29. Oktober 2021
«Hilfe, mein Kind soll in einem Schul-Verhör andere anschwärzen!»

Helena, 43, und Peter, 43, Meilen ZH
Lesedauer: 1 Minuten
Eine Frage – drei Meinungen
In der Klasse unseres Kindes (6. Primarklasse) kommt es immer wieder zu Zänkereien. Als Folge mussten die Kinder schriftlich auf folgende Fragen antworten: Wer hat das Sagen in der Klasse? Wer hat viel Streit? Wer wird ausgegrenzt? Aufgrund der Antworten will nun ein Team von Lehrpersonen und Schulsozialarbeitern an den Sozialkompetenzen der Kinder arbeiten. Unser Kind fühlt sich bei diesem Vorgehen unwohl. Sind solche Umfragen denn erlaubt? Was halten Sie davon? Gabriela, 40, Basel
Das sagt unser Expertenteam dazu:
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Stefanie Rietzler
Wahrscheinlich will das Team anhand der Antworten der Kinder ein Soziogramm erstellen, bei dem das Beziehungsgefüge sichtbar gemacht wird – und davon ausgehend eine geeignete Klassenintervention planen. Dabei ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. Dass sich Ihr Kind mit dem Vorgehen unwohl fühlt, kann ich gut nachvollziehen. Es wäre wichtig, dass die Erwachsenen klar kommunizieren, wer die Antworten zu Gesicht bekommt und wie diese genau ausgewertet werden. Auch sollten die Kinder sicher sein dürfen, dass im Zuge der Umfrage niemand beschämt wird, indem etwa Meinungsführerinnen oder Mobbingopfer öffentlich präsentiert werden. -
Nicole Althaus
Ich kenne diese Fragen nur zu gut. Auch in der Primarklasse meiner Tochter wurde einst ein Schulsozialarbeiter eingesetzt und die Kinder wurden verhört. Immerhin: Die Tortur hat zu einem Wechsel der Lehrperson geführt. Der neue Lehrer war ein Vertreter alter Schule, er schaute und hörte sich eine Zeitlang um, griff durch und brachte Ruhe in die Klasse. Fragen Sie Ihr Kind, wovor es Angst hat, sagen Sie ihm, dass es niemanden gegen seinen Willen anschwärzen muss. Falls es selbst zu den Zänkern gehört, bleibt ihm wohl nichts anderes übrig, als sich der Tatsache zu stellen und sich zu bessern. -
Peter Schneider
Schlimmstenfalls wird dabei der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben, bestenfalls bewirkt das Ganze eine Befriedung der Situation. Ich weiss es doch auch nicht. Manchmal sind wir Erwachsenen ja empfindlicher als die Kinder. Nun ist es aber so, dass nicht nur Sie, sondern auch Ihr Kind ein Unbehagen gegen diese Mischung aus Gruppenverhör und Sozialkompetenztraining empfindet. Fragen Sie es, was es befürchtet. Als «Übeltäter» an die Kasse zu kommen? Sich als «Schwächling» offenbaren zu müssen? Eventuell müssen Sie darüber noch einmal mit den Lehrpersonen sprechen.
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