Das Editorial im November
Ohne Kathrin ginge es nicht. Kathrin ist meine Schwiegermutter – eine rüstige Endsechzigerin und ehemalige Sonderschullehrerin. Was für ein Glück, dass sie Kinder noch immer sehr liebt – unsere kleinen Strolche ganz besonders. Die Liebe ist gegenseitig – die Kinder geniessen die Zeit beim Grossmami. Sie lebt in einer Villa Kunterbunt, wo fast alles erlaubt ist; da gibt es einen Hund, ein Kätzchen, einen grossen Garten, ein Gemüsebeet und viele Bäume zum Klettern. Beim Grossmami dürfen die Kinder Mondstein schlecken, sich vom Balkon abseilen, Feuer machen und im hauseigenen Steinbruch Steine klopfen.
Ohne Kathrin ginge es nicht. Denn auch meine Frau ist berufstätig und als Reisejournalistin viel unterwegs. Wir teilen uns Pflege und Hege unserer Kinder, so gut es eben geht. Ich arbeite beim Schweizer ElternMagazin 80 Prozent, Freitag ist Papitag, ich schmiere Pausenbrote, putze die Schuhe vom letzten Waldtag, verarzte Wunden, flicke verstopfte Abflussrohre. Wir fahren Rad, ich geh einkaufen, erledige Rechnungen, besuche den Elternabend.
Ohne Kathrin ginge es nicht. Meine Schwiegermutter unterstützt unsere kleine Familie mit Rat und Tat. Stets gut gelaunt, zaubert sie in Windeseile Berge von Essen auf den Tisch, lässt sich selbst von der frühpubertierenden Tochter nicht aus der Fassung bringen, übt mit dem Junior Schlagzeug, malt und töpfert und schnitzt mit den Kindern und hält uns den Rücken frei, wenn meine Frau und ich zu viele Bälle in der Luft haben.
Ohne Kathrin ginge es nicht. Deshalb an dieser Stelle und ganz offiziell: vielen Dank, liebe Kathrin und allen Grossmüttern und Grossvätern dieser Welt für die Unterstützung. Die Geduld. Die Zeit. Und die Inspiration.
Wie aber gelingt das Nebeneinander von Familie und Beruf, wenn keine Kathrin zur Stelle ist? Wenn der Arbeitgeber keine Teilzeit zulässt? Wenn nicht im Homeoffice gearbeitet werden kann? Kann das überhaupt gelingen? Was muss sich ändern in der Wirtschaft, der Politik, damit berufstätige Müttter endlich gleiche Voraussetzungen vorfinden wie berufstätige Väter? Und wie können berufstätige Mütter entlastet werden? Davon handelt unser Dossier «Familie und Beruf: Die Lüge von der Vereinbarkeit».
«Das weibliche soziale Netz – Mütter, Schwestern,
Freundinnen – entlastet
berufstätige Frauen am
nachhaltigsten.»Irene Mariam Tazi-Preve, österreichische
Familienforscherin und Politwissenschaftlerin
Ich wünsche Ihnen wie immer viel Lesevergnügen mit unserem Magazin.
Herzlichst, Ihr Nik Niethammer