Dem Glück auf der Spur - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Merken
Drucken

Dem Glück auf der Spur

Lesedauer: 4 Minuten

Sind wir unseres eigenen Glückes Schmied? Ganz so einfach ist es nicht, ­haben unsere Kolumnisten Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund erfahren. Sie wissen aber auch: Es gibt Wege zu mehr Lebenszufriedenheit.

Text: Stefanie Rietzler & Fabian Grolimund
Bilder: zVg

Wenn wir Eltern fragen, was sie sich für das Leben ihrer Kinder am meisten wünschen, lautet die häufigste Antwort: «Dass sie glücklich sind!» Aber wie erreicht man das? Und warum scheitern so viele Menschen daran, obwohl sie verzweifelt nach dem Glück suchen?

Versuchen Sie einmal für sich, die folgenden zwei Fragen zu beantworten:

  • Wovon hängt die Lebenszufriedenheit eines Menschen ab?
  • Was kann man tun, um glücklich zu sein?

Wahrscheinlich fallen Ihnen verschiedene Dinge dazu ein – vermutlich eine Mischung aus eigenen Erfahrungen, Erkenntnissen, Prägungen aus Ihrer Kindheit und dem, was Sie gelesen und gehört haben.

Wie werden wir glücklich?

Auch die psychologische Forschung ist diesen Fragen nachgegangen und hat mittlerweile Antworten gefunden, die uns den Weg zu mehr Lebenszufriedenheit weisen können. Sonja Lyubomirsky, Psychologieprofessorin an der Universität Kalifornien, forscht seit vielen Jahren zum Thema Wohlbefinden und Glück. In ihrem Buch «The How of Happiness» zeigt sie anhand von Forschungsergebnissen, dass unsere Lebenszufriedenheit von drei Faktoren beeinflusst wird. 

Der erste und einflussreichste wird Sie wahrscheinlich überraschen: Es sind unsere Gene. Viele Studien zeigen, dass jedem Menschen ein individueller «Grundpegel» an Lebenszufriedenheit angeboren ist. Die gross angelegte Studie «Genes, Economics and Happiness» mit über 20 00 Zwillingen kam zum Schluss, dass sich Unterschiede in der Lebenszufriedenheit zu etwa einem Drittel auf die Gene zurückführen lassen. Weitere Untersuchungen schätzen den Anteil der Gene noch höher ein – bis hin zu 80 Prozent. Zwar führen sowohl positive als auch negative Ereignisse zu kurzfristigen Stimmungsausschlägen nach oben oder unten – unser Glücksempfinden pendelt sich jedoch immer wieder und teilweise überraschend schnell auf unserem persönlichen Grundpegel ein.

Wer sich aktiv um seine Beziehungen kümmert und in eine Gemeinschaft eingebettet ist, ist glücklicher und lebt länger. 

Die Binsenweisheit «Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied» trifft somit nur begrenzt zu. Während einige Menschen ein sonniges Gemüt haben, tun sich andere von klein auf schwer damit, frohen Mutes durchs Leben zu gehen. Wir hoffen, Sie werfen deshalb nicht gleich die Flinte ins Korn. Denn es gibt durchaus auch Bereiche, die wir für uns oder unsere Kinder beeinflussen können. Sie betreffen jedoch nicht Dinge, denen wir auf der Suche nach Glück üblicherweise hinterherjagen – den nächsten Erfolg, einen höheren Lebensstandard, besseres Aussehen oder tolle Ferien. Vielmehr geht es um eine Handvoll kleiner, glückspendender Gewohnheiten, die laut Forscherin Lyubomirsky als zweitwichtigster «Glücksfaktor» sogar einen deutlich stärkeren Einfluss auf unsere Lebenszufriedenheit haben als unsere Lebensumstände, Faktor Nummer drei. Eine kleine Auswahl davon möchten wir Ihnen vorstellen.

Nimm dir Zeit für wichtige Beziehungen

Seit nunmehr über 80 Jahren begleitet die berühmte Langzeitstudie «Harvard Study of Adult Development» ehemalige Harvard-Studenten und seit vielen Jahrzehnten auch deren Ehepartnerinnen und Kinder. Die Studienleiter gehen unter anderem der Frage nach, was Menschen langfristig gesund und zufrieden macht. Ein Faktor sticht dabei so klar heraus, dass man schon fast vom «Schlüssel zum Glück» sprechen kann: enge Beziehungen. Wer sich aktiv um seine Beziehungen zur Partnerin oder zum Partner, zu den eigenen Eltern, Kindern und Freunden kümmert und in eine Gemeinschaft eingebettet ist, bleibt länger gesund und geistig fit, ist über die gesamte Lebensspanne hinweg glücklicher und lebt sogar länger. Wichtig ist dabei nicht in erster Linie, dass diese Beziehungen konfliktfrei und harmonisch verlaufen, sondern dass sie einem das Gefühl geben, sich im Ernstfall aufeinander verlassen zu können.

Der wichtigste Faktor für Lebenszufriedenheit sind unsere Gene. Der Satz «Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied» trifft nur bedingt zu.

Beziehungspflege braucht Zeit. Unter Druck tendieren wir jedoch oft dazu, uns auf uns selbst zu konzentrieren, egoistisch zu werden und uns zu isolieren. Schöne Momente mit anderen Menschen stärken uns aber gerade dann, wenn wir das Gefühl haben, keine Zeit dafür zu haben. Wir können unseren Kindern aktiv vorleben, dass wir immer wieder bereit sind, den Job und unsere E-Mails ein wenig warten zu lassen, um Zeit miteinander zu verbringen. Und wir können ihnen zugestehen, dass sie auch dann ihre Freunde sehen können, wenn Prüfungen anstehen.

Koste schöne Momente aus

Unser Wohlbefinden steigt, wenn wir angenehme Gefühle wie Freude, Stolz, Dankbarkeit, Liebe und Hoffnung erleben. Es ist spannend, als Familie gemeinsam den Alltag unter die Lupe zu nehmen und sich zu fragen: In welchen Momenten bin ich besonders entspannt, fröhlich, ausgelassen? Was spendet mir Hoffnung? Wofür bin ich dankbar? Was geniesse ich? Was macht mich stolz? Das Wissen darum, was positive Gefühle in uns auslöst, hilft uns dabei, diese Momente intensiver wahrzunehmen und sie aktiver in den Alltag einzustreuen.

Setze dich für Dinge ein, die dir wichtig sind

Die australische Palliativpflegerin Bronnie Ware hat viele Jahre lang Sterbende begleitet und ist dabei der Frage nachgegangen, was diese am meisten bereuen. Die am häufigsten geäusserte Klage war: «Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu bleiben, statt so zu leben, wie es andere von mir erwarten.»
Uns begegnen immer wieder junge Erwachsene, die während ihrer Kindheit und Schulzeit so damit beschäftigt waren, herauszufinden, was andere von ihnen wollen, dass sie gar keine Antwort haben auf Fragen wie: Was interessiert dich? Was ist dir wichtig? Was gibt dir das Gefühl, dass dein Leben einen Sinn hat? Um ein zufriedenes Leben führen zu können, ist es aber zentral, dass Menschen Antworten auf solche Fragen finden. Das lernen sie nur, wenn wir als Eltern nicht das Ziel verfolgen, unser Kind zu formen, sondern es dabei unterstützen, das zu entdecken, was in ihm angelegt ist. Dazu müssen Kinder und Jugendliche immer wieder die Möglichkeit erhalten, sich mit ihren eigenen Interessen auseinanderzusetzen, ihre Stärken zu entdecken und einzusetzen, eigene Entscheidungen zu treffen und die Wege zu gehen, die zu ihnen passen, auch wenn sie von den Vorstellungen der Eltern abweichen.
Überall im Alltag versteckt sich das Glück. Machen Sie sich gemeinsam mit dem jungen Fuchs Jaron und dem Hasenmädchen Lotte auf Spurensuche.  Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler, Jaron auf den Spuren des Glücks, Verlag Hogrefe, 300 Seiten, ca. 33 Fr.
Überall im Alltag versteckt sich das Glück. Machen Sie sich gemeinsam mit dem jungen Fuchs Jaron und dem Hasenmädchen Lotte auf Spurensuche.

Fabian Grolimund und Stefanie Rietzler, Jaron auf den Spuren des Glücks, Verlag Hogrefe, 300 Seiten, ca. 33 Fr.

Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund
sind Psychologen und leiten die Akademie für Lerncoaching in Zürich. Die beiden eint der Wunsch, dass Kindergarten und Schule Orte sind, wo sich Kinder, Eltern und Lehrpersonen wohl fühlen und voneinander lernen können.

Alle Artikel von Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund

Mehr zum Thema Glück:

Reisen mit Teenagern
Elternblog
«Das Glück reist mit»: Moderne Nomaden
Eine Familie geht auf Reisen und merkt, dass sie nicht mehr sesshaft werden möchte. Drei Einsichten, die sie am meisten überrascht haben.
Video
Was braucht eine Familie, um glücklich zu sein?
Wie werden wir glücklich? Und wie können wir dafür sorgen, dass unsere Familie glücklich ist? Darüber spricht Psychologe Fabian Grolimund im Gespräch mit Nik Niethammer.
Fördern Sie den Optimismus Ihres Kindes
Erziehung
Fördern Sie den Optimismus Ihres Kindes
Optimistische Menschen haben es leichter im Leben. Sie können den Alltag besser geniessen, trauen sich zu und können sogar mit Rückschlägen und Misserfolgen besser umgehen. Möchten Sie Ihrem Kind dabei helfen, ein wenig optimistischer zu werden?
«Wir hören einander zu»
Erziehung
«Wir hören einander zu»
Thomas Lottermoser, 52, und seine Frau Gunda Lottermoser-Niedermeyer, 48, erzählen, dass sich die Familie ihr Glück erarbeiten musste.
Welcher Glückstyp sind sie?
Familienleben
Welcher Glückstyp bin ich?
Was bedeutet Glück für Sie? Wahrscheinlich finden Sie sich mit Ihrer Antwort in mindestens einem der drei Glückstypen wieder, die der ­Psychologieprofessor Shigehiro Oishi beschreibt.
Erziehung
«Charakterstärken kann man trainieren»
«Wenn man sein Leben um die eigenen Stärken herum aufbaut, geht es einem besser» Der Persönlichkeitspsychologe Willibald Ruch sagt, welche Faktoren zu einem glücklichen Leben führen – und wie Sie Ihr Kind auf dem Weg dahin unterstützen können.
Dem Glück auf der Spur
Familienleben
Was braucht es für ein glückliches Familienleben?
Können wir Glücklichsein beeinflussen? Und was lernen wir von Menschen, die nach einem Schicksalsschlag zurück ins Leben gefunden haben?
Familienglück: Unser Thema im Dezember und Januar
Fritz+Fränzi
Familienglück: Unser Thema im Dezember und Januar
Was uns Menschen lehren, die Schicksalsschläge überwunden haben – und wie Eltern und Kinder ihr Glücklichsein beeinflussen können.
Über Kinderfreundschaften
Familienleben
Alles fürs Kind
Das glückliche Kind ist das neue Statussymbol und wird zur Erlöserfigur, die die ganze Welt retten soll, findet Kolumnist Mikael Krogerus.
Familienleben
Was Mütter glücklich macht
Die unmöglich unverbindlichen Teenies sind eben auch schon kleine Erwachsene. Michèle Binswanger beschreibt, was sie als Mutter glücklich macht.
Julia Vincenz: «Meinen Eltern ist mein ganz persönliches Glück das Wichtigste»
Entwicklung
«Meinen Eltern ist mein Glück das Wichtigste»
Julia Vincenz macht eine ­Ausbildung zur Fachfrau Betreuung und lebt mit ihren Eltern Martina Arpagaus und Curdin Vincenz sowie ihrem Bruder Florian in Zürich.
Schule21 macht glücklich
Gesellschaft
Schule21 macht glücklich
Im Schweizer Bildungssystem besteht neben dem Lehrplan 21 keine gemeinsam getragene Vision. Höchste Zeit, dies zu ändern!