Haben Sie noch Sex oder schon Kinder? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Haben Sie noch Sex oder schon Kinder?

Lesedauer: 6 Minuten

In vielen Elternbetten herrscht sexuelle Flaute, sobald Kinder da sind. Weil Sex zur logistischen Herausforderung wird. Weil man übermüdet ist. Weil die Lust fehlt. Fünf Paare erzählen, warum ihnen der Sex abhanden gekommen ist. Und wie sich das anfühlt. 

Geschrumpfter Sextrieb

Nora, 43, Krankenschwester, und Philipp, 47, Arzt, sind seit fast 20 Jahren ein Paar. Sie haben zusammen drei Kinder. Der Alltags- und Organisationsstress macht ihnen sehr zu schaffen. Beide wünschen sich mehr Sex, vor allem Nora. Sie zweifelt daran, dass ihr Mann sie noch begehrt, weil er einfach keine Initiative mehr ergreift.

Philipp: Ich hätte mir das nie träumen lassen, dass ich keine Lust mehr auf Sex habe. Mein Sextrieb ist total geschrumpft. Seit ich mich selbständig gemacht habe, arbeite ich noch mehr als sonst, 80 Stunden sind keine Ausnahme. Dazu die Angst, dass ich meine Familie nicht ernähren kann. So eine neue Existenz ist ja auch immer mit einem Risiko verbunden. Ich weiss, dass der Jobstress nicht ideal ist und mir nicht guttut. Ich schlafe auf dem Sofa vor dem Fernseher ein und habe keine Nerven für meine Kinder. Das macht mich fertig. Meine Frau tut, als ob es nur an mir läge, dass wir kaum noch miteinander schlafen. Das macht ja nicht gerade weniger Druck. Sag, Nora, das letzte Mal, wann war das?

Nora: An Silvester. Wir hatten kinderfrei.

Philipp: Was, so lange, das kann doch nicht sein!

Nora: Doch. Ich weiss schon gar nicht mehr, wann du das letzte Mal scharf auf mich warst.

Philipp: Das ist Quatsch, und dass du das denkst, stresst mich ganz schön. Ich habe sowieso schon das Gefühl, dass etwas mit mir nicht stimmt. Wenn ich mich in meinem Freundeskreis umhöre, habe ich den Eindruck, dass keiner meiner Freunde so abgetörnt ist wie ich.

Nora: Uns fehlt schlicht die Zeit. Wir geben uns ja nur noch die Klinke in die Hand, und die Woche ist dermassen getaktet, dass ich mir vorkomme wie ein ferngesteuertes Alien. Auch wenn ich abends eher in Kuschelstimmung bin, würde ich manchmal zu gerne mit dir schlafen, kann mich aber nicht aufraffen, den ersten Schritt zu tun, weil ich ja selber so müde bin.

Philipp: Das hört sich ja auch nicht toll an. Ich möchte nicht, dass du dich überwinden musst, um mit mir zu schlafen!

Nora: Klar. Mir reicht es aber auch nicht, mich wie eine vertrocknete Jungfrau zu fühlen und zu hoffen, dass mein Mann irgendwann mal nicht mehr wie eine müde Pflaume abends rumhängt. Letzthin habe ich mich dabei ertappt, wie ich anderen Männern nachgesehen habe und mich nach einer aufregenden Affäre sehnte. Das kann es doch nun wirklich nicht sein!

Zu wenig Sex

Lily, 35, Hausfrau, und Thomas, 40, Arzt, haben zusammen einen siebenjährigen Sohn. Sex ist in ihrer Beziehung sehr wichtig. Doch seit sie ein Kind haben, ist nichts mehr so wie vorher. Lily mag Abendsex und schläft gerne aus, Thomas hingegen muss früh raus. Beide haben weniger Sex, als sie wollen, und sind deswegen oft frustriert.

Lily: Ich sehne mich oft nach dem leidenschaftlichen, spontanen Sex von einst zurück. Da Thomas schnarcht und Schicht arbeitet, haben wir getrennte Schlafzimmer. Manchmal schleiche ich mich nachts zu ihm, doch das mag er nicht, weil er durch seine Arbeitszeiten in der Klinik oft übermüdet ist. Dann liege ich nachts wach im Bett und mache mir Sorgen, ob unsere Beziehung eine Krise durchmacht und wie das weitergehen soll. Wenn wir es alle paar Wochen tun, hat der Sex nicht auch nur annähernd die Qualität von früher. Es ist nach wenigen Minuten vorbei. Da ich mehrere Fehlgeburten hatte, habe ich manchmal Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, besonders bei Quickies. Ich ertappe mich dann, den Akt durchzuziehen, weil ich Thomas nicht enttäuschen will. Ich hoffe, dass sich das irgendwie wieder legt und wir wieder Spass miteinander haben können, ohne das Gefühl, jetzt einfach nur Zackzacksex zu haben, um sich zu beweisen, dass man noch ein Paar ist.

Thomas: Mit Lily hatte ich Triple-A-Sex – bevor unser Sohn zur Welt kam. Lily war ein Modeltyp, gross und gertenschlank. Die Schwangerschaftskilos hat sie nie ganz weggekriegt. Das stört mich nicht, auch wenn ich sie früher heisser fand. Eine Beziehung ohne Sex käme für mich aber nie in Frage. Umso mehr fällt es mir schwer, zu akzeptieren, dass unsere Sexquote dermassen mies ist, seit wir ein Kind haben, das ein schlechter Schläfer und dauernd krank ist. Manchmal fühle ich mich wie eine Rakete vor dem Start, es ist, als ob mein Unterleib gleich explodieren würde. Dann haben wir Notsex. Der hinterlässt aber einen schalen Beigeschmack, weil ich weiss, dass es für beide eigentlich unbefriedigend ist. Ich habe Angst, dass das jetzt für immer so bleibt.

«Ich hätte mir das nie träumen lassen, dass ich keine Lust mehr auf Sex habe».

Philipp, 47, Arzt

Sex wird überbewertet

Samuel, 51, ist Berater und seit 20 Jahren mit seiner Frau Lisa, 48, einer Lehrerin, zusammen. Sie haben zwei Kinder im Teenageralter. Er findet, Sex werde überbewertet. 

Samuel: Ich war meiner Frau immer treu, auch wenn es Versuchungen gab, gerade in Krisensituationen. Aber für mich ist klar, dass wir zusammengehören. Ebenso klar ist mir und auch Lisa, dass Sex nach so vielen Jahren ein anderer Stellenwert hat als früher. Wenn wir jetzt miteinander schlafen, alle paar Wochen einmal, ist der Sex sehr zärtlich, ein ausgedehntes Liebesspiel. Der Orgasmus steht dabei gar nicht so im Vordergrund, zumal ich ja auch schon älter bin. Wenn wir jetzt miteinander schlafen, ist es eine Begegnung, kein schneller Sex. Wir sind im Alltag sehr zärtlich zueinander, umarmen uns oft, küssen uns jedes Mal, wenn wir uns sehen, und lachen viel zusammen. Das ist mir sehr viel wert. Als ich jünger war und die Kinder klein, haben mich Sexflauten immer gestört. Mittlerweile sehe ich es anders. Ich glaube, Sex wird in langjährigen Beziehungen schlicht überbewertet. Es gibt immer Phasen, in denen der eine weniger Lust hat oder Sex für ihn einfach kein Thema ist. So what? Das ist kein Grund, sich zu trennen oder eine Affäre zu beginnen. Die Nähe zwischen zwei Menschen, die unbedingte Loyalität, die gemeinsame Geschichte ist doch viel mehr wert als eine schnelle Nummer, die mir bloss beweist, was für ein toller Hecht man noch ist.

Keine Lust auf ihn

Sonja, 39, Kindergärtnerin, ist seit dreizehn Jahren mit ihrem Mann Lukas, 38, einem Polizisten, liiert. Sie sind Eltern von dreijährigen Zwillingen. Vor der Geburt hatten die beiden ein regelmässiges Sexleben. Seit Geburt der Kinder herrscht totale Flaute: kein Sex seit fast vier Jahren. 

Sonja: Vielleicht stimmt ja etwas nicht mehr mit mir. Ich finde meinen Mann attraktiv; er ist ein toller Vater und ein sehr loyaler, grosszügiger Partner. Unsere Beziehung verläuft harmonisch. Wir tauschen Zärtlichkeiten aus und küssen uns, doch mehr geht nicht. Schon in der Schwangerschaft hatten wir kaum Sex, er begehrte mich weniger als zuvor, sagte, er hätte Angst, dem Baby zu schaden. Ich glaube jedoch, es lag an meinem wirklich dicken Bauch. Dass die Erotik zwischen uns weg ist, beschäftigt mich sehr, auch wenn ich nicht ganz unschuldig daran bin. Kurz nach der Geburt fand ich SMS von ihm an eine andere Frau. Ich bekam die Krise. Ich zu Hause mit den Zwillingen, zu Tode erschöpft, unattraktiv und mit Schwabbelbauch, und mein Mann hat eine Affäre? Das hat mich so empört, dass ich mich zurückzog. Nach einem Jahr kehrte ich an meinen Arbeitsplatz zurück und lernte einen Mann kennen, in den ich mich rettungslos verliebte. Der Sex war so, wie man ihn sich vorstellt: heftig, explosiv. Aus schlechtem Gewissen beendeten wir die Sache und gingen freundschaftlich auseinander. Mein Mann weiss von der Geschichte. Eine Trennung ist für uns beide kein Thema. Doch ob ich eine sexlose Beziehung auf Dauer weiterführen kann, bezweifle ich. Ich hoffe sehr, dass es irgendwann auch wieder mit der Lust klappt und er in mir wieder die heisse Frau sieht, in die er sich einmal verliebte, nicht nur das Muttertier.

«Wir tauschen Zärtlichkeiten aus und küssen uns, doch mehr geht nicht»

Sonja, 39, Kindergärtnerin

Porno und Facebook

Eric, 39, ist Informatiker, Vater von zwei Kindern. Seine Frau Sandra, 40, kennt er seit 15 Jahren. Nun hat die Anziehung nachgelassen. Den Kick holt sich Eric daher woanders – bei Pornos und in Chats mit einer Jugendliebe.

Eric: Während meines Studiums verliebte ich mich unsterblich. Es war kompliziert und dauerte nicht lange. Doch ich habe diese Frau nie vergessen. Inzwischen ist sie verheiratet und hat ebenfalls Kinder. Über Facebook fand ich sie zufällig wieder. Jetzt ist sie das Objekt meiner sexuellen Fantasien, mit denen ich mein träge gewordenes Sexleben aufpeppe. Ich kontaktiere sie über Chats und fantasiere eine gemeinsame Begegnung zusammen. Das erregt mich dann so sehr, dass ich mich befriedigen muss, einmal sogar auf der Toilette in meiner Firma. Das ist besser als jeder Porno. Gegen Pornos als Stressabbau hat meine Frau nichts, aber wenn sie das mit dieser ehemaligen Flamme herausfinden würde, wäre ich geliefert. Oft habe ich deswegen ein schlechtes Gewissen, denn ich liebe meine Frau ja und will sie gar nicht verlassen.

Sandra: Ich liebe Eric sehr. Zu Beginn unserer Beziehung konnten wir voneinander nicht genug kriegen. Ich bin eher prüde, er gar nicht, das war interessant! Eric war der erste Mann, mit dem ich einen Porno schauen konnte, ohne rot zu werden. Wir haben eine sehr enge Beziehung und machen fast alles zusammen. Für mich ist es normal, dass die Erotik mit den Jahren nachgelassen hat. Wir haben noch Sex, einfach nicht mehr so häufig wie früher. Gute Gespräche und eine wirkliche Anteilnahme am gegenseitigen Leben ist mir aber heute fast wichtiger; ich finde das intimer als den reinen Sex. Ich weiss, dass Eric wohl gern mehr Sex hätte, aber genug reif ist, um die Situation zu akzeptieren.