Eltern-Burnout: Lässt sich der Zusammenbruch verhindern?
Das hat Folgen: Immer mehr Eltern fühlen sich überfordert und erschöpft. Der moderne Familienalltag ist zu einem Gesundheitsrisiko geworden. In Zahlen belegen lässt sich das kaum, niemand in der Schweiz zählt erschöpfte Mütter und Väter. In Deutschland allerdings schon. Das Deutsche Müttergenesungswerk ermöglicht Müttern – und auch Vätern – Kurmassnahmen und führt kontinuierlich Statistik. Jährlich nehmen 40'000 Mütter das Angebot in Anspruch. Die Zahl der Kurmütter mit Erschöpfungssyndromen bis hin zum Burnout, mit Schlafstörungen, Angstzuständen, Kopfschmerzen oder ähnlichen Erkrankungen ist in den vergangenen 15 Jahren von 48 Prozent auf 97 Prozent gestiegen.
Online-Dossier Burnout
Welches aber sind die Ursachen für die zunehmend erschöpften Eltern? Und was können Familien tun, um im besten Fall gar nicht erst in eine Überforderung zu geraten? Auf diese und andere Fragen will dieses Dossier Antworten geben.
Die drei Hauptbelastungsfaktoren, die die Mütter angeben, sind ständiger Zeitdruck, die berufliche Belastung und Probleme, Kinder und Beruf zu vereinbaren.
«Es lastet zu viel auf zu wenigen Schultern», sagt Marlene Held. Die psychologische Psychotherapeutin am Inselspital Bern beobachtet, dass Eltern in der Kernfamilie oft alleine gelassen werden. Das Risiko einer chronischen Erschöpfung sei deshalb hoch: «Dadurch, dass viel aufs Individuum abgewälzt wird, entsteht ein grosser Druck bei den Eltern.»
Hinzu kommen die gestiegenen Ansprüche in der Leistungsgesellschaft. Immer schneller soll immer mehr erledigt sein, wir werden von Reizen überflutet und ertrinken in gewollten und ungewollten Informationen. Wer eine Familie führt, ist 24 Stunden am Tag verantwortlich. Schule, Job und Freizeit sind eng durchgetaktet und gleichzeitig ein höchst fragiles Konstrukt.
Kleine Einbrüche im System – Kind krank, Hütedienst fällt aus – rauben schnell viel Energie. «Auch bei Alltagsroutine ohne Zusatzbelastungen ist das Leben mit Kindern in der Kleinfamilie einerseits sehr bereichernd, andererseits fordernd bis überfordernd», so Marlene Held. Ihr ist wichtig zu betonen: Das ist völlig normal.
Familien leiden unter der Isolation
Es sind meist die eigenen Ansprüche, an denen perfektionistisch veranlagte Eltern scheitern. «Die Anforderungen, die sich Eltern mit sehr hohen Ansprüchen selbst auferlegen, finde ich problematisch», sagt Stephanie Hefti, Psychologin an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. Denn: Je höher der Anspruch, desto eher kann ich ihm nicht gerecht werden.
Das Elternsein an sich sei schon eine grosse Herausforderung, so Hefti, das mache ja jeder zum ersten Mal. «Immer alles abdecken und leisten zu wollen, was theoretisch möglich ist, ist unrealistisch und führt häufig zu einer Überforderung», erklärt Hefti. Es ist okay, wenn abends mal kein selbstgekochtes Biogericht auf dem Tisch steht und der 8-Jährige nur ein Hobby betreibt statt vier. Hefti rät Eltern zu versuchen, die eigenen Bedürfnisse wieder mehr wahrzunehmen. In sich hineinzuhorchen und sich zu fragen: Was möchte und kann ich leisten? Wo sind meine Belastungsgrenzen?