Welche Chancen bieten Computerspiele? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Welche Chancen bieten Computerspiele?

Lesedauer: 4 Minuten

Computergames – die Serie, Teil 2

Kinder und Jugendliche gamen eigentlich nur aus einem einzigen Grund: weil es Spass macht. Tatsächlich steckt in Videospielen aber weit mehr Potenzial – und das für die ganze Familie.

Seit vielen Jahrzehnten sind Videospiele umstritten. Spieler aller Altersgruppen fühlten sich im Rahmen der Killerspiele-Debatte an den Pranger gestellt, bis sie scheinbar einfach so versandete. Böse Zungen behaupten, Lobbyisten der Spieleindustrie hätten im Verborgenen gekonnt ihren Einfluss geltend machen können.

Tatsächlich weist der mittlerweile vollzogene Wandel in Politik und Gesellschaft vom Killerspiel zum Kulturgut Computerspiel einen anderen Hintergrund auf: Computerspiele sind ein Geschäft – und ein sehr erfolgreiches dazu. Das bekannteste Computerspiel aus der Schweiz ist der alljährlich erscheinende «Landwirtschafts-Simulator», der mit seinen digitalen Traktoren zwar gerne etwas belächelt wird, aber weltweit über 25 Millionen Exemplare verkauft hat. 

Videospiele als Berufsperspektive

«Die Game-Industrie ist zum umsatz­stärksten Zweig der Kulturwirtschaft aufgestiegen», stellte bereits vor Jahren die kulturfördernde Stiftung Pro Helvetia fest. In den vergangenen Jahren wuchs dieser Wirtschaftszweig zu einem wichtigen Akteur heran, der Ausbildungs- und Arbeitsplätze schafft und Steuereinnahmen generiert. Längst hat sich an Hochschulen das Studienfach Game Design etabliert. In einer immer digitaler werdenden Berufswelt bieten Videospiele Jugendlichen eine Zukunftsperspektive.

Keine Angst, Eltern müssen ihre Kinder nicht zum Gamen zwingen, damit aus ihnen mal etwas wird. Das ist auch gar nicht notwendig. Sie spielen ganz freiwillig.

Serie: Computergames

Kaum etwas hat auf Jugendliche eine so grosse Sog­wirkung wie Computerspiele. Worin liegen die Faszination und die Chancen? Welche Gefahren birgt das Zocken am Computer und wie schützen wir unsere Kinder davor?
Kaum etwas hat auf Jugendliche eine so grosse Sog­wirkung wie Computerspiele. Worin liegen die Faszination und die Chancen? Welche Gefahren birgt das Zocken am Computer und wie schützen wir unsere Kinder davor?

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Menschen besitzen einen angeborenen Spieltrieb. Säuglinge spielen, Kleinkinder, Grundschüler und Jugendliche. Über das Spiel entwickeln sie sich stetig körperlich, geistig und seelisch weiter. Sie befinden sich in einem permanenten Prozess der Veränderung. Ein zweijähriges Kleinkind mag noch fröhlich Holzklötze aufeinanderstapeln, der Zwölfjährige möchte das eher nicht mehr. Denn mit zunehmender Spielerfahrung steigen die Ansprüche an das Spiel. Bekanntlich fördert das Spielen allgemein wichtige Kompetenzen wie Kreativität, Fantasie, Empathie und Konzentration. Kinder entwickeln dabei ein hohes Mass an Ehrgeiz und Ausdauer. Sobald sie im Spiel gewinnen, freuen sie sich und der Sieg erfüllt sie mit Stolz. Sobald sie jedoch verlieren, löst das Scheitern in manchen Fällen schlechte Gefühle und zuweilen auch Aggressionen aus. Besonders in der Pubertät zeigt sich generell, wie niedrig die Frustrationstoleranz sein kann.

All diese aufgezählten Fähigkeiten gelten übrigens auch für Videospiele. Dort kommen noch weitere, spezielle Chancen hinzu, die wir allerdings mit kritischem Augenmass betrachten sollten.

Vorsicht vor Überhöhungen

Geht es um die Vorzüge der digitalen Spielewelt, neigen Befürworter rasch zu einer starken Überhöhung des Mediums und zitieren Studien, laut denen zum Beispiel Ärzte besser operieren können, da sie durch Gamen ihre Hand-Auge-Koordination trainiert hätten. Das erscheint dann doch übertrieben. Fakt ist jedoch, dass Kinder in komplex verschachtelten Welten ihren Orientierungssinn erweitern und sich erstaunlich gut zurechtfinden. Auch steigern sie zum Beispiel in Jump’n Run-Games ihre Reaktionsfähigkeit und Geschicklichkeit.
 
Manche Games wie rätselhafte Adventure- oder anspruchsvolle Strategie- und Simulationsspiele schulen auch taktisches, logisches, lösungsorientiertes und zum Teil unkonventionelles Denken. Wird in Teams gespielt, kommen durch Austausch, Absprachen und gemeinsames Erleben auch soziale Komponenten hinzu.
 
Zugegeben, das sind zwar positive Merkmale, aber im besten Fall Nebeneffekte. Kinder spielen eigentlich nur aus einem einzigen Grund: weil es Spass macht. Tatsächlich steckt in Videospielen aber noch mehr Potenzial für uns alle.
Videospiele bieten für Familien eine ganz wunderbare Möglichkeit, gemeinsam ins Gespräch zu kommen und im Gespräch zu bleiben. Halten Eltern aber wenig bis gar nichts von digitalen Spielen, spüren das Kinder. 

Ernsthaftes Interesse zeigen

Nun könnten wir uns damit zufriedengeben, dass nun mal Felder in der Jugendkultur existieren, in denen Erwachsene nichts zu suchen haben. Nur, was macht das mit den Kindern? Nach dem Kinobesuch fragen wir doch auch, ob ihnen der Film gefallen hat. Und in der Regel sprudeln sie dann los, erzählen von der Handlung und geben Szenen wieder, die sie beeindruckt haben. Das fehlt bei Videospielen. Kinder würden uns jedoch gerne alles zu ihren Spielen erzählen, wenn wir nur ernsthaft Interesse zeigten. Wegen unseres Argwohns fällt es ihnen schwer, mit uns offen über ihre Spielerlebnisse zu sprechen, die nicht immer gut sein müssen.

Holen wir Kinder nicht regelmässig in ihren digitalen Medienerlebnissen ab, kann das auch Folgen für das Miteinander haben. Sie fühlen sich nicht verstanden und ziehen sich zurück, gerne in soziale Netzwerke oder auch ins Spiel. Vernachlässigen wir den steten Austausch, wird die Sprachlosigkeit zwischen Eltern und Kindern grösser, und desto mehr gewinnt die Fluchtmöglichkeit in die spielerische Parallelwelt an Reiz. Eltern mit Jugendlichen wissen genau, wovon ich spreche.

Und nicht vergessen: Spielen macht glücklich!


Die Chancen des Gamings

Mit Kindern die andere Seite betrachten: Wie entstehen Games und welche Berufe sind damit verbunden? www.zhdk.ch/studium/design/fachrichtung-game-design

Wer selbst mit Games aufgewachsen ist, darf die Welt der Videospiele mit Kindern noch einmal erleben.

Mit Kindern über Games reden: Reger Austausch sorgt für eine bessere Akzeptanz der gesetzten Grenzen und hilft Eltern, auf dem neusten Stand zu bleiben. 

Medienkompetenz fördern: Kinder kennen sich bestens mit Games aus? Prima, wir kennen die Fallstricke der Netzwelt (mehr dazu in Teil 4: Wie gefährlich sind Games?).

Die JAMES-Studie 2020 empfiehlt Eltern, «selbst einmal zu spielen», um einerseits die «Faszination zu verstehen» und andererseits Kindern einen «verantwortungsvollen Umgang mit diesem Medium beizubringen».


Die Serie

Kaum etwas hat auf Jugendliche eine so grosse Sog­wirkung wie Computerspiele. Worin liegen die Faszination und die Chancen? Welche Gefahren birgt das Zocken am Computer und wie schützen wir unsere Kinder davor? Alles, was Eltern übers ­Gamen wissen sollten, in einer sechsteiligen Serie.

Teil 1 Was wir über das Gamen wissen müssen 

Teil 2 Welche Chancen bieten Games? 
Teil 3 Lernen mit Games
Teil 4 Wie gefährlich sind Games?
Teil 5 Welche Schutzmassnahmen gibt es bei Games?
Teil 6 Good Games, bad Games – diese Spiele können wir empfehlen

Hier lesen Sie alle Artikel der Serie


Der Autor

Thomas Feibel 58, ist einer der führenden ­Journalisten zum Thema «Kinder und neue Medien» im deutschsprachigen Raum. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare. Zuletzt erschien sein Elternratgeber «Jetzt pack doch mal das Handy weg» im Ullstein-Verlag. Feibel ist verheiratet und Vater von vier Kindern. 
Thomas Feibel 58, ist einer der führenden ­Journalisten zum Thema «Kinder und neue Medien» im deutschsprachigen Raum. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare. Zuletzt erschien sein Elternratgeber «Jetzt pack doch mal das Handy weg» im Ullstein-Verlag. Feibel ist verheiratet und Vater von vier Kindern.