Die Schule – unser Feind?
Unser Bildungssystem ist in Verruf geraten. Aber den Kindern hilft das mediale Schulbashing nicht. Wie sollen Eltern damit umgehen?
Es fällt mir nicht leicht, den heutigen Artikel zu schreiben, weil er viele Menschen aus meinem Umfeld vor den Kopf stossen und mir wahrscheinlich einige böse Kommentare einhandeln wird. Aber das Thema beschäftigt mich zu oft, um das Folgende ungesagt zu lassen. Es geht um die zunehmend aggressiver werdende Kritik an der Schule.
In unserer Zeit, in der es auf Klickraten und Interaktionen in den sozialen Medien ankommt und gerne alles auf Facebook und Co. geteilt wird, was knackig und plakativ daherkommt, greifen Journalistinnen, Autoren und Expertinnen vermehrt auf die Strategie «Polarisieren und emotionalisieren» zurück. Mit Titeln wie «Schulinfarkt» oder «Das Lehrerhasser-Buch» wird um Aufmerksamkeit gebuhlt. Die Experten, die zum Thema Schule interviewt und in Talkshows eingeladen werden, vermischen berechtigte Kritik immer mehr mit populistischer Rhetorik.
Macht lernen dumm?
Einige Monate vor Erscheinen seines Buches «Anna, die Schule und der liebe Gott. Der Verrat unseres Bildungssystems an unseren Kindern» lud der Philosoph Richard David Precht den deutschen Professors Gerald Hüther in seine
Sendung ein – unter dem Titel: «Skandal Schule. Macht lernen dumm?»
Precht leitete die Sendung mit folgender Pauschalisierung ein: «An unseren Schulen werden die Kinder von den falschen Leuten nach den falschen Methoden in den falschen Dingen unterrichtet.»
Das war vor sechs Jahren.
Seither hat sich der Ton noch verschärft. Gerald Hüther behauptet, dass unsere Schulen unsere Kinder zu «Systemlingen» dressieren, die nicht selber denken können, sie zu unkreativen Kümmerwesen verkommen lassen.
«Bei ihrer Geburt sind 98% aller Menschen hochbegabt, nach der Schulzeit sind es nur noch 2 Prozent.»
Zitat aus dem Film «Alphabet»
Der Film «Alphabet», der in den letzten drei Jahren viel diskutiert wurde, zeigt nicht nur interessante Lern- und Bildungsalternativen. Er wirbt auf dem Filmplakat und der DVD-Hülle auch mit dem Zitat: «Bei ihrer Geburt sind 98% aller Menschen hochbegabt, nach der Schulzeit sind es nur noch 2 Prozent.» Seither begegnet mir diese Aussage auf Facebook, in Artikeln und in Büchern immer wieder. Kommentare wie diese versetzen Eltern in Aufruhr. Wie können wir unsere Kinder, die uns so viel bedeuten, solch scheinbar grausigen Institutionen anvertrauen?