Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit der Stiftung Kinderdorf Pestalozzi
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100 Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien konnten ihre Sommerferien im Kinderdorf Pestalozzi verbringen und im unbeschwerten Spiel wichtige Erfahrungen sammeln.
Unser Kinderdorf soll den Kindern und Jugendlichen als Ort in Erinnerung bleiben, an dem sie so sein können, wie sie wollen. Niemand muss, jeder und jede kann. Die Teilnehmenden stehen im Mittelpunkt aller Aktivitäten. Die Pädagoginnen und Pädagogen sowie Jugendarbeiter und -arbeiterinnen versuchen, die individuellen Lebenswelten zu reflektieren und in Verbindung zur Gesellschaft zu bringen. Dabei spielt die Orientierung an den alltäglichen Erfahrungen, Bedürfnissen und Interessen der jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine zentrale Rolle.
Denn im Verlauf der kindlichen Entwicklung orientiert sich der heranwachsende Mensch nicht mehr nur im familiären Umfeld, sondern immer mehr auch nach aussen hin – vor allem an Gleichaltrigen. Die Gruppe der Gleichaltrigen ist das ideale Trainingsgelände für soziales Verhalten. Erstmals fanden in diesem Sommer zwei Ferienlager im Feriendorf statt, die sich auch an Kinder von Eltern richteten, die über ein nur geringes Einkommen verfügen. Und die ihren Kindern ansonsten keine Ferien ermöglichen könnten. Mitinitiiert wurde das Lager von der Stiftung Elternsein, der Herausgeberin des Schweizer ElternMagazins Fritz+Fränzi, der es ebenfalls sehr am Herzen liegt, allen Kindern ein schönes Ferienerlebnis zu bescheren.
Sich inspirieren und begeistern lassen
Vielfalt ist im Kinderdorf Programm. So konnten die Kids in den Ferienlagern sehr unterschiedliche Angebote besuchen und täglich aus bis zu vier Programmpunkten wählen. Dabei entdeckte die eine ihr Talent im Bogenschiessen, der andere seine Lötkünste beim Roboterbauen oder beim Feuermachen im Wald. In den Worten einer Teilnehmerin: «Hier kann ich so unterschiedliche Sachen machen, zu Hause hätte ich nie die Möglichkeit dazu und würde dann doch nur abhängen und immer das Gleiche tun.» Das vielfältige Angebot zielt darauf ab, dass die Kinder und Jugendlichen mit ihren ganz unterschiedlichen Hintergründen lernen, sich für Neues zu begeistern. So konnten rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre eigenen Potenziale erkennen und auch fördern. Hoffentlich werden sie nach den Ferien damit weitermachen – inspiriert von neuen Ideen, neuen Möglichkeiten
und neuen Freundschaften.
Gerade in Corona-Zeiten braucht es informelle Bildung
Seit seinen Anfängen unterstützt das Kinderdorf Kinder und Jugendliche aus ganz unterschiedlichen Situationen in ihrer persönlichen Entwicklung. Auf diesem Weg haben die nonformale und die informelle Bildungsarbeit unser pädagogisches Handeln geleitet und geprägt. Gerade in der derzeitigen Situation, in der das Corona-Virus unser aller Denken durchdringt und als Unsicherheit in unsere sozialen Beziehungen einfliesst, brauchen Kinder und Jugendliche ein vertrauensvolles Umfeld, in dem sie eigene Erfahrungen machen und daran wachsen können. Während des Lockdowns wurde die nonformale und informelle Seite der Bildung quasi vergessen, verkam bestenfalls zur schönen Nebensache. Anbieter aus diesem Bildungsbereich mussten mit viel Engagement für Aufmerksamkeit sorgen, um in der allgemeinen Panik nicht vergessen zu werden. Es gab gute Konzepte, die neben der formalen Bildung der Schule jedoch kaum Beachtung fanden. Wünschenswert ist ein gleichberechtigtes Nebeneinander, von dem vor allem Kinder und Jugendliche profitieren würden.
Die kindliche Psyche leidet unter mangelndem Körperkontakt
Für die COPSY-Studie aus Deutschland haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf am 26. Mai und am 10. Juni mehr als 1000 Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren und mehr als 1500 Eltern befragt. «Die Studie hat gezeigt, dass die Herausforderungen der Pandemie und die damit im sozialen Leben einhergehenden Veränderungen die Lebensqualität und das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen verringern und das Risiko für psychische Auffälligkeiten erhöhen», schreiben die Autorinnen und Autoren. Die meisten Kinder und Jugendlichen fühlten sich belastet, machten sich vermehrt Sorgen, achteten weniger auf ihre Gesundheit und beklagten häufiger Streit in der Familie.
Bei jedem zweiten Kind habe das Verhältnis zu seinen Freunden durch den mangelnden physischen Kontakt gelitten. Die Covid-19-Pandemie war und ist eine Herausforderung der ganz besonderen Art und sie zeigt Schwächen im System auf. Diese sind nur gemeinsam zu bewältigen, mit allen Bildungsakteuren, die die Schweiz zu bieten hat, und das sind zum Glück viele. Wir vom Kinderdorf sind sehr froh darüber, dass wir in der Ferienzeit ein Angebot schaffen konnten, welches Kindern und Jugendlichen den Raum bot, physisch miteinander in Kontakt zu treten. Das machen wir seit nun fast 75 Jahren in der Schweiz. Und wir wollen dies mit grosser Leidenschaft auch weiter tun. Für ihr Kind, für alle Kinder in der Schweiz und am liebsten auch für alle Kinder dieser Welt.
Übersicht: Ferienlager Kunterbunt und Action & Fun
Die Ferienlager Kunterbunt, für 8- bis 11-Jährige, und Action & Fun, für 12- bis 15-Jährige, leisten einen Beitrag für die öffentliche Gesundheit und gegen die Vereinsamung von Kindern und Jugendlichen.
Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern steht ein vielfältiges Programm zur Auswahl, welches den Rahmen schafft, sich für Neues zu begeistern und in direkten Austausch mit Gleichaltrigen zu treten.
Rund 100 Kinder und Jugendliche haben in den Ferien im Kinderdorf – inspiriert von neuen Ideen, neuen Möglichkeiten und neuen Freundschaften – ihre individuellen Potenziale erkannt und gefördert.
Das Angebot will Eltern entlasten und ihnen die Möglichkeiten geben, Zeit ohne Kinder zu verbringen, um aufzutanken und zu regenerieren. Und es bietet Eltern eine echte Alternative zur ausserschulischen Betreuung während der Sommerferien.
Tanz und Bewegung: Zusammen mit dem Panorama Dance Theater haben die Kinder und Jugendlichen des Ferienlagers Action & Fun eine eigene Tanzchoreografie erarbeitet.
Zur Autorin:
Lukrecija Kocmanic ist Leiterin Freizeit im Kinderdorf Pestalozzi.
Über die Stiftung Kinderdorf Pestalozzi
Die Stiftung Kinderdorf Pestalozzi ist ein international tätiges Kinderhilfswerk. Seit 1946 stehen Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. Das Kinderdorf in Trogen ist ein Ort der Friedensbildung, an dem Kinder aus der Schweiz und dem Ausland im Austausch lernen, mit kulturellen und sozialen Unterschieden umzugehen. In zwölf Ländern ermöglicht die Stiftung benachteiligten Kindern Zugang zu qualitativ guter Bildung. www.pestalozzi.ch
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«Viel Neues erleben, statt auf der Couch abhängen» Zum ersten Mal organisierten die Stiftung Kinderdorf Pestalozzi und die Stiftung Elternsein, Herausgeberin der Schweizer ElternMagazins Fritz+Fränzi, Sommerlager für Kinder aus benachteiligten Familien. Lange war unklar, ob diese wegen Corona überhaupt stattfinden können. Um so grösser die Freude, als die ersten Kinder auf dem Gelände in Trogen AR ankamen.