrungen, Erkenntnissen, Prägungen aus Ihrer Kindheit und dem, was Sie gelesen und gehört haben.
Wie werden wir glücklich?
Auch die psychologische Forschung ist diesen Fragen nachgegangen und hat mittlerweile Antworten gefunden, die uns den Weg zu mehr Lebenszufriedenheit weisen können. Sonja Lyubomirsky, Psychologieprofessorin an der Universität Kalifornien, forscht seit vielen Jahren zum Thema Wohlbefinden und Glück. In ihrem Buch «The How of Happiness» zeigt sie anhand von Forschungsergebnissen, dass unsere Lebenszufriedenheit von drei Faktoren beeinflusst wird.
Der erste und einflussreichste wird Sie wahrscheinlich überraschen: Es sind unsere Gene. Viele Studien zeigen, dass jedem Menschen ein individueller «Grundpegel» an Lebenszufriedenheit angeboren ist. Die gross angelegte Studie «Genes, Economics and Happiness» mit über 20 00 Zwillingen kam zum Schluss, dass sich Unterschiede in der Lebenszufriedenheit zu etwa einem Drittel auf die Gene zurückführen lassen. Weitere Untersuchungen schätzen den Anteil der Gene noch höher ein – bis hin zu 80 Prozent. Zwar führen sowohl positive als auch negative Ereignisse zu kurzfristigen Stimmungsausschlägen nach oben oder unten – unser Glücksempfinden pendelt sich jedoch immer wieder und teilweise überraschend schnell auf unserem persönlichen Grundpegel ein.
Wer sich aktiv um seine Beziehungen kümmert und in eine Gemeinschaft eingebettet ist, ist glücklicher und lebt länger.
Die Binsenweisheit «Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied» trifft somit nur begrenzt zu. Während einige Menschen ein sonniges Gemüt haben, tun sich andere von klein auf schwer damit, frohen Mutes durchs Leben zu gehen. Wir hoffen, Sie werfen deshalb nicht gleich die Flinte ins Korn. Denn es gibt durchaus auch Bereiche, die wir für uns oder unsere Kinder beeinflussen können. Sie betreffen jedoch nicht Dinge, denen wir auf der Suche nach Glück üblicherweise hinterherjagen – den nächsten Erfolg, einen höheren Lebensstandard, besseres Aussehen oder tolle Ferien. Vielmehr geht es um eine Handvoll kleiner, glückspendender Gewohnheiten, die laut Forscherin Lyubomirsky als zweitwichtigster «Glücksfaktor» sogar einen deutlich stärkeren Einfluss auf unsere Lebenszufriedenheit haben als unsere Lebensumstände, Faktor Nummer drei. Eine kleine Auswahl davon möchten wir Ihnen vorstellen.
Nimm dir Zeit für wichtige Beziehungen
Seit nunmehr über 80 Jahren begleitet die berühmte Langzeitstudie «Harvard Study of Adult Development» ehemalige Harvard-Studenten und seit vielen Jahrzehnten auch deren Ehepartnerinnen und Kinder. Die Studienleiter gehen unter anderem der Frage nach, was Menschen langfristig gesund und zufrieden macht. Ein Faktor sticht dabei so klar heraus, dass man schon fast vom «Schlüssel zum Glück» sprechen kann: enge Beziehungen. Wer sich aktiv um seine Beziehungen zur Partnerin oder zum Partner, zu den eigenen Eltern, Kindern und Freunden kümmert und in eine Gemeinschaft eingebettet ist, bleibt länger gesund und geistig fit, ist über die gesamte Lebensspanne hinweg glücklicher und lebt sogar länger. Wichtig ist dabei nicht in erster Linie, dass diese Beziehungen konfliktfrei und harmonisch verlaufen, sondern dass sie einem das Gefühl geben, sich im Ernstfall aufeinander verlassen zu können.
Der wichtigste Faktor für Lebenszufriedenheit sind unsere Gene. Der Satz «Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied» trifft nur bedingt zu.
Beziehungspflege braucht Zeit. Unter Druck tendieren wir jedoch oft dazu, uns auf uns selbst zu konzentrieren, egoistisch zu werden und uns zu isolieren. Schöne Momente mit anderen Menschen stärken uns aber gerade dann, wenn wir das Gefühl haben, keine Zeit dafür zu haben. Wir können unseren Kindern aktiv vorleben, dass wir immer wieder bereit sind, den Job und unsere E-Mails ein wenig warten zu lassen, um Zeit miteinander zu verbringen. Und wir können ihnen zugestehen, dass sie auch dann ihre Freunde sehen können, wenn Prüfungen anstehen.
Unser Wohlbefinden steigt, wenn wir angenehme Gefühle wie Freude, Stolz, Dankbarkeit, Liebe und Hoffnung erleben. Es ist spannend, als Familie gemeinsam den Alltag unter die Lupe zu nehmen und sich zu fragen: In welchen Momenten bin ich besonders entspannt, fröhlich, ausgelassen? Was spendet mir Hoffnung? Wofür bin ich dankbar? Was geniesse ich? Was macht mich stolz? Das Wissen darum, was positive Gefühle in uns auslöst, hilft uns dabei, diese Momente intensiver wahrzunehmen und sie aktiver in den Alltag einzustreuen.
Setze dich für Dinge ein, die dir wichtig sind
Die australische Palliativpflegerin Bronnie Ware hat viele Jahre lang Sterbende begleitet und ist dabei der Frage nachgegangen, was diese am meisten bereuen. Die am häufigsten geäusserte Klage war: «Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu bleiben, statt so zu leben, wie es andere von mir erwarten.»
Uns begegnen immer wieder junge Erwachsene, die während ihrer Kindheit und Schulzeit so damit beschäftigt waren, herauszufinden, was andere von ihnen wollen, dass sie gar keine Antwort haben auf Fragen wie: Was interessiert dich? Was ist dir wichtig? Was gibt dir das Gefühl, dass dein Leben einen Sinn hat? Um ein zufriedenes Leben führen zu können, ist es aber zentral, dass Menschen Antworten auf solche Fragen finden. Das lernen sie nur, wenn wir als Eltern nicht das Ziel verfolgen, unser Kind zu formen, sondern es dabei unterstützen, das zu entdecken, was in ihm angelegt ist. Dazu müssen Kinder und Jugendliche immer wieder die Möglichkeit erhalten, sich mit ihren eigenen Interessen auseinanderzusetzen, ihre Stärken zu entdecken und einzusetzen, eigene Entscheidungen zu treffen und die Wege zu gehen, die zu ihnen passen, auch wenn sie von den Vorstellungen der Eltern abweichen.
Überall im Alltag versteckt sich das Glück. Machen Sie sich gemeinsam mit dem jungen Fuchs Jaron und dem Hasenmädchen Lotte auf Spurensuche.
Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler, Jaron auf den Spuren des Glücks, Verlag Hogrefe, 300 Seiten, ca. 33 Fr.
Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund
sind Psychologen und leiten die Akademie für Lerncoaching in Zürich. Die beiden eint der Wunsch, dass Kindergarten und Schule Orte sind, wo sich Kinder, Eltern und Lehrpersonen wohl fühlen und voneinander lernen können.